Hallo Hubert,
dass es diese Wagen gegeben hat, weiß ich seit einem Miba-Artikel über die Nord-Süd-Strecke ungefähr im Jahr 1985. Es ist dort eine Aufnahme, ungefähr aus dem Jahr 1962 zu sehen, die eine der 5 Henschel-Mischvorwärmer 44 vor einem Güterzug bei Mottgers zeigt. Hinter der Lok läuft ein Pwghs 54, gefolgt von zwei dieser sechsachsigen Kesselwagen. Leider war die Aufnahme viel zu klein, um irgendwelche Details, geschweige denn Anschriften erkennen zu können.
Die ganzen Jahre, bis Brawa diese Bauart herausbrachte, habe ich Null-Informationen über diesen Typ finden können. Eine Abhandlung über die Drehgestelle gibt es zwar übrigens auf der Seite "drehgestelle.de" von Hermann Jahn. Leider geht es auf dieser ansonsten hochinteressanten Site ausschließlich um die Drehgestellbauarten. Die dazugehörenden Wagen werden nicht näher behandelt.
Heute weiß ich zumindestens, dass diese Bauart etwa ab 1940 gebaut wurde. Es gibt verschiedene Kesselbauarten: einen isolierten, beheizbaren mit 39 m³Inhalt und abgerundeten Enden und einen isolierten mit eher eckigen Enden (letzter eher für Teer- und Öltransporte).
Außerdem gab es mindestens zwei sechsachsige Gaskesselwagen (wahrscheinlich Chlor, waren in einem Beitrag im DSO-Forum (entweder "4 - historisch" oder "10 - Wagen") zu sehen, die allerdings etwas kürzer waren. Wegen der Situation um 1940 vermute ich, dass für die Rüstungsindustrie mehrere Hundert davon in verschiedenen Kessel-Ausführungen im Bestand der DR bzw. der "IG Farben" waren.
Die Vorbilder der Brawa-Wagen (mit abgerundeten Enden und Heizung) wurden ursprünglich für den Transport von Natronlauge gebaut. Natronlauge wird zur Herstellung von Aluminium gebraucht, was im 2.WK wegen dem Flugzeugbau kriegswichtig war. Konzentrierte Natronlauge enthält ungefähr 50% Gewichtsanteile Natriumhydroxid (Natriumhydroxid ist fest, mehr löst sich nicht in Wasser), hat eine Dichte von ca. 1,5 g/ml und wird bei niedrigen Außentemperaturen im Winter fest (daher die Dampfheizung).
Der Kessel hat 39 m³ Inhalt (also für einen Drehgestellwagen nicht allzu viel), was einem Ladegewicht von ca. 60 Tonnen entspricht. Daraus ergibt sich im vollbeladenem Zustand ein Bruttogewicht von ca. 90 Tonnen, was eine Achslast von 15 Tonnen ergibt. Ich vermute daher, dass die 6-achsige Bauart gewählt wurde, um auch Strecken mit niedriger zulässiger Achslast befahren zu dürfen. Die Drehgestelle sind übrigens noch genietet, obwohl die Schweißtechnik ab ca. 1935 soweit entwickelt war, auch ohne Niete auszukommen.
Zwei erhaltene Wagen stehen heute in der Bahnerlebniswelt Horb, allerdings haben sie eine andere, nicht isolierte Kesselbauart. Sie wurden zuletzt bei Kalle (?) als Werkswagen für Glykoletherverwendet.
Die Ausführung als Wagen der "Hoechst AG", "VTG" und der "Hüls AG" ist authentisch. Was die anderen Beschriftungsvarianten betrifft, kann ich dazu nichts sagen. Stefan Carstens hat bis jetzt nur die 2-achsigen Kesselwagen für brennbare Flüssigkeiten und "Nicht-Chemikalientransport" behandelt. Der neue Band (9) über die Chemiekesselwagen ist für Ende 2020 angekündigt. Ich hoffe, da mehr zu erfahren, befürchte aber, dass in diesem Band (noch) nicht die Drehgestellwagen behandelt werden.
Zur Kombinierbarkeit mit anderen Wagen: Ich denke, es spricht nichts dagegen, sowohl einen Ganzzug daraus zu bilden, also auch einzelne Wagen oder Wagengruppen einem (gemischtem) Güterzug beizustellen.
Die einzigen obligatorischen Ganzzugwagen, die ich so kenne, sind Drehgestellselbstentladewagen, weil sie zur Entladung einen Tiefbunker benötigen und die Kübelwagen Okmm.
viele Grüße
Stefan Walter