Hallo zusammen,
sicherlich sind auch einige von Euch auf der Suche nach preiswerten / günstigen Lösungen zur Digitalisierung ihrer (Wechselstrom-) Loks. Da ich bisher immer nur einzelne Berichte gefunden habe und die meisten Erfahrungsberichte sich eher auf teurere Decoder konzentrieren, wollte ich bewusst einmal die Tauglichkeit günstiger Lösungen testen. Für eine direkte Vergleichbarkeit der Eregbnisse habe ich hierzu drei Märklin-Loks gleicher Bauart verwendet. Vergleichsbasis ist der Märklin-Delta-Decoder (mit seinen bekannten Schwächen). Alternativ dazu sind zwei aktuelle (Jahr 2016) Tams-Decoder im Rennen: Der LD-W 32.2 für ca. 16 EUR erfordert keinen Motorumbau (Verwendung mit der Feldspule). Der LD-G 32.2 benötigt einen HAMO-Magneten anstelle der Feldspule (Gesamtkosten Decoder + HAMO-Magnet ca. 28 EUR). In allen Fällen wird der dreipolige Rotor beibehalten. Es fallen also für den Decoder-Einbau bzw. Umbau keine weiteren Beschaffungen (geändertes Motorschild o.ä.) an.
Der LD-W 32.2 kann den Motor mit 60 Hz und mit 480 Hz ansteuern. Angeblich soll die Ansteuerung mit 480 Hz eine bessere Motorregelung ermöglichen. Schauen wir mal...
Bei den LD-W 32.2 bzw. LD-G 32.2 habe ich jeweils decoderseitig die Höchstgeschwindigkeit auf ca. 175 km/h eingestellt (Vorbild 160 km/h + 10%).
Vorbereitung und "Testumgebung":
- drei Märklin-Loks BR 111, alle mit Trommelkollektor-Motor (DCM; dreipoliger Rotor) und augenscheinlich gleichem Getriebeblock.
- die Motoren aller drei Loks wurden zuvor gründlich gereinigt und auf Kugellager umgebaut, um mechanische Einflüsse weitgehend auszuschließen. Alle drei Getriebe liefen danach gleichmäßig und ohne spürbaren mechanischen Widerstand. Nach Motor-Zusammenbau und Decoder-Einbau wurde die Leichtgängigkeit erneut geprüft, neue Kohlen eingesetzt anschließend jeweils eine halbe Stunde in beide Richtungen eingefahren.
- Die folgend genannten Messwerte entstanden auf einem Rollenprüfstand von KPF Zeller mit ""Speed Cat" zur Geschwindigkeitsbestimmung (wobei dessen Mechanik und Genauigkeit... nun ja).
Ergebnis Märklin Delta-Decoder 670040
- lässt sich naturgemäß nicht einstellen; Licht leuchtet in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit
- Ansteuerung nur im Motorola-Format möglich, 14 Fahrstufen
- Beschleunigung: In Fahrstufen 1 und 2 "knört" und brummt die Lok, bewegt sich aber nicht. Losbrechgeschwindigkeit je nach Zustand (warm/kalt und Fahrtrichtung) sehr unterschiedlich; erst ab Fahrstufe 3 oder 4 (teilweise erst 5) mit entsprechendem (bis brutalem) Anfahrruck. Bei Fahrstufe 3 sehr ungleichmäßig mit Tendenz zum wieder Stehenbleiben. Bei Fahrstufe 4 bereits 30 - 40 km/h; bei Fahrstufe 5 gleichmäßige Fahrt mit bereits 60 - 70 km/h.
- Fahrstufen 5 bis 14: Lok läuft jeweils gleichmäßig, aber mit sichtbaren Geschwindigkeitssprüngen zwischen den Fahrstufen. In Fahrstufe 14 beträgt Vmax umgerechnet ca. 190 km/h
- Abbremsen aus mittlerer bis höherer Geschwindigkeit: Lok fährt bis noch mit Fahrstufe 3 gleichmäßig, mit Fahrstufe 2 nur noch ungleichmäßig mit Tendenz zum Stehenbleiben, Fahrstufe 1 ist kaum nutzbar.
- Leistungsaufnahme bei Vmax (auf Rollenprüfstand; mit Licht; Angabe laut CS 2): ca. 0,35 A
Ergebnis Tams LD-W 32.2 mit 60-Hz-Ansteuerung des Motors
- Licht und zwei weitere Funktionen sind schaltbar, Motoransteuerung über verschiedene CVs einstellbar
- Ansteuerung im Motorola- und DCC-Format (28 Fahrstufen) möglich; hier: Ansteuerung im DCC-Format
- Beschleunigung: Losbrechgeschwindigkeit / Vmin je nach Zustand (warm/kalt, Fahrtrichtung, Anfahrkick) umgerechnet ca. 5 km/h, aber ungleichmäßig. Gleichmäßige Fahrt ab ca. 7 - 8 km/h möglich.
- Anfahrbeschleunigung und Bremsverzögerung beliebig und feinfühlig einstellbar, je nach Einstellung sind dadurch Geschwindigkeitssprünge ab Vmin kaum bis gar nicht wahrnehmbar
- verwendete CV-Werte: CV 2 für Vmin = 42, CV 5 für Vmax = 210, CV 9 für Motoransteuerung 60 Hz = 1, CV 65 für Anfahrkick = 48
- Leistungsaufnahme bei Vmax (auf Rollenprüfstand; mit Licht; Angabe laut CS 2): ca. 0,3 A
Ergebnis Tams LD-W 32.2 mit 480-Hz-Ansteuerung des Motors
- Licht und zwei weitere Funktionen sind schaltbar, Motoransteuerung über verschiedene CVs einstellbar
- Ansteuerung im Motorola- und DCC-Format (28 Fahrstufen) möglich; hier: Ansteuerung im DCC-Format
- Beschleunigung: Losbrechgeschwindigkeit / Vmin je nach Zustand (warm/kalt, Fahrtrichtung, Anfahrkick) umgerechnet ca. 5 - 10 km/h. Gleichmäßige Fahrt ab ca. 10 km/h möglich.
- Anfahrbeschleunigung und Bremsverzögerung beliebig und feinfühlig einstellbar, je nach Einstellung sind dadurch Geschwindigkeitssprünge ab Vmin kaum bis gar nicht wahrnehmbar
- verwendete CV-Werte: CV 2 für Vmin = 65, CV 5 für Vmax = 210, CV 9 für Motoransteuerung 480 Hz = 0, CV 65 für Anfahrkick = 75
- ... aber: Das Langsamfahrverhalten mit 60-Hz-Ansteuerung ist etwas feinfühliger regelbar
- Leistungsaufnahme bei Vmax (auf Rollenprüfstand; mit Licht; Angabe laut CS 2): ca. 0,3 A
Ergebnis Tams LD-G 32.2 mit HAMO-Magnet
- Licht und zwei weitere Funktionen sind schaltbar, Motoransteuerung über verschiedene CVs einstellbar
- Ansteuerung im Motorola- und DCC-Format (28 Fahrstufen) möglich; hier: Ansteuerung im DCC-Format
- Beschleunigung: Losbrechgeschwindigkeit und gleichmäßige Vmin ab geschätzt 3 km/h (Genauigkeit Speed Cat reicht für Messung nicht aus).
- Anfahrbeschleunigung und Bremsverzögerung beliebig und feinfühlig einstellbar, je nach Einstellung sind dadurch Geschwindigkeitssprünge ab Vmin kaum bis gar nicht wahrnehmbar
- verwendete CV-Werte: CV 2 für Vmin = 2, CV 5 für Vmax = 255, CV 65 für Anfahrkick = 0
- Leistungsaufnahme bei Vmax (auf Rollenprüfstand; mit Licht; Angabe laut CS 2): ca. 0,25 A
Mein Fazit:
Regelungstechnisch ist der Allstrom-Motor dem Gleichstrom-Motor unterlegen. Ein "dreipoliger Allstrom-Motor" in Verbindung mit einem Delta-Decoder kann dabei in keiner Weise überzeugen - er ist bestenfalls eine Notlösung, ältere Modelle weiterhin unverändert einzusetzen. Die Langsamfahreingenschaften sind unberechenbar (mal läuft die Lok mit Fahrstufe 3, mal erst ab Fahrstufe 5 und dann gleich mit umgerechnet 70 km/h); auch die deutlich sichtbaren Fahrstufensprünge und die geschwindigkeitsabhängige Beleuchtung machen einfach keinen Spaß.
Dass es trotz "dreipoligem Allstrommotor" wesentlich besser geht, zeigt der LD-W 32.2: Auch wenn dieser Umbau mit teureren Lösungen (Hochleistungsantrieb und z.B. Märklins mSD-Dekoder oder ESUs LoPi) bei Langsamfahrt nicht mithalten kann, so sind die Fahreigenschaften - auch in Anbetracht des Preises - aus meiner Sicht durchaus gut. Dabei würde ich die 60-Hz-Ansteuerung der eigentlich empfohlenen und voreingestellten 480-Hz-Ansteuerung vorziehen - es vermeidet auch ein eigenartiges Summen bei Fahrstufe 1 und 2. Wer seine Modelle gerne in "Schleichfahrt" beobachtet, für den ist diese Lösung aber sicher noch nicht optimal.
Erstaunlich ist das Fahrverhalten mit dem LD-G 32.2 inkl. HAMO-Magnet: Ein minimaler Anfahrruck ist sichtbar, mit den gewählten Einstellungen ist eine überwiegend gleichmäßige Fahrt bei umgerechnet ca. 3 km/h möglich - trotz des verwendeten dreipoligen Rotors. Für rund 28 EUR Gesamtkosten ist das ein absolut überzeugendes Ergebnis - dabei waren keine nennenswerten Anpassungen der Decoder-Voreinstellungen erforderlich. Dabei kommt der LD-G 32.2 den teuren (Hochleistungs-) Lösungen meiner Meinung nach schon sehr, sehr nahe.
Sofern es eine günstige Digitalisierung sein soll: Meine bevorzugte Lösung wäre bei gut erhaltenen Modellen der Umbau mit LD-G 32.2. Für Modelle mit deutlichen Gebrauchsspuren reicht aber auch sicher der Umbau mit dem LD-W 32.2.
Im Betrieb mit der Uhlenbrock-Zentrale war übrigens bei allen drei Varianten das "Decoder-Flackern" der Lampen kaum sichtbar. Im Betrieb mit der CS 2 wurde dagegen das Flackern leider sehr deutlich sichtbar. Zum Decoder-Umbau ist deshalb ggf. auch ein Lampenumbau (von der Fahrzeugmasse getrennte Rückführung des Stroms) zu empfehlen.
Viele Grüße
Wolfgang
Nachtrag (2.1.2017): Hier die von Stephan-Alexander gewünschten Messwerte
27.12.2016: Edith hat noch ein wenig Rechtschreibung korrigiert
02.01.2017: Messwerte eingefügt