Zitat von bahngarfield
... Wie ist das zu erklären? War z.B. die Schublok defekt, " ... hätte das Warten auf eine Ersatzlok, das Abhängen von Wagen oder ähnliche Maßnahmen unweigerlich eine Fahrt(zeit, Anm. d. Verf.)überschreitung und damit Rückfragen seitens der Oberzugleitung nach sich gezogen. Dieser bürokratische Papierkram war bei den Personalen manchmal mehr gefürchtet als ein erhöhtes Zuggewicht." (PAULITZ, ebd.) War "... die Lok in einem gutem (sic!) Zustand, die Überlast nicht zu groß und herrschte trockenes Wetter, nahm ein erfahrener Lokführer dieses Risiko meistens in Kauf." (PAULITZ, ebd.).
Grau ist eben alle Theorie, wusste schon Mephisto...
Grüße!
Christian
Hallo Christian,
Ich halte das Bild von der Verantwortlichkeit und vom Ermessensspielraum der da dem Lokführer zugebilligt wird für -noch vorsichtig formuliert- naiv.
Lokführer waren auch auf Dampfloks keine Expeditionsleiter die "Risiken in Kauf" nehmen konnten. Sie fuhren auf Befehl. Und man hatte auch nicht zufällig besonders viele Wagen, sondern einen Zugbildungsplan, ein Zuggewicht und einen Fahrplan. Damit stand auch die Strecke und ihr Profil schon vor Fahrtantritt fest.
Wenn etwas der "alten" Bahn fremd war, dann waren es solche spontanen, kurzfristigen Entscheidungen auf subalterner Ebene wie es hier der Autor versucht uns Glauben zu machen. Die "schiefe Ebene" tauchte auch nicht plötzlich und überraschend vor dem Zug auf und wollte bezwungen werden wie ein unbekannter Himalaja-Pass, sondern sie lag jeden Tag vor Dutzenden von Zügen die von Nürnberg nach Hof wollten. Immer an der gleichen Stelle und vorsorglich lagen dort auch schon Schienen.
Ob der Zug mit der 01 und den acht Wagen wirklich fahren konnte wird dabei fast zur Nebensächlichkeit. Sollte es so gewesen sein, müsste man dem Fahrdienstleiter noch heute seine Pensionsansprüche streichen. Sollte der Lokführer ohne Befehl gefahren sein, statt dessen dem. "Risiko" und "Wagnis" passte schon damals genauso wenig mit dem Bahnbetrieb zusammen wie der Gebrauch von Material jenseits der Spezifikation.
Natürlich hat sich, besonders seit den frühen 1970ern, ein Kult um diesen Streckenabschnitt gebildet, der von zahlreichen Autoren befeuert wurde. Aber dutzende von Zügen, welche die Strecke in geordneten Verkehr und unter Einhaltung aller Vorschriften täglich pünktlich passierten, sind so interessant wie der Spätverkehr von Heilbronn Hbf nach Lauffen/Neckar. Also muss Abenteuer her, Männerschweiß, Dreck, Angst und Krise. Schlechtes Wetter ist auch gut. Denn schließlich soll das Buch ja auch gekauft werden. Es gibt im deutschen Streckennetz auch längere Steigungen und welche mit größerem Neigungswinkel. Aber da fuhren eben keine 01er mehr, als die Dampfloks selten wurden. So muss die Dramatik eben nach Franken.
Die Fortsetzung mit anderen Mitteln sehen wir heute auf Spartenkanälen wenn in "Die gefährlichsten Baumaschinen der Welt"* mit dramatischer Musikuntermalung ein Bremsbelag an einem LKW gewechselt wird.
mfg
D.
*Diese Sendung ist erfunden und aus aus verschiedenen existierenden, reißerischen Titeln zusammengesetzt.
Früher war mehr Lametta.