Hallo Paul,
-Zur rechtlichen Situation: Das Lenz-Patent zur automatischen Analogerkennung und -Umschaltung ist irgendwann während des Zeitraums von 2000 bis 2002 abgelaufen. Von daher steht auch in Deutschland diese Möglichkeit, ohne Lizengebühren zahlen zu müssen,
den Herstellern offen. Ausserhalb Deutschlands galt das Patent nicht.
-Zur Baugrösse der Treiber: rail4you bot einen Umbausatz auf den eigenen
BLDC-Motor oder Sinus-Motor mit separatem Treiber an. Dieser hat allenfalls die Grösse eines heute üblichen Decoders.
Reicht der Platz zur Unterbringung der Motoransteuerelektronik nicht aus,
bietet sich immer noch der Ausweg eines konventionellen oder Faulhaber-Motors an. Evtl. ist der Gesamtraumbedarf bei integrierten Komponenten noch kleiner als bei separatem Treiber. Durch die geringen Abmessungen des Motors bei gleichzeitig hoher Leistung relativiert sich die Einbauraum-Problematik weiter. Von daher ist der Formenbau wohl weniger zu Kompromissen genötigt wie bei den HLAs und Vorgängern.
-Zur Unzumutbarkeit für Digitalfahrer: Wenn die Lok fertig digitalisiert daherkommt mit Rumpfdecodern, die der zwar Kunde bezahlt hat, aber nicht gebrauchen kann, entstehen auch ihm - genau wie dem Analogfahrer - vermeidbare Zusatzkosten.
Beispiel: Was TRIX den DCC-Fahrern zumutet, ist eben unzumutbar, weil der Decoder, gemessen an üblichen Standards, eine lausige Konfigurierbarkeit bietet und nicht normkonform auf Nothaltbefehle reagiert - je nach eingestelltem Fahrstufenmodus und eingestellter Fahrtrichtung (!).
Auch andere Fabrikanten operieren mit Rumpfdecodern, schlecht dokumentiert, mit zweifelhaften Fahreigenschaften und wechselnder OEM-Herkunft, je nach Verfügbarkeit und mehr oder weniger grosser Resistenz
des Decoder-Herstellers gegen Preisdrückerei.
Roco ist so ein Beispiel: Von Lenz zu ESU zu h&k (jetzt aus diesem Markt
ausgestiegen) zu con-rail (? und jetzt bankrott!) zu ESU.
Das Teil wird immer unter der gleichen Artikelnummer, Roco # 10745 oder so, verscheuert. Der Anwender weiss nie so recht, woran er ist mit dem Produkt, was es kann (Aufdatierbarkeit, Funktionen, Effekte usw.), wie zuverlässig es ist und welchen Ersatz er kriegt im Falle eines Defekts (die CVs 7 und insbesondere 8 im DCC-Bereich geben hierüber keine verlässliche Auskunft).
Daraus können sich für den Anwender Probleme ergeben: Spinnt der Decoder? Spinnt die Zentrale? Spinnt das Aufdatier-/Programmiergerät?
Oder spinnt plötzlich die Lok?
Auch Märklin wechselt seine Lieferanten bei "Bedarf".
Deshalb finde ich, die Modellbahnhersteller sollten bei ihren Leisten bleiben oder zu ihnen zurückkehren: Lokmäuse, Multimäuse, MS und CS,
Twin Center usw. in Ehren, aber überlasst das den Spezialisten.
Blick in die USA: BLI (Broadway Limited Imports) begann gleichzeitig mit der flächendeckenden Einführung von Sound und Dampfloks zu bezahlbaren Preisen. Die Decoder stammten anfänglich auschliesslich von QSI. Mit der Zeit wurde BLI QSI zu teuer und von der Motoransteuerung her zu inferior. Also stampfte man die Schwestermarke PCM (Precision Craft Models) aus dem Boden. Elektronik von ESU.
Nicht genug damit: Eine Parallelserie von BLI heisst "Stealth" und kommt nur mit Dummystecker für den Decoder nach freier Wahl des Käufers.
Auch damit nicht genug: Eine weitere Parallelserie heisst "BlueLine".
Der Nur-Sound-Decoder (weder von QSI noch ESU) ist Analog-und Digital-tauglich, fürs Fahren mit DCC muss ein separater Decoder her. Nun sind aber die lastabhängigen Geräuschmodifikationen ("labored sounds") hin, da die beiden Decoder nicht über sowas wie eine SUSI kommunizieren.
Atlas ging einen Schritt zurück und bringt die Non-Sound-Varianten nurmehr mit Dummystecker, die Sound-Versionen mit QSIs.
Fazit: Vielen ist der integrierte Motor/Sound-Decoder zu teuer, sie wollen gar keinen Sound oder den Motordecoder nach eigener Wahl oder sich sogar beide Optionen offen halten oder Analog fahren - mit oder ohne Lärmkulisse.
Offenbar diktiert dies die Nachfrage, die Nachfrage nach individuellen Wahlmöglichkeiten und dem individuellen Zurechschneidern ("Customizing").
Dies scheint der Trend zu sein, dem man hierzulande hinterherhinkt und dem man sich mit "verordneter" Digitalisierung entgegenstemmen möchte.
Das geht bei Märklin (noch?) relativ leicht, wegen des hohen Anteils von Sammlern, die den Original-Zustand eines Modells konservieren möchten
und dem (weit vorausschauenden?) Verzicht auf Schnittstellen bis vor kurzer Zeit und der daraus entstandenen Macht der Gewohnheit auf Kundenseite, das Fertigangebot abzuwarten.
Aber sicher wird der Anteil der Digitalfahrer unaufhaltsam steigen, mit
zunehmend individuellen Forderungen nach Leistung und Konfigurierbarkeit der Komponenten.
Zum P.S.: Ich hatte den Eindruck, dass Fritz Steinhäufls Posting auf eine gewisse Asymmetrie der Forderungen und auch der Forschheit nach Aufgabe der Abwärtskompatibilität auf der elektronischen Seite einerseits und dem Beharren auf dem Status quo im visuellen Bereich
andererseits hinweisen wollte.
Mit freundlichen Grüssen,
Manfred