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Der Fluch der Akribik, Teil 89
SCHALTEN UND WALTEN
So, liebe Stummis, da bin ich nun wieder, auf meinem Balkon, um 1 Uhr früh, und immer noch beim Studium der ECoS-Betriebsanleitung:
He - was ist mit euch? Beruhigt euch wieder! Habt Ihr denn noch nie Lockenwickler gesehen?
Warum ich die ECoS gekauft habe und nicht eine andere Zentrale? Mit Bauchgefühl, ohne besonderen Grund, denn auch andere Hersteller bieten gute Zentralen an. Nach den ersten Tests fühle ich mich aber recht wohl damit. Die ECoS ist ein rundum feines Gerät, das kaum Wünsche offen lässt. Wenn in verschiedenen Threads immer wieder behauptet wird, es handle sich um eine „Eier legende Wollmilchsau“, so kann ich das durchaus unterschreiben.
Wäre aber nicht ich, wenn ich nicht ein paar Kleinigkeiten zum Meckern fände:
• Die Stecker sind schwer erhältlich, ein paar zusätzlich beigepackte Stecker wären hilfreich
• Die empfohlenen Kabelquerschnitte passen nicht in die Ösen bzw. Stecker aller Weichen-Decoder des Hauses ESU
• Die Beschreibung der Adressierung der Magnetartikel und des Einrichtens der Fahrwege könnte etwas leichter verständlich geschrieben sein
• Getrennte DCC-Ausgänge für Schienen einerseits und für Magnetartikel andererseits wären nett
Reservestecker
Bei mir tat sich das Problem auf, dass die ECoS manchmal an meiner Moba steckt, manchmal aber auch nicht. Nun, ich meine das so, dass ich sie einerseits zur Steuerung der Moba anstecke, andererseits aber, wenn ich ein gutes Dutzend Weichenantriebe auf einmal adressiere, das ganz gerne an lauen Sommerabenden in netter Gesellschaft bei einem Gläschen Wein auf meinem Balkon durchführe.
Bei einem „Stellungswechsel“ muss man nun jedes Mal mit entsprechendem Zeitaufwand den einzigen Stecker abschrauben, den das geile Gefühl des Geizes den ESU-Leuten der ECoS-Packung beizugeben gestattete. Reservestecker, welche diese Prozedur überflüssig machen würden, werden der Ecos leider nicht beigegeben und man kann sie auch nicht in sinnvollen kleinen Mengen bei ESU kaufen.
Also bei einem Elektronikversandhaus bestellen? Das ist gar nicht so einfach. Denn wenn man dort als blutiger Laie „Steckbare Schraubverbindung“ o.ä. eingibt, kommen hunderte ähnlich aussehende Stecker in verschiedensten Größen zum Vorschein. In der Anleitung zur ECoS wird ein Pin-Abstand von 5,08mm erwähnt. Die Frage, woran man denn erkennen kann, dass das Ding auch der Form nach passt, wird aber nicht beantwortet. Ich beschloss, mich mit den von ESU verwendeten Steckern etwas näher zu beschäftigen.
Unter der Lupenleuchte entdeckte ich, dass die auf Grund meiner Alterskurzsichtigkeit vermeintlich unbeschrifteten Seiten meines Steckers sehr wohl Inschriften tragen, und zwar:
"KEFA / KF2EDGK" und "300V / 10A / 10 – 24 AWG"
"KEFA" identifiziere ich als einen chinesischen Hersteller, dessen Stecker z.B. auf alibaba.com wohlfeil um USD 0,001 pro Stück erhältlich sind, wenn auch bei einer Mindestabnahmemenge von 2000 Stück. (Ich glaube, Ihr versteht nun, warum sich ESU in diesem Zusammenhang dem Verdacht des Geizes aussetzt, denn ein Stückpreis von umgerechnet Euro 0,00091008 kann beim besten Willen keine ernstzunehmende kalkulatorische Größe sein, wenn es um die Entscheidung geht, ob man einem hochwertigen und nicht gaaaanz billigen Steuerungssystem ein paar Reservestecker beilegt oder nicht.)
Auch einzeln sind diese Stecker in der "Bucht" um wenig Geld erhältlich. Ich habe allerdings ausschließlich chinesische Anbieter gefunden, die von vornherein bitten, sie nicht wegen ihrer langen Lieferzeiten zu steinigen. Es werden Wartezeiten von drei und mehr Wochen angekündigt. Bis dahin, liebe ESU-Leute, ist der Sommer vorbei und das Balkon-Problem stellt sich dann nicht mehr...
Kabelquerschnitte
Die ECoS-Anleitung empfiehlt, zum Anschluss der ECoS Leitungsquerschnitte von mindestens 1,5mm² oder besser 2,5mm² zu verwenden. In diesem Zusammenhang entpuppt sich “AWG“(American Wire Gauge) als ein amerikanisches Maß für Leitungsquerschnitte.
Scrollt man im Wikipedia-Artikel etwas nach unten, so stößt man auf eine Umrechnungstabelle, mit deren Hilfe man feststellt, dass diese Stecker, die für Leitungsquerschnitte von 24 bis 10 AWG gebaut wurden, Leitungen mit einem Querschnitt von 0,205mm² bis 3,31mm² aufnehmen.
Nicht so aber die entsprechenden Eingänge z.B. am Switchpilot Servo. Dort sind 22 bis 16 AWG vorgesehen, d.h. Leitungen mit einem Querschnitt von maximal 1,31mm². Wer also auf ESUs Rat hört und mit dickem 1,5 oder 2,5mm²-Gelitze in der Meinung anrückt, damit auf besonders wenig Widerstand zu stoßen, der kommt damit schlicht und einfach nicht rein in die entsprechende Klemme des SwitchPilot Servo.
Aderendhülsensolutions
Ein weiser Ratschlag dazu in einem anderen Forum: man müsse bloß Aderendhülsen nehmen, die sind auf einer Seite dünner, die kriegt man problemlos rein.
Also begab ich mich auf die Suche nach der Firma Aderend. Es dämmerte mir allerdings bald, dass die Dinger ihrer Bestimmung nach eher Ader-Endhülsen sein dürften, bei denen man den Bindestrich für entbehrlich hielt, und keine Firma... Insoweit erinnern mich Aderendhülsen ein wenig an "Blumento-Pferde".
Das Problem des blutigen Laien mit den Aderendhülsen ist, dass die zum Aufpressen notwendigen so genannten Crimpzangen, die auch kleine Querschnitte wie 0.14mm² verarbeiten, richtig abschreckend teuer sein können. Für professionelle Presszangen kann man ohne weiteres den Gegenwert mehrerer mit Sound ausgestatteter Lokomotivmodelle auf den Ladentisch legen. Mit etwas Ausdauer findet man aber auch modellbahnerbörsentaugliche Zangen. Für meine Zwecke genügt ein einfaches Modell um ca. Euro 30,00 wie dieses hier:
Aderendhülsen kosten kein Vermögen. Ich legte mir gleich einen ordentlichen Vorrat an Hülsen der Querschnitte 0.14, 0.25, 0.75, 1.5 und 2.5mm² zu und testete.
Für alle jene, die es bis jetzt noch nicht wenigstens geahnt haben: dass man eine dicke Litze mit einer dünnen Aderendhülse in ein zu kleines Loch kriegt, gehört ins Reich der Fabel. Die Aderendhülse muss innen mindestens den Durchmesser der Litze haben, sonst geht gar nix.
Sonst aber bin ich restlos begeistert. Ich mache bei Schraubverbindungen nichts mehr ohne diese Hülsen – sie halten wesentlich besser in den Schraubklemmen als blanke oder verzinnte Litzen.
Fahren und Schalten
Bejammernswert fand ich ferner, dass es nur einen einzigen Ausgang für Magnetartikel und Fahrzeuge gemeinsam gibt, aber das ist meines Wissens - sehr wahrscheinlich aus durchaus nachvollziehbaren finanziellen Erwägungen - bei allen anderen Anbietern auch so. Wer die Steuerung von Magnetartikeln und Fahrzeugen trennen will, braucht zwei Zentralen, auch wenn bloß eine relativ kleine Modellbahn damit gesteuert werden soll.
Ich schreibe das mal so hin, vielleicht liest das ESU-Christkind hier mit und erbarmt sich irgendwann. Man weiß ja nie…
Weichen und Fahrwege
Während die erste Lokomotive auf Grund meiner Erfahrungen mit dem ESU LokProgrammer rasch fährt und auch das Einfügen eigener Symbolbilder mit Hilfe eines Grafik-Programmes (bei mir Photoshop, es geht aber auch mit dem kostelosen Gimp) kein Problem ist, löst das Erfassen von Weichen und das Einrichten von Fahrwegen Stress aus, denn hier ist mir das Handbuch zu technisch. (Wer mich kennt, ahnt, dass mir hier statt „technisch“ fast ein Schimpfwort ausgekommen wäre). Obgleich das Fahren und Schalten mit der ECoS kinderleicht funktionieren, ist das Handbuch im Abschnitt über die Magnetartikel nicht wirklich anfängersicher geschrieben und das „Programmieren“ anfänglich nicht wirklich einfach. Vielleicht hat man es verabsäumt, es gemeinsam mit einigen technischen Laien vor der Veröffentlichung gründlich zu testen?
Das Thema Weichenadressierung ist für mein Gefühl zu oberflächlich abgehandelt und setzt etwas Erfahrung voraus, die ich als Hobby-Wiedereinsteiger von meinem über 20 Jahre alten Roco-System her nicht mitbringe.
Youtube sei Dank gibt es aber einige brauchbare Videos, welche die einzelnen Schritte vom Anlegen der Weiche bis zum Einrichten der Fahrstraße mit Hilfe der ESU ECoS verständlich erklären, wie z.B. diese hier:
https://www.youtube.com/watch?v=xKGXaNP5MSU
https://www.youtube.com/watch?v=fK7lVwk2eyA
Schalten die ersten paar Weichen richtig, ist die erste Fahrstraße erfolgreich angelegt und sind damit die ersten Hürden überwunden, ist das weitere „Programmieren“ pro Magnetartikel oder Servo ganz einfach geworden und nur mehr eine Frage von jeweils wenigen Minuten:
Jippie! Die Abzweigung ins Görtschitztal ist angelegt und funktioniert!
Auch ein passendes Pult (ca. 75 x 75 x 53cm) für meine Zentrale ist rasch gefunden – in einem schwedischen Modellbahngeschäft, das sich allerdings in irreführender Weise als Möbelhaus zu bezeichnen pflegt. Obenauf wird noch ein kleines Notebook Platz finden, in der Schublade kommen Kabel, Stecker, LokProgrammer, Betriebsanleitungen etc. unter, und für den "Kabelsalat" gibt es hinter der Schublade eine Ablage:
Fast glaube ich, von Ferne schon das Herannahen einer Testlokomotive zu hören…
Liebe Grüße vom Sommer am Wörthersee
Euer Karl