RE: Wassertalbahn Rumänien

#1 von Brillenhuber , 19.12.2016 09:58

Nach dem Herbst 1992 waren wir, rund zwei Jahre später, wieder im Wassertal.
Es erfolgte eine totale Überraschung: Wenn die Umgebung des Depots vor einem Jahr, ziemlich trostlos ausgesehen hat und einiges Gerümpel herumlag, so präsentierte sich das ganze Areal, wie auch die Werkstätte, in aufgeräumten Zustand. Auch die Lok hatte am äusseren Erscheinungsbild sehr gewonnen.
Hans Koller, ein Schweizer Garagist, der letztes Jahr dabei war und mit seinem Kollegen ein Hilfswerk aufgezogen (Hans hilft): http://www.google.ch/url?sa=t&rct=j&q=&e...vGNTlVs7e43Sk9g) hat, klärte uns auf:
Der Werkstattchef weilte einige Wochen in der Schweiz. Dabei wurde ihm auch Dampfbahnen in der Schweiz und auch die SLM, Lokomotivfabrik in Winterthur gezeigt. Offensichtlich hat ihn das Erscheinungsbild beeindruckt. Seit er zurück war, wurde das Gelände auf Vordermann gebracht.







Bald waren wir auf dem Zug und fuhren das Tal hinauf:




Nicht jeder fuhr im Aussichtswagen mit:



An der Verzweigung gab es einen weiteren Halt:



Rumänien hat viele Mineralquellen: Eine war hier, direkt an der Bahn:


„De Tick“ trinkt gerade wieder mal Wasser


Diverse Brückchen ermöglichten, den Bach mit aufs Foto zu bekommen.
Der Aussichtswagen ist genial!

An einer Felswand hielten wir:


Dort befand sich eine Kaverne. Laut den Aussagen der Bähnler sei das ein Relikt aus dem ersten Weltkrieg und sollte ein Lazarett gewesen sein:




Das Gebiet soll damals sehr umkämpft gewesen sein. Uns eigentlich völlig unbekannt: Erster Weltkrieg heisst doch Verdun, Flandern, Höhe 60 und weiteres.
Schlacht von Lemberg, Bug Offensive, Schlacht in Galizien, kennt man bei uns nicht!
In der nächsten Station:


Traten dann die vier Bahnpostatrategen zum Fototermin an:


Unsere Reisegruppe war ein bisschen Bahnpostlastig: Emil, ein Bahnpöstler mit Leib und Seele hat noch 3 Kollegen zum Mitkommen animiert.
Ja, Bahnpöstler war kein Beruf, sondern eine Philosophie! Sie galten als Elite der Post! Konnte, oder kann heute (2016) noch jemand von sich behaupten, er sei „gefahren“, stieg er in der Achtung seinen Gegenübers. Auch hatte man sofort ein Gesprächsthema. Das kam nicht von Ungefähr: Die Anforderungen an einen Bahnpöstler waren schon hoch: Das fing damit an, dass die Sortierfächer in den Bahnpostwagen nicht beschriftet waren. Schweizweit herrschte ein genaues System, wie die Briefe in den Fächern abgelegt wurden. Das änderte natürlich auf jeder Strecke!
http://www.bahnpark-augsburg.de/museum-i...ahnpostamt.html
Nur schon das richtige Fach zu treffen, war eine Sache. Dann kam der Zeitdruck: Der Fahrplan war gegeben. Da musste sortiert, geleert (spülen sagte man), abgebunden und versackt werden. Alles im rüttelnden Zug. Die konnten schon was. Allerdings gab es auch anderes: An Emils Beerdigung 2009 waren einige Bahnpöstler anwesend, die mir, als aktiven, nicht gefahrenen, Postangestellten erlaubten, an ihrem Tisch dabei zu sein. Wie immer an solchen Gelegenheiten, dauerte es nicht lange und die Erlebnisse wurden ausgetauscht. Wenig ist hängen geblieben. Vielleicht die Geschichte, dass der Postzug in Aathal, zwischen Uster und Wetzikon gelegen, jeweils längere Zeit pausieren musste. Es fand Kreuzung und Überholung statt. Man ging dann geschlossen ins Restaurant Bahnhof zum Znüni, wo die Wirtin jeweils auf dem Klavier spielte. Nahte die Abfahrt kam der Stationsvorstand rein und sagte zur Wirtin: Hör auf zu spielen, sie müssen weiter. Oder, man glaubt das heute kaum, dass es einen begleiteten Postzug nach Sihlbrugg gab!
Haustiere hielt man auch:



verschiedener Art:





Beides gibt’s nicht mehr:
Die Lok ist nicht mehr betriebstauglich und das Schwein wohl schon lange verdaut.
Kurz vor der Station Botizu war diese Brücke:


Hier die Einfahrweiche:


Dann öffnete sich das Tal allmählich:


und Faina kam in Sicht.
Dort hatte sich auch einiges geändert: Wo wir vor 2 Jahren malerisch am Fluss sassen, wurde ein Schutzdach mit Tisch und Bank erstellt:


Ich wollte noch die Kapelle mit den Soldatengräbern aus dem ersten Weltkrieg sehen. Das letzte Mal hatten wir keine Zeit.
Sie ist etwa 10 Minuten von der Station weg auf einem Hügelsporn:


Und daneben die vier namelosen Gräber:


Ja, das sind die letzten Eisenbahnbilder dieser Reise.
Ja, Rumänien. Ein faszinierendes Land. Aber es gab auch gewaltige Schattenseiten.
Es gab auch ein anderes Rumänien: Die Aushebung der Kindervernichtungslager war noch nicht lange her.
Eine wirkliche soziale Absicherung existierte erst rudimentär.
Dieser invalide Bettler, der mit Taloschierkellen als Gehilfe, in Suceava auf dem Boden rumkrabbelt, kennt wohl eher das schlechte Rumänien:

Korruption war überall vorhanden: Uns hielt auf einer späteren Reise ein Polizist an, und sagte, wie seien zu schnell gefahren, obwohl wir in einer Kolonne fuhren, also eigentlich alle Fahrzeuge, wenn schon, zu schnell gefahren wären. Es gab dann die Möglichkeit 50 Lei ohne, oder 100 Lei mit Quittung zu bezahlen. Das solches Verhalten das Ansehen der Polizei nicht hob, ist wohl verständlich.
Auch ist mir aufgefallen, dass in Brasov, wo wir bei allen späteren Reisen wieder hinkamen, immer mehr Second-Hand Läden eröffneten. Komischerweise sammelten unsere Hilfswerke zu dieser Zeit Kleider für Rumänien. Man mag nun seine Schlüsse daraus ziehen.
Der Tenor in der Bevölkerung war unisono, dass die Securitate den Nicolae gestürzt hat, und nun unter dem Mäntelchen der Demokratie munter weitermache.
Auch Umweltschutz war damals noch ein Fremdwort! Wir fuhren einmal auf der ersten Reise 1992 durch Copșa Mică. Dort waren eine Russfabrik und eine Buntmetalhütte in Betrieb: Auf Farbfilme konnte man getrost verzichten: Alles war grau – schwarz. Das war aber nur die Spitze des Eisberges. Ein Umweltbewusstsein kann in so einer Umgebung nicht gedeihen. Wer will, kann hier einen Bericht lesen: http://www.taz.de/!522853/
Dazu muss gesagt werden, dass wir 1992 wirklich keine farbigen Häuser gesehen hatten!
Für mich ging die Reise dann noch weiter: Wir fuhren am nächsten Tag nach Brasov und am Tag danach zum Flughafen in Bukarest. Dort bestieg der Rest der Gruppe das Flugzeug nach Zürich. Mit diesem Flieger kamen aber die Leute von der Beobachter- (eine Schweizer Zeitschrift) Leserreise. Die führte ins Donaudelta und zu den Moldauklöstern. Diese Reise habe ich auch mitgemacht. Bilder von beiden Reisen sind hier abgelegt:
https://www.flickr.com/photos/r_walther/...157677202515186
Damals begann im Donaudelta die touristische Erschliessung erst. Heute, so lese ich, sind die Pelikane aus den Seen, auf denen wir sie noch angetroffen haben, verschwunden. Ich rate aber jedem, der die Gelegenheit hat, mal dort vorbeizusehen, die Gelegenheit zu nützen. Die Landschaft und die Tierwelt ist sehenswert. Sogar die Kühe verlieren die Wasserscheu, wie folgendes Bild zeigt:

Eine Karte mit den Stationen der Reise im Delta habe ich hier abgelegt.
https://www.google.com/maps/d/u/0/viewer...6549999945&z=11
Auf dieser Reise reifte auch der Entschluss, mit Emil mal eine «Kulturreise zu unternehmen. Wir waren ja keine, einseitig auf die Bahn ausgerichteten Leute. Das Interesse für das was links und rechts der Bahn lag, war bei allen Teilnehmern vorhanden.
Dass durchaus eine Bahn dabei sein könnte, würde uns aber nicht stören!
So eine Reise fand dann auch statt. Das ist aber eine andere Geschichte.
Gruss Heinz


Brillenhuber  
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