[quote="Erich Müller" post_id=1845056 time=1529586032 user_id=26147]
Bundesbahn unterliegt Bundesminister und damit Bundespolitik.
Hast du nicht gelernt in der Schule: "Bundesrecht bricht Landesrecht"?[/quote]
Guten Abend zusammen, Guten Abend Erich,
ich glaube vielmehr, dass Du den Artikel 31 GG nicht im Sinne unserer Verfassungsväter und -mütter interpretiert hast. Es handelt sich schließlich nicht um eine Vorschrift (z.B. „[den] Dienst mit der dem Wesen des Eisenbahnbetriebs entsprechenden Raschheit, aber ohne Überstürzung, auszuführen.“), die keinerlei Fragen offen lässt. Das Auswendiglernen von Rechtsgrundsätzen in der Schule ist das eine, aber erst an der Universität habe ich gelernt, so etwas einzuordnen und zu interpretieren. Denn Artikel 30 GG besagt, dass das Erfüllen von Staatsaufgaben und das Ausüben von staatlichen Befugnissen grundsätzlich Ländersache ist. Meiner Meinung nach muss den Artikel 30 GG und den Artikel 31 GG stets im Zusammenhang mit Artikel 71 GG (ausschließliche Gesetzgebung) und Artikel 73 GG (konkurrierende Gesetzgebung) sehen. Würde man den Artikel 31 GG isoliert betrachten und genau das tust Du, dann könnten wir den föderalen Bundesstaat, wie er im Artikel 20 Absatz 1 (zumal Artikel 20 GG im Gegensatz zum Artikel 31 GG durch Artikel 79 Absatz 3 geschützt ist) festgelegt ist, abschaffen. Zum einen ist der klassische Verkehr im Sinne von Transport nicht in der ausschließlichen Gesetzgebung aufgeführt, sondern in der konkurrierenden Gesetzgebung, zum anderen sind im Rahmen von Bundesgesetzen die Zuständigkeiten für den Verkehr recht genau definiert. Ein weiteres Beispiel ist die Landesverteidigung: Artikel 87a Absatz 1 GG regelt unmissverständlich die Zuständigkeiten, so könnte auch das Land Bayern per Gesetzesbeschlusses seines Landtags keine eigene Verteidigung aufstellen und das scheitert nicht am Artikel 31 GG, sondern eben am Artikel 71 GG.
Im Sinne der konkurrierenden Gesetzgebung unterlag die Deutsche Bundesbahn nicht unumstößlich dem Bund. Denn wenn der Bund auf eine weitergehende Gesetzgebung verzichtete, konnten dies die Länder tun.
So taugt der Hinweis auf Artikel 31 GG nicht für Deine Argumentation. Der Bund in Form des Bundesverkehrministerium hat ja der Deutschen Bundesbahn nicht auferlegt, die Eisenbahn in Deutschland abzuschaffen. Vielmehr konnte die Bundesbahn als Sondervermögen des Bundes relativ eigenhändig agieren (zumindest in der Fläche, der ICE war ja ein politisches Projekt), die Politik hat es hingegen nicht geschafft, ordnungspolitisch einzugreifen.
Die Bundesbahn erhielt vom Bund Mittel, um die Eisenbahn in der Fläche sicherzustellen, was sie offensichtlich nur unzureichend tat, das zeigen ja die Streckenstilllegungengen, Fahrplanausdünnungen und die parallelen Busverkehre.
Ende der 80er-Jahre/Anfang der 90er-Jahre erkannte die Bundespolitik die Fehlentwicklungen bei der Deutschen Bundesbahn (die übrigens heute bei der französischen Staatsbahn zu erkennen sind). Es konnte nicht Sinn der Sache sein, dass sich die deutsche Eisenbahn auf das Flagschiff der Hochgeschwindigkeitsverkehre beschränkt hätte.
Ein zentraler Grundpfeiler der Bahnreform war deshalb auch die Regionalisierung. Der Bund überwies die Finanzmittel nicht mehr der Bundesbahn, sondern den Ländern, die ihrerseits diese Mittel zur Sicherung des Nahverkehrs als Beitrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge einsetzen sollen. Übrigens einer der wenigen Fälle, bei der der Bund Kompetenzen an die Länder abgibt (normalerweise läuft es umgekehrt). Erstmals konnten die sogenannten Regionalisierungsmittel ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden und versickerten nicht irgendwo bei der Bundesbahn. Das hindert natürlich einige Bundesländer nicht daran, die Mittel zweckentfremdet zur Haushaltssanierung zu nutzen (wie z.B. Sachsen), während andere Bundesländer wie Baden-Württemberg erhebliche Landesmittel aufzuwenden müssen, um den Nahverkehr sicherzustellen. Schade, dass die Regionalisierungsmittel nicht zweckgebunden sind.
Wer das Geld hatte, konnte also bestimmen. Einige, aber längst nicht alle Bundesländer erkannten das Potential und bauten den Nahverkehr und damit die Eisenbahn in der Fläche wieder aus. Selbst Nebenbahnen, bei denen zu Zeiten der Bundesbahn eine Betriebsruhe am Wochenende herrschte, werden sonntags im Stundentakt bedient.
Gerade das Land Baden-Württemberg betreibt derzeit eine besonders bahnfreundliche Politik, selbst Strecken, die nur dem Museumsverkehr dienen (z.B. die Sauschwänzlebahn), werden mit Landesmitteln gefördert, um sie zu erhalten.
Erst die heutige Organisation lässt eine Beteiligung von Kommunen und Länder zu. In Baden-Württemberg finanziert das Land 50 % der Kosten zur Elektrifizierung der Südbahn, obwohl das eine bundeseigene Eisenbahn ist und damit Bundesaufgabe ist. Selbst wenn man die Elektrifizierung der Südbahn (hypothetisch betrachtet!) nach dem GVFG finanziert hätte, hätte das Land nur 40 % der Kosten zu tragen gehabt. Unter der Bundesbahn war ein solches Engagement schwierig gewesen, dazu kannst Du gerne Dr. Dieter Ludwig dazu befragen, der die Stadtbahn auf bundeseigene Eisenbahn (das Karlsruher Modell) brachte. Alternativ kannst Du auch die Beteiligten der Geißbockbahn fragen, wie schwierig es war, ihre kommunale Bahn vor dem freien Netzzugang auf die Gleise der Bundesbahn zu bringen.
Das alles hat nichts mit der Bundespolitik zu tun, nichts mit dem Bundesverkehrsminister zu tun, es war einfach der Unwillen oder die Unfähigkeit der Bundesbahn-Hauptverwaltung in Frankfurt am Main. Vieles scheiterte nicht am Bund, sondern an der Bundesbahn. Ideen gelangten selten über die jeweilige Bundesbahndirektion hinaus. Aufgrund der Bahnreform ist die Kommunal- und Landespolitik nicht mehr vom guten Willen der damaligen Bundesbahn abhängig.
Das gilt natürlich nur für den Regionalverkehr. Auch heute ist der Güterverkehr in der Fläche auf dem Rückzug, immer mehr Gütertarifpunkte werden geschlossen. Doch beim Einzelwagenverkehr ist der LKW günstiger, schneller, flexibler und teilweise sogar umweltfreundlicher. Hier möchte die Bundespolitik ordnungspolitisch eingreifen und die Trassengebühren für den Schienengüterverkehr senken.
Genauso im Fernverkehr, auch wenn so viele wie noch nie Züge des Fernverkehrszüge nutzen: Hier zieht sich DB Fernverkehr aus dem Nachtzug- und Autozugverkehr zurück, hier hätte der Bund als Eigentümer strukturpolitisch eingreifen können, auch wenn das natürlich dem eigenwirtschaftlichen Prinzip widerspricht. Ich persönlich war erschrocken darüber, wie stiefmütterlich die DB den klassischen Nachtreiseverkehr behandelt. Genauso hat sich der Fernverkehr teilweise aus der Fläche zurückgezogen (obwohl es nach wie vor „Heckeneilzug“-Intercity-Züge gibt), davon können die Wirtschaftsunternehmen aus Heilbronn und der Hohenlohe ein Lied singen. Die hiesige IHK fordert seit Jahrzehnten Fernverkehr...
Nochmal zurück zum Thema
Nochmal ein schönes Beispiel:
Während Generationen von Schulkindern zwischen 1969 und 1996 mit dem Bus von Dettenhausen, Weil im Schönbuch und Holzgerlingen zu den weiterführenden Schulen nach Böblingen gefahren sind (weil die Bundesbahn den Verkehr angeblich mangels Rentabilität eingestellt hatte), können die Schüler seit 1996 Dank des Engagement von Kommunen und Land wieder mit dem Zug zur Schule fahren. Die Strecke wird derzeit elektrifiziert, weil man Zuwächse auf über 10.000 Fahrgästen am Tag auf den 17 Kilometern der Schönbuchbahn erwartet.
Unter denjenigen, die mit dem Bus zur Schule fahren mussten, finden sich eben die sogenannten „Baby-Boomern“ und trotzdem war unter ihnen die Modelleisenbahner präsenter.
Um meinen Beitrag dem eigentlichen Thema wieder anzunähern, ich glaube vielmehr, dass die Modelleisenbahn Opfer des Strukturwandels ist. Die Intermodellbau in Dortmund ist laut eigener Darstellung die weltgrößte Messe für Modellbau und Modellsport. 2018 wurden an vier Messetagen 77.000 Besucher gezählt, weniger als bei einem Heimspiel des BVB Dortmunds (im Schnitt fast 82.000 Fußballfreunde). Zu den fünf Messetagen der „Gamescom“, der weltgrößten Messe für Computer- und Videospielen, kommen dagegen 350.000 Besucher. Die Zahlen verdeutlichen, dass die Modelleisenbahn einen schwierigen Stand hat.
Ich denke, dass sich auch die Hersteller Gedanken machen und entsprechende Produktstrategien verfolgen. Aber alleine das Angebot begeistert den potentiellen Nachwuchs nicht. Ist eine Dampfsonderfahrt? Oder wenn ein enges Familienmitglied Eisenbahner ist? Vielleicht ist es die bloße Existenz der Eisenbahn, mit der man täglich fährt oder die an einem jeden Tag vorbeifährt?
Am Tag der Wissenschaft an der Universität werden wir auch den kleinen Besuchern unsere Modelleisenbahn zeigen. Auf diese werde ich besonders Acht geben, vielleicht lässt sich das ein oder andere Kind für die Modelleisenbahn begeistern. Ich werde auch Buch führen, wer denn aktiv Modelleisenbahn betreibt und wer eine Modelleisenbahn besitzt. Die Ergebnisse werde ich dann im Forum präsentieren.
Grüße aus dem Feinstaubkessel
Viet