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Der Fluch der Akribik, Teil 152
WAS EIN GESTANDENER MODELLBAHNER IST, HAT EINEN BSONDERS LAAAAAANGEN…
…Güterwagen.
Beim Kramen in meinen schändlichen Schachtelbahner-Schachteln stach mir kürzlich ein Glt von Lima ins Auge, der unverzüglich noch ein wenig verfeinert werden musste:
Zum einen, weil es sich um einen echten Österreicher, einen „Gel“ der Zwischenkriegszeit handelt, also eines der gaaaaaaanz wenigen brauchbaren Modelle eines österreichischen Vorbildes aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, und weil er meinem Komfortbedürfnis (um wieder einmal das grausliche Wort „Faulheit“ zu vermeiden) ungemein entgegenkommt, denn dieses Vorbild war ein Leitungswagen, besaß also keine Bremsen.
Der Wagen geriet in kleinen Stückzahlen als Glt Dresden der Nummernserie 90 300 ... 90 349 zur DRG und schließlich als Glt 19 auch zur DB, wo ihm, obwohl Splittergattung, auf Grund seiner damals außergewöhnlich großen Ladelänge von 13,45m ein recht langes Leben beschieden war. Die von Lima häufig verkaufte Version eines Privatwagens der Firma „Züchner-Dose“ (Artikel Nr 303265) in blau-gelber Lackierung soll jedoch ein reines Phantasieprodukt gewesen sein, denn die Firma Züchner soll zwar mehrere Privatwagen unterhalten haben, aber eben keinen Glt 19.
Hier nun eine für unsere jüngeren Hobbykollegen wahrscheinlich recht ungewöhnliche Bauanleitung für einen solchen Glt:
Diese bemerkenswerte Anleitung vom Juli 1955 aus einer längst nicht mehr existierenden Zeitschrift sah vor, dass man einen Holzklotz ausdauernd und präzise zurechtfeilte, mit Papier beklebte, und ein metallenes Fahrgestell mit Rädern, Puffern und Kupplungshaken hinzufügte. – Ein plumpes Kind einer kargen Zeit. Kein Wunder, dass bald darauf Firmen wie Kleinbahn mit ihren stark verkürzten Modellen einen fulminanten Siegeszug antraten, denn diese heute als spielzeughaft empfundenen, unmaßstäblichen Fahrzeuge waren natürlich trotz aller Fehler wesentlich näher am Vorbild dran als ihre Holzklotz-Papier-Mitbewerber.
Ich warf die Feile zurück in die Werkzeugkiste, schob das Holzscheit in den Kaminofen und versah den Lima-Glt mit Federpuffern, Originalkupplungen und etlichen Griffen aus 0,3mm Messingdraht an den drei Türen.
Ein Kompromiss blieb: die äußerst linke Lüfteröffnung sah beim Vorbild wahrscheinlich anders aus. Da die Fahrzeuge aber diverse Umbauten erfuhren, ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass die Lima-Variante sehr wohl ein konkretes Vorbild hatte. Zudem sind Fotos dieses Fahrzeuges rar. Ich kenne ein einziges eines österreichischen Wagens, dessen Beweiskraft aber nicht viel taugt, weil dieser Wagen sehr wahrscheinlich in einigen Details bereits Änderungen hinter sich hatte.
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Schockschwerenot, Beulenpest und Merkel! Deutsche Wagen sind in meinen Güterzügen noch unterrepräsentiert! Das darf natürlich keinesfalls so bleiben!
Dem Glt 19 gesellte sich folglich ein O Halle der DB von Sachsenmodelle hinzu, dem ich seinerzeit, einer Anleitung im „Carstens“ folgend, ein Fleischmann-Bremserhaus nebst Originalkupplung, Federpuffer, Druckluftschläuche, Signalhalter, Zettelkasten, einen Rangiertritt und frei stehende Griffe spendierte. Das Sachsenmodelle-Modell beeindruckte Anfang der 1990er Jahre mit seinen auch innen nachgebildeten Bordwänden – damals eine Aufsehen erregende Innovation. Anders als beim wenig später erschienenen Fleischmann-Modell mit Handbremse war bei diesem Modell die Teilung der Bordwände korrekt, sagt jedenfalls Carstens.
Ich fügte dem Wagen letzte Woche noch Bremsauffanglaschen, Lösezüge und eine Weinert-Handbremse hinzu.
Beim Fotografieren ist mir noch ein kleiner Makel aufgefallen: Das verbogene untere Trittbrett wird kommende Woche ausgetauscht. Und je länger ich dieses Foto betrachte, desto wahrscheinlicher wird es, dass ich bei dieser Gelegenheit auch gleich die recht klobig wirkenden Handgriffe am Bühnengeländer durch Messingdrähte ersetze… Also: ab und zurück auf die Werkbank!
Liebe Grüße von der Transsüdbayrischen Eisenbahn
Euer Karl