Hallo, liebe Freunde des Chasseur Noir,
Am vergangenen Wochenende war es endlich so weit! Der Chasseur Noir ist auf unserem Balkon zu seiner ersten Reise dieses Sommers aufgebrochen. Diesmal geht es in den noch unerforschten Dschungel, der sich auf unserem kleinen Balkon bei diesem andauernden feucht-warmen Wetter ausgebreitet hat. Unsere Balkonpflanzen, die Küchenkräuter, sowie unser großer Gummibaum nehmen den knappen Raum wieder in Beschlag, den wir ihnen einst abgerungen haben. Mir kommt der Verdacht, sie rüsten insgeheim schon für die Klimaerwärmung.

"Das wird unsere Zukunft sein", sagt meine Frau, "Wir müssen uns daran gewöhnen, den knappen Lebensraum auf dem Planeten mit anderen Lebewesen zu teilen. Planzen und Tiere, Flora und Fauna fordern ihr Recht. Unsere Zivilisation produziert ungeheure Mengen an Müll, an Resten, die wir einfach so wegwerfen. Millionen Tonnen pro Jahr fallen einfach so unter den Tisch. Dadurch aber werden wir interessant für Mikroben, Fliegen und Spinnen. Sie gedeihen bei uns. Davon schließlich leben Nager und Vögel, und so weiter. So regeneriert sich unser Planet, eines Tages."
So hatte ich das noch nicht gesehen. Sie mag recht haben. Reiher, Kormorane, ja Störche sogar, und Sperber und Krähen kreisen seit einigen Jahren wieder hier am Darmstädter Himmel. Auf unserem Balkon tummeln sich in der Dämmerung bunt schillernde Käfer mit langen Riechfühlern. Sie alle warten auf ihr Abendessen. Eine junge Heuschrecke fand ich neulich im Netz einer dicken Krabbelspinne. "Na wenigstens ist die schon mal satt", dachte ich mir. Unter unserer H0-Anlage müssen auch achtbeinige Lebewesen sein. Man sieht nur ihre filigranen Netze. Winzige Ameisen gehen draußen am Dachgiebel geschäftig an der spröde und rissig gewordenen Anschlussmanschette der Sat-Antenne ein und aus. Tief brummende Maikäfer verraten sich im Lorbeerstrauch. Im vorigen Herbst hatten wir zum Kaffee Besuch von einer gelb-schwarz geringelten Hornisse, deren Propellerwind mir vor der Nase den Puderzucker vom Vanillekipferl gefegt hat.
Ich gebe zu, mir graust es bei surrenden und krabbelnden Insekten ein wenig, bin eher der Typ für glänzend polierte Stilmöbel. "Wir wissen viel zu wenig darüber, mit wem wir hier alles zusammenleben", war meine ängstliche Antwort. "In der digitalen Welt haben wir uns vor der Natur verschanzt", erklärt meine Frau, "Wir kennen nur jene, die wir in die Bookmarks unserer Internet-Browser und E-Mail-Programme eingetragen haben. Alle anderen ignorieren wir, obwohl sie längst in unser Sofakissen, unter das Waschbecken oder hinter dem Kühlschrank eingezogen sind".
"Wir werden eine große Expedition ausrüsten, die unseren häuslichen Dschungel bis in die hinterste Ecke erforscht", schlug ich vor, "Ganz undigital, frei von Plastik, seit 90 Jahren nachhaltig, mit Solarstrom, Fair Train! In einem Wort: Chasseur Noir." Der schwarze Jäger. Den schrecken weder giftige Spinnen noch wilde Tiger. Auf Spur-0-Blechgleisen kann allein er jeden Ort in unserer Fantasie erreichen, jedenfalls jeden, den auch die Visionen von tatsächlichen oder eingebildeten gefräßigen Insektenhorden erreichen können.
Die Balkonesiche Eisenbahnlinie hatten nach den Erfahrungen aus den vergangenen Jahren stark aufgerüstet. Die Stecke, die hoch oben auf dem Balkongeländer verläuft, wurde vollkommen neu gebaut und stabilisiert. Manu hat die Lok auf Hochglanz gebracht:

Beim ersten Zusammenbau der Gleissegmente stellt sich allerdings heraus, dass die Gleise und ihr Unterbau 4 cm zu kurz sind:

Auch zeigen sich Unebenheiten in der Trasse, die eine bisweilen atemberaubende Schräglage des Chasseur Noirs in der Kurve verursachen:

Doch die neue Klappbrücke ermöglicht jetzt den einfachen Zugang zum Innern des Gleisovals. Die 90-Grad-Kurve muss nur hochgeklappt werden, und schon gelangen wir ins Innere des Ovals. Dann wieder herunterlassen, die Verbindungsfedern einschnappen lassen, und schon ist die Strecke wieder frei.

Die Blechgleise haben wir mit einem Hauch von Kriechöl gegen das feuchte Klima rostsicher gemacht. Fahren können wir natürlich nur, wenn die Schienen trocken sind, was zuletzt selten war. Dunkle Wolken ziehen auch jetzt wieder auf und ein heftiger Regenschauer bricht herein, als ich diese Zeilen schreibe.

Nein, das war jetzt kein maßstäblicher Spur-0-Monsun! Eigenlich wollten wir am Abend doch den Zug wieder fahren lassen. Nichts da, mal sehen, ob es morgen klappt.

Jawohl, die Jungfernfahrt war ein voller Erfolgt! Sie wird mit einem starken Espressso und leckeren Waffeln gebührend gefeiert, und am Abend natürlich mit einem knallenden Sektkorken.
Grüße
Hans Martin & Manu