Bevor ich mein 1982-1990 gebautes H0 - Modell des DB ET 185 01 zeige, möchte ich ein bisschen die Bahngeschichte und die Strecke vorstellen – ein Stück Heimatgeschichte.
Die Kleinbahn Meckenbeuren-Tettnang,
erste elektrisch betriebene Vollbahn in Deutschland (1895)
Streckenplan:
Bild 4
(Quelle: Wikipedia)
Auslöser für diesen Bildbericht war, dass ich ungeplant hier vorbeikam, mich an den Bahnhof (sh. Bild 1-3) erinnerte und neugierig mich auf Spurensuche machte.
Die 4,3 km lange Lokalbahn Meckenbeuren - Tettnang verdankt ihre Entstehung dem Wunsch der Oberamtsstadt Tettnang nach einem Bahnanschluss, nachdem man beim Bau der Südbahn Ulm-Friedrichshafen nicht berücksichtigt worden war. Die Tettnanger Gemeindevertretung setzte sich 1892 mit der Lokalbahn AG (LAG) München in Verbindung, die bereits seit 1888 die meterspurige Lokalbahn Ravensburg - Weingarten betrieb.
Durch Ausbau des Schussenkraftwerkes in Brochenzell wurde es möglich, die Bahn elektrisch zu betreiben und gleichzeitig den überschüssigen Strom abzugeben, wodurch die Elektrizität in Tettnang Einzug hielt. Die Bahn wurde mit 650 V Gleichspannung betrieben und wurde am 3. Dezember 1895 eröffnet. Sie war seinerzeit die erste elektrisch betriebene Vollbahn mit Personen- und Güterverkehr.
Ab der Eröffnung standen zwei kleine zweiachsige Triebwagen sowie ein zweiachsiger Personenwagen neben einigen Güterwagen zur Verfügung. Da sich das Verkehrsaufkommen gut entwickelte, kam 1906 als weiteres Triebfahrzeug ein größerer vierachsiger Triebwagen mit je einem Abteil 2. und 3. Klasse (8+36 Sitzplätze) sowie einem dazwischenliegenden Post- und Gepäckabteil hinzu. Dieser erhielt die Betriebs-Nr. elT772 und war anfangs dunkelgrün, später zweifarbig blau – creme lackiert.
1938 wurde die LAG verstaatlicht und alle Fahrzeuge durch die Deutsche Reichsbahn übernommen. "Unser" elT772 hieß nun ET 185 01, diese Nr. sollte er bis zu seinem Ende behalten.
Nach Kriegsende kamen die beiden Zweiachstriebwagen ET 184 41 und 184 42 nicht mehr in Verkehr, da der geringere Verkehr nur noch zwei Triebfahrzeuge benötigte. Gleichwohl existierte ET 184 41 bis Ende der 50-er Jahre als Turm- und Arbeitswagen.
Den Fahrzeugbestand hatte der von der Isartalbahn stammende ET 183 05 und (1941) ein zweiachsiger Beiwagen EB 184 51, der ursprünglich als Benzoltriebwagen bei der Kreis Oldenburger Eisenbahn gelaufen war, ergänzt. Bis zur Einstellung des Elektrobetriebs versahen die beiden Triebwagen im wöchentlichen Wechsel den Dienst auf der Lokalbahn.
Ein Kuriosum aller Tettnanger Fahrzeuge war die falsche Beschriftung. So war etwa der ET 185 01 fälschlicherweise als ET 18 501 beschriftet, die anderen Fahrzeuge entsprechend.
Zu Beginn der 60-er Jahre waren die Fahrzeuge, Fahrleitung und die Gleichrichteranlagen derart veraltet, daß eine Erneuerung anstand. Da auch die EVS als örtliches Stromversorgungsunternehmen im Zuge der Vereinheitlichung der Stromsysteme auf eine erhöhte Abnahmespannung drängte, erwog die DB, die elektrische Zugförderung und den (mit 15 Zugpaaren) recht dichten Personenverkehr einzustellen.
Aufgrund massiver Proteste seitens der Bevölkerung der Kreisstadt Tettnang einigte man sich darauf, daß der elektrische Betrieb aufgegeben und der Personenverkehr am 31.01.1962 auf Schienenbusbetrieb umgestellt wurde. Das Land Baden-Württemberg beteiligte sich an der Beschaffung eines VT 98, in Tettnang wurde eine Tankanlage und ein neues Bahnhofsgebäude gebaut. Jedoch konnte auch der neue Schienenbus die Abwanderung der Fahrgäste zum nahegelegenen Mittelzentrum Friedrichshafen, das mit dem Bus einfacher und direkter erreichbar war, nicht aufhalten, weshalb zum 31.05.1976 der Personenverkehr auf der Schiene eingestellt wurde.
Es blieb ein nicht unerheblicher Güterverkehr, der mit einer Rangierlok der BR 260, ab 1987 funkferngesteuerte 365 abgewickelt wurde, aber ebenfalls rückläufig war. Im Jubiläumsjahr 1995 fuhren nochmals Dampfsonderzüge mit Dampfloks der BR 50 und 64 aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Strecke. Der Güterverkehr auf der Strecke wurde im Frühjahr 1995 eingestellt. Seit 1996 ist die Strecke auch juristisch stillgelegt und auch tatsächlich unbefahrbar geworden.
Was ist geblieben? Eigentlich erstaunlich viel...
Fahrzeuge:
Im Deutschen Museum in München steht ein 1:10 Modell des Zweiachsers ET 184. Ein weitgehend baugleiches Fahrzeug ist der betriebsfähig erhaltene T1 der Trossinger Eisenbahn. Als einziges elektrisches Fahrzeug hat der ET 183 05 überlebt, er steht heute im Verkehrsmuseum in Berlin. Sogar der Tettnanger Schienenbus VT 98 9794 hat überlebt (da er vom Land Baden-Württemberg mitbezahlt war, hatte dieses ein Mitspracherecht beim Verbleib). Er gelangte über die Hohenzollerische Landesbahn Gammertingen und weitere Zwischenstationen zur IG Schienenbus Seelze.
Bahntrasse:
Über weite Teile ist der Bahnkörper der Strecke erhalten, außer in Meckenbeuren, wo er einer Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes sowie der Ansiedlung von Gewerbe östlich von Meckenbeuren und in Tettnang, wo mittlerweile ab Bechlingen eine innerstädtische Umgehungsstraße auf der Bahntrasse und dem Bahnhofsareal verläuft.
Hier mal meine archäologische Bilderausbeute:
Bild 5: Tettnanger Baywa – Lagerhaus…
Bild 6: …mit Hinweisen auf die Bahn…
Bild 7: … das erklärt vielleicht den Namen „Hopfenexpress“ – bis heute ist der Tettnanger Aromahopfen ein bedeutendes Anbau- und Exportprodukt, früher natürlich per Bahn transportiert.
Bild 8: auch die „Hopfenprinzessin“ arbeitet offensichtlich bei der Baywa
Bild 9: Blick über das ehemalige Bahnhofsgelände, linkerhand unter der Trauerweide war der 2-ständige Triebwagenschuppen
Bild 10: ehemalige Gleisseite des Baywa - Lagers
Bild 11: die Straße verläuft ja auf der Trasse, rechterhand frühere weitere Anschließer, Schotter findet man da noch allerhand…
Bild 12: Blick am ehemaligen Bahnhofsgebäude vorbei Richtung Ortsmitte
Bild 13: Nochmals Blick zurück zu einem früheren Ladegleis, auf diesem Anschlußgleis verbrachte der zum Turmwagen degradierte 2-Achs – Triebwagen seine letzten Jahre.
Bild 14: Haltepunkt Bechlingen. Dieser lag nach einem mit Blinklicht gesicherten Bahnübergang in einer leichten Linkskurve. Links unter dem Gestrüpp liegt immer noch das Gleis, rechts die Bahnsteigkante und der längst zugewachsene Bahnsteig
Bild 15: nochmals Bechlingen. Hier verließ die Trasse Tettnang und schlängelte sich zuerst durch Wald, dann durch Hopfenfelder hinab ins Schussental Richtung Meckenbeuren
Bild 16: Der Haltepunkt „Habacht“ hatte ein schönes hölzernes Wartehäuschen. Von der Trasse sieht man nichts mehr
Bild 17: Weiteres Erforschen bringt einen in einem Obstgarten stehenden Km -Stein zutage. Durch das in den letzten Jahren entstandene Gewerbegebiet in Meckenbeuren ist die Trasse weitgehend nicht mehr zu erkennen. Ich fuhr daher irgendwann ins Gewerbegebiet hinein -
Bild 18: und stand auf der Trasse. Selbst die Trapeztafel (Einfahrt von Meckenbeuren steht noch!
Bild 19: In Meckenbeuren querte die Bahn einen mit Blinklicht gesicherten Bahnübergang die Bundesstraße – etwa in Höhe der Straßenlaterne
Bild 20: Während sich rechts die Trasse im Gestrüpp verliert (man beachte den Einschaltkontakt für den BÜ am Zaun ganz links)…
Bild 21: … geht auf der anderen Straßenseite die Trasse nach der Kiesfläche weiter Richtung Bahnhof…
Bild 22: … wo die Trasse kurz vor dem Bahnhofsvorplatz endet.
Bild 23: Auf dieser Wendeplatte war linkerhand der Bahnsteig des Tettnanger Bähnchens sowie in früherer Zeit ein Umsetzgleis (das aber schon zu Schienenbuszeiten abgetragen war)
Bild 24: Weiter reisende Fahrgäste Richtung Friedrichshafen oder Ulm mußten hier umsteigen, durchgehende Züge gab es nie.
Bild 25: Blick in Gegenrichtung (Richtung Süden) – hier war das Tettnanger Bähnchen über eine Doppelkreuzweiche an die Südbahn angeschlossen
Bild 26: Am altehrwürdigen Güterschuppen (heute Kulturtreff) endete das Ausziehgleis des Hopfenexpresses (und damit auch meine Berichterstattung über das Bähnchen im engeren Sinne)
Bild 27… wenn ich jetzt schon mal da war, schaute ich mich noch etwas um. Meckenbeuren besaß bis in die 90-er-Jahre ein Überholgleis für die Südbahn, sowie durchaus auch Güter – Anschließer. Heute ist es ein Haltepunkt ohne Weichen…
Bild 28: … aber immer noch IC – Halt! Dieser stammt aus den Zeiten des Interregios, und hat sich bis heute gehalten
Bild 29: Der Bahnhof sieht von außen noch einigermaßen intakt aus, örtliches Personal hats hier keines mehr
Bild 30: Im Bahnhof, in der ehemaligen Schalterhalle heute Reisebüro und Post
Bild 31: das ist aber immer noch 50- er Jahre Flair, oder nicht?
Bild 32: …ebenso von außen
Bild 33: aber wenigsten einen Zug wollte ich noch fotografieren, wenn mir schon in „Mekka“ keiner verkam – hier ein paar km nördlich
Gut, damit bin ich am Ende meines Bildberichtes über den „Hopfenexpress. Wenn es gefallen hat, freu ich mich über eine Rückmeldung.
Wer noch weiter lesen und Bilder sehen möchte - ein paar Verweise:
interessante Seite!
Betriebsbilder habe ich keine eigenen (Nachteil der zu späten Geburt )
Bilder aus der Betriebszeit
Wer noch mein damaliges Modell des Tettnanger Triebwagens sehen möchte:
ET 185 01 als H0 - Modell.
Viele Grüße
Gerhard