RE: Polen (Schlesien) Winter 1986, Teil 1

#1 von Brillenhuber , 12.03.2016 07:29

Guten Morgen

1986 zeichnete sich ein letztes Aufbäumen der Pt 47 ab.
Kaspar Kirchgraber machte damals den Vorschlag, die Region Schlesien nochmals zu besuchen. Und zwar im Winter, mit Fotogenehmigung die es damals plötzlich gab. Leider nur für ausgewählte Depots. Aber eines war Klotzko, das frühere Glaz und Nysa, Neisse. Ich war sofort dabei, und auch eine weiterer Kollege Kurt H. schloss sich uns an.

Nun, der Fall schien einfach: Kaspar bestellte die Genehmigungen schriftlich beim Eisenbahnmuseum in Warschau, und wir würden sie auf der Durchreise abholen.
Gesagt getan: Am 1. Februar 1986 bezogen wir den Liegewagen im „Wiener Walzer“ in Zürich, Abfahrt um 21.26. Glücklicherweise habe ich über den grössten Teil der Reise ein Tagebuch geführt. Erst in den letzten Tagen, war ich zu müde, was mich heute ärgert.

Über die Fahrt spricht das Tagebuch:
„Die ersten Probleme traten in Form einer Hexe auf, die zwar zu warm hatte, aber unbedingt das Fenster nicht öffnen wollte. Dafür liessen wir die Tür offen, aber nicht ohne, dass ich meine Schuhe ins Bett nahm.“

In Wien zogen wir dann am nächsten Abend in den Südbahnhof und bestiegen den „Chopin“ der um 18.40 nach Warschau fuhr.
Der tschechische Zoll war sehr genau und wollte unbedingt, dass wir alle Serienummern der Fotoapparate aufschrieben.
Schlafen konnte man im Chopin eher weniger: Zuerst Tschechische Einreise, dann ein paar Stunden später tschechische Ausreise und wieder eine Stunde später polnische Einreise. Jede Grenzkontrolle dauerte mindestens eine Stunde und war von 3-4 maligem Besuch von Offiziellen begleitet. Jeder wollte was anderes: Vorkontrolle, Stempel, Gepäckkontrolle, Chef kontrolliert nochmals alles usw. usw.

Komischerweise waren wir dann in Zberzydowice ennet der polnischen Grenze noch pünktlich. Erst nachher fuhren wir eine Verspätung ein, so dass wir dann in Warschau statt um 08.09 erst um 10.00 Uhr ankamen.
Die Reise ging durch eine fahle Landschaft:


Als wir dann in Warschau ausstiegen, war es saukalt. Ich merkte Schnell, dass mein Parka nicht wirklich warm war. Und auch eine Mütze wäre nicht schlecht gewesen. Die war aber noch im Koffer.

Na ja wir gingen, nachdem das Gepäck eingestellt war, zum Eisenbahnmuseum, das nahe an Bahnhof war. Natürlich war die Genehmigung nicht ausgestellt, weil der Brief von Kaspar, mit den Personaldaten von uns nicht angekommen sei.
Sch…! Man vertröstete uns zuerst auf Donnerstag den 6. und nach sehr lieb sein und etlichen Telefonen auf Dienstag den 4. Februar, 09.00 Uhr.
Nun mussten wir in Warschau ungeplant übernachten!
Das war nicht so einfach: Überall war voll belegt. Schliesslich machten wir kurzen Prozess: Wir sassen in ein Taxi und machten dem Fahrer klar, dass wir es erst wieder verlassen würden, wenn wir ein Zimmer hätten!
Im „Novotel“ bekamen wir dann endlich ein Zimmer: Der Fahrer liess uns im Wagen warten und verhandelte zuerst alleine J. Wahrscheinlich, wie hoch die Provision sei. Aber das war uns Wurst: Denn wir wollten endlich weg von der Saukälte. Drei Einzelzimmer für je umgerechnet 100 Franken. Damals auch in Westeuropa kein billiges Angebot.
Ich habe dann beim Fahrer noch Fr. 100.- schwarz gewechselt.
Die nächste Hiobsbotschaft kam dann auch sofort:
Kaspar vermisste sein tschechisches Visum. Das war damals so: Man bekam den Visumsstempel in den Pass UND quasi eine beglaubigte Abschrift mit 2 Passfotos je für Ein- und Ausreise separat. Ohne diese „Separatdrucke“ mit Foto ging nichts! Somit hatte Kaspar also ein echtes Problem, wenn er den nicht mehr hatte. Er vermutete, dass er es im Schlafwagen liegengelassen hat.
Da der Chopin in Warschau endet, könnte es gut sein, dass der Schlafwagen noch dort ist. Also standen wir zur Abfahrtszeit des Chopins wieder am Bahnhof. Nicht nur der Schlafwagen war der gleiche, auch der Betreuer. Kaspar durfte das Abteil durchsuchen, fand aber nichts.
Als ihm der Schlafwagenschaffner die Adresse der Schlafwagengesellschaft aufschreiben wollte, hielt er plötzlich das Visum in der Hand. Offensichtlich wars gefunden worden und im Schaffnerabteil deponiert worden! Das war eine Erleichterung für Kaspar.

Am nächsten Tag standen wir um 09.00 im Eisenbahnmuseum, wurden aber auf 15 Uhr vertröstet. Wir waren untröstlich! Schon wieder ein Tag flöten! Den verbummelten wir in der Stadt. Vorher hielten wir Rat und beschlossen, die Nacht durchzufahren, um wenigstens die Übernachtung zu sparen und ein Teil der verlorenen Zeit einzuholen.
Es wären der „Bohemia“ Warschau - Prag, oder den „Karkonosze“ (Riesengebirge) Warschau - Bad Kudowa in Frage gekommen. Leider waren alle Liegeplätze ausgebucht, so dass wir drei Sitzplätze im „Bohemia“ nehmen mussten. Abfahrt: 18.45 Ankunft 02.46 in Klotzko.

Nun um 15 Uhr bekamen wir dann auch wirklich die Genehmigungen. Nachher schauten wir das Museum an. Leider war das Fotografieren verboten, so dass wir nur 2 Fotos machen konnten:

Feldbahnlok mit Lanz Bulldoggmotor (oder ists ein Ursus)

Aussenanlage:




Alles rostig, alles schrottig!
Drum wahrscheinlich das Fotografierverbot.

Na ja. Wir fuhren dann nach Klotzko.
Wo wir pünktlich ankamen.
Nun ging das Theater wieder los: Klotzko und die ganze Umgebung ist DIE Wintersportarena von Polen. Und mitten im Februar alles ausgebucht!
Das hatten wir nicht bedacht.
Wir fuhren mindestens eine Stunde im Taxi rum, auch in die Orte in der Umgebung. Nichts!
Nun fuhren wir mit dem ersten Zug nach Kamieniec (Kamenz) zurück und versuchten da unser Glück.
Kamienec Zabkowicki besteht aber nur aus einem grossen Bahnhof und einem weit entfernt liegenden Dorf.
Uns wurde dann gesagt, dass in Zabkowice ein Hotel sei. Mit dem nächsten Zug fuhren wir auch dorthin. Und wirklich: Wir hatten Glück: Ab 10 Uhr hatten wir Zimmer.


Kaspar und Kurt gingen dann noch filmen, während ich den Schlaf nachholte.
Auch Kaspar und Kurt kamen dann sehr müde zurück. Wir alle schliefen sehr gut und tief.
Am nächsten Morgen begaben wir uns um 08.30 Uhr nach Kamenz. Im dortigen Bahnhofbuffett verköstigten wir uns. Zum Essen gab Hering mit Zwiebeln. An das „Görpsli“ (Rülpser) denken wir alle gerne zurück.

Nachher gingen wir auf die Strecke: Das Fotografieren war immer noch nicht erlaubt. Also weg vom Bahnhof und belebten Strassen!
Schon die erste Ausfahrt entschädigte uns für alle Mühen, die wir bis dahin erlebt hatten:







Alles war mit weissem Reif überzogen und in Dampf gehüllt. So intensiv habe ich das nie mehr nachher erlebt. Man muss auch wissen, dass die Temperaturen immer so um -10 bis -20 Grad pendelten.

An diesem Tag schlichen wir grossräumig um den Bahnhof Kamenz herum. Eine Auswahl der Bilder:





Kaspar mit seiner 16mm Kamera:


Kamenz Station. Halt doch das Risiko auf uns genommen!



Ausfahrt in Richtung Nysa:







Natürlich gings nicht ohne Theater ab:
Als wir von der Srtecke zurück gingen kam Kurt entgegen, Film, Foto und Taschenlos: Er war erwischt worden und sollte die Genehmigung von Kaspar haben.
Wir trennten uns vor dem Bahnhof: Kaspar ging mit Kurt in die Höhle des Löwen und ich mit allen Filmen ins Buffett!

Gotteseidank wurde die Genehmigung anerkannt. Obwohl sie weder fürs Datum, noch für Kamenz lautete.

Ich bin nie dahintergekommen, wie das ging: So dumm konnte ja auch kein Polizist sein, dass er eine polnische Genehmigung nicht korrekt lesen kann. Ich vermute eher, dass man, sobald man auch nur einigermassen den Anschein erweckte, legal zu sein, einfach Fünfe grade sein liess. Man denke: Polen war damals sehr heruntergewirtschaftet.
Ich habe nie vor- und nachher schlechter gegessen als auf dieser Reise. Hacksteaks waren im Hotel jeden Tag auf dem Speiseplan. Das ging ja noch. Aber unterwegs: In dem Buffett haben wir nur einmal den Versuch gemacht, etwas wie Gulasch zu essen: Es war Grig, geschnetzeltes Herz. Eigentlich nicht schlecht, aber hier war das Fleisch verdorben. Ein Löffel und ich war nah am K.....!

Am nächsten Tag, Freitag, den 7.02.1986 waren wir wieder auf der Strecke nach Klotzko:
Es war ein fahler aber schön kalter Tag:


Das eigentliche Dorf Kamenz.

Den Güterzug haben wir nur noch knapp erwischt: Die Schublok kam gerade noch aufs Bild. Das Grün war selten. Auch hier, die weissen, Rauhreifbedeckten Güterwagen:



Dafür war dann der Zug nach Zabkowice und weiter rechtzeitig:


Und kurz danach, der nach Klotzko. Im Hintergrund noch der Bahndamm der Strecke nach Zabkowice:


Auch hier: Pufferbolen und Windleitbleche weiss, Rauhreifbedeckt.

Nachher wollten wir mit der Erlaubnis ind Kemenz fotografieren. Das wurde heute nicht erlaubt. Also gingen wir nach Klotzko. Auch da standen wir an: Das Datum stimmte nicht! Somit nahmen wir ein Taxi nach Bierkowice, und fotografierten den Personenzug mit der Tkt48 mit Doppelstockgarnitur:







Ja, die Dampfheitung hüllte den Zug immer ein wenig in Dampf, rauschte und knatterte immer ein wenig, war warm und hatte aber auch ihre Tücken:

Als ich eines Morgens in den Zug nach Kamenz einstieg, Doppelstockgarnitur, ging ich nach unten und betrat eine blanke Eisfläche. Mir zog es die Füsse weg, und nur weil ich mich noch an den Gepäckablagen halten konnte, fiel ich nicht hin.
Grosse Heiterkeit im Saale!
Nun, was war geschehen: Die Dampfheizung war undicht. Dadurch sammelte sich der kondensierte Dampf als Wasser auf dem Boden. Die Garnitur wurde nachts ungeheizt abgestellt und das Wasser gefror natürlich. Am Morgen als der Zug in Zabkowice ankam, war das Eis geade so angetut, dass es wunderbare Gleiteigenschaften hatte. Nicht nur ich musste das an diesem Tag feststellen.

Am nächsten Tag verpassten wir den Zug und nahmen ein Taxi von Zabkowice nach Bardo Slaskie.
Dort befindet sich der einzige Tunnel weit und breit.

Ort hatten wir aber ziemliches Pech: Entweder kam der Zug kurz bevor wir an der Fotostelle waren, oder erst als wir aufgegeben hatten. Daher nur die beiden Bilder:





Dafür wurden wir dann in Klotzko im Depot voll entschädigt:

Zuerst die Heizlok:



Schon ein Weilchen nicht bewegt:






Kaspar filmt Dampf:



Schön war aber auch, dass der Polizist, der uns begleitete, nichts dagegen hatte, wenn wir über den Zaun fotografierten.





Geheiztes Wasserfasssen:



Mit weissem Triebwerk:





Handbremse brauchts auch nicht:



Nächste Maschine ging weg:



Und fuhr nach kurzer Zeit mit dem zug wieder am Depot entlang:





Neben der alten Zeit:



War auch schon die Neue präsent:







Abends gabs mal ein gutes Stück Schweinebraten. Das wir natürlich genossen. Allerdings waren die Kartoffeln ausgegangen, so dass wir ihn mit Brot assen.

Am Sonntag waren wir wieder am Tunnel. Leider war Schneefall und Sturm. Aber trotzdem gab es Bilder. Man kann auch im Schneesturm fotografieren:





Nachher verschoben wir uns in Richtung Klotzko und warteten auf den Schnellzug. Der holte da Anlauf:








Fortsetzng folgt.

Gruss Heinz


dlok hat sich bedankt!
Brillenhuber  
Brillenhuber
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 338
Registriert am: 22.07.2015


RE: Polen (Schlesien) Winter 1986, Teil 1

#2 von trashmaster , 13.03.2016 11:18

Wahnsinns Fotos! Unglaublich spannend anzusehen!

Das Foto hats mir besonders angetan:

Zitat von Brillenhuber




Edit: Aber warum eigentlich nicht im Foto-Forum?


Grüße Georg


 
trashmaster
InterCityExpress (ICE)
Beiträge: 2.074
Registriert am: 26.10.2010
Ort: Wien
Gleise Roco Line
Spurweite H0, H0e
Steuerung z21
Stromart DC, Digital


   


  • Ähnliche Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz