Noch'n "Lebensbild":
[URL=Von Paul Smith from UK - 120 004-7 DB Museum Koblenz-Lützel 19.07.15, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43672290]Von Paul Smith from UK - 120 004-7 DB Museum Koblenz-Lützel 19.07.15, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43672290[/URL]
Als sich Ende der 70er Jahre abzuzeichnen begann, dass die Baureihe 120 Wirklichkeit werden würde, machte man sich natürlich auch beim DB Design-Center Gedanken über das Erscheinungsbild der zukunftsweisenden Drehstromlok. Etliche Alternativentwürfe von damals sind mittlerweile publiziert worden; ich darf nur auf den EK 10/ 1983 und den - hervorragenden - Begleitband zur Ausstellung im Verkehrsmuseum Nürnberg "Design & Bahn" verweisen; einige sind auch hier im Forum schon visualisiert worden.
Einen fand ich aber ausgesprochen interessant; eine Variante, die wir in besagtem Buch auf Seite 194 und im ebenfalls bereits erwähnten Eisenbahn-Kurier auf Seite 35 finden: Als Triebkopf unter der Baureihenbezeichnung 102!
Bei Henschel und BBC dürfte man sich leicht verwundert die Augen gerieben haben. Moment, was wollt Ihr haben? Einen Hochgeschwindigkeitszug, bestehend aus regulären Reisezugwagen zwischen zwei Triebköpfen mit Drehstrom-Leistungsübertragung? Das hatte man bereits auf dem Papier - das war exakt der "Elektro-603"!
Nun, das Lastenheft mit seiner Anforderung, die 120 als Universallokomotive auszubilden sorgte dafür, dass sich die Herren aus Kassel und Baden den Weg ins Archiv sparen konnten. Trotzdem hat die "Triebkopf-120" ihren Reiz - und zwar noch aus einem weiteren Grund.
Ende der 80er Jahre bestellte die griechische OSE bei der deutschen Schienenfahrzeugindustrie neue Intercity-Triebzüge der Reihen 520, und zwar bei der ost- und westdeutschen Schienenfahrzeugindustrie; waren die 160km/h schnellen neuen Paradezüge der Hellenen doch eine deutsch-deutsche Zusammenarbeit zwischen AEG und LEW.
Als ich 1989 die ersten Bilder des "IC-2000N", wie er hierzulande ganannt wurde, sah, kam er mir irgendwie vertraut vor. Und tatsächlich: Das dominierende gestalterische Element, das Band, das an der Pufferbrust beginnt, sich, die Führerstände flankierend zum Dach aufschwingt und dann, die Lüfter beherbergend, die Wagendachbreite der Wagen aufnehmend den homogenen Übergang zum Zugverband herstellt, ist bei beiden gleich. In der Tat musste ich "nur" den Führerstand eines OSE-520 an eine 120 anpassen, der Rest war - von Details wie den Lampen abgesehen - eine Sache von Farbe.
Für das Außendesign und insbesondere das "Gesicht" der Züge, die ebenfalls Eingang in den Begleitband zur Ausstellung "Design & Bahn" gefunden haben, zeichnete der hochrenommierte Lutz Gelbert verantwortlich. Der 102-Entwurf wurde erstmals 1983 publiziert, der OSE-520 erschien etwa ein halbes Jahrzehnt später. Ob Gelbert EK-Leser war, entzieht sich meiner Kenntnis. Und selbst wenn, wie heißt es so schön: "Inspiration, die Dich findet ist oftmals das, was schon seit Langem in Dir selbst ruht." (Picasso)
Wie beim 603 habe ich auch hier wieder sehr auf die Details geachtet: Der Entwurf zeigt vorne keinerlei Zug- und Stoßvorrichtungen; wir dürfen eine Notkupplung unter einer Bugklappe vermuten. Die Lüfterreihe zieht sich, anders als bei der 120, höhengleich mit den Dächern der IC-Wagen harmonierend, über die gesamte Loklänge ab dem Führerstand durch, unterbrochen von einem einzelnen, auffallend großen Maschinenraumfenster (das, übrigens, stammt von einem Londoner Stadtbus ) . Die seitliche Beschriftung ist nicht mittig angebracht, sondern nach vorne Richtung Führerstand "gerutscht". Beide Einstiege haben keine Fenster; links vom zugseitigen Zustieg zeigt das Modell ein einzelnes, großes Fenster, das möglicherweise auf ein Dienstabteil hinweist. "Vorbildgerecht" hat unsere "Triebkopf-120" nur einen Stromabnehmer, und wie beim Holzmodell läuft auch beim "Lebensbild" hinter dem Triebkopf ein Avmz. Mit 11200kW Gesamtleistung wäre bei diesem "Ur-ICE" wohl reichlich Power für den gedachten Einsatzzweck vorhanden gewesen. Allerdings, mit "nur" 200km/h Höchstgeschwindigkeit hätten diese ICs nicht die Beschaffung der späteren ICE-Züge überflüssig gemacht. Doch hätte die 120 als Triebkopf den Weg in die Wirklichkeit gefunden, würden diese Züge wohl heute im bekannten lichtgrauen Kleid mit rotem Streifen im Einsatz stehen; auch eine nicht unattraktive Vorstellung.
Falls die 102 Anklang gefunden haben sollte, stellt sich möglicherweise der ein oder Andere die Frage, wie man sie in HO realisieren könnte. Ehrlicherweise muss ich sagen - ich habe keine Ahnung...!
Grüße!
Christian