Ich poste das Thema hier, da es in diesem Forumsteil um Anlagen geht, die im Allgemeinen weniger als eine Handvoll Loks betreiben. Sammler mit dutzenden Nicht-DCC Loks werden bei analogem Betrieb bleiben, waehrend Betreiber grosser Anlagen mit DCC sicher das System ihrer Wahl schon lange festgelegt haben. Hier in diesem Thread geht es darum, mit wenigen Loks auf relativ kleinen Anlagen moeglichst naturgetreuen Betrieb zu machen. Dazu gehoert ein ruckfreies Anfahren/Fahren/Bremsen. Ich habe mich mit diesem Problem seit Jahrzehnten nicht nur theoretisch beschaeftigt, sondern auch mehrere eigene Entwicklungen betrieben. Mein Kriterium fuer gute Fahreigenschaften:
Eine Preiserfigur ohne Grundplatte auf einem Wagen muss von der Lok angekuppelt, angefahren und gebremst weden, ohne dass das Maennlein umfaellt.
Analog DC/Allgemeines
Fangen wir also mit den Grundlagen des Langsamfahrens an:
Im Gegensatz zu Booten/Flugzeugen/Drohnen ist bei Landfahrzeugen (Autos, Eisenbahnen) das Problem, dass das geforderte Drehmoment staendig wechselt (Getriebe, Kurven, Anhaengelast etc). Trotz diese wechselnden Bedingungen soll die Drehzahl moeglichst konstant bleiben. Eine Drehzahlaenderung (oder Ruckeln) ist besonders stoerend bei Langsamfahrt.
Die meisten Motore in kleinen Loks heutzutage sind Gleichstrommotore mit Permanentmagnet. Im Prinzip bestimmt die (Gleich-)Spannung am Motor die Drehzahl und der Strom das Drehmoment. Leider liegt in Serie mit der Wicklung ein inherenter Widerstand (z.B. verursacht durch den Wicklungsdraht). Dies bedeutet, dass bei Belastung die Drehzahl absinkt, um einen hoeheren Strom ziehen zu koennen. Dies wird um so stoerender, je kleiner die angelegte Spannung ist.
Nehmen wir mal einen typischen hochwertigen Motor wie den Faulhaber 1516 in 12V Ausfuehrung an. Er hat einen Innenwiderstand von 115Ohm.
Der Leerlaufstrom betraegt 11mA bei einer Drehzahl von 15000U/min. Ich will euch jetzt nicht mit endlosen Formeln langweilen, aber wenn bei 12V ploetzlich das verlangte Drehmoment soweit ansteigt, dass ein Strom von sagen wir 50mA erforderlich ist, sinkt die interne Spannung um 5.75V und damit die Drehzahl auf etwa 7200U/min ab. Dies ist zwar sichbar, aber noch nicht wirklich stoerend. Nehmen wir jetzt aber an, an der Lok liegen 1V. Selbst wenn wir den Motor komplett anhalten, ist der Maximalstrom nur noch etwa 8mA und damit das maximale Drehmoment sehr gering. Das heisst im Klartext, das bei niedrigen Spannungen/Geschwindigkeiten bei (reinem) DC-Betrieb die Lok sehr unruhig faehrt und schnell stehenbleibt. Das wird noch verstaerkt durch Probleme mit der Stromabnahme (laesst sich auch bei bester Wartung nicht ganz vermeiden). Man hat nun versucht, mit Schwungmassen die Unterbrechung in der Stromversorgung bzw. die Drehmomentspruenge "auszubuegeln". Meine Loks waren uebrigens alle bis vor ca. 2 Jahren mit Schwungmassen ausgeruestet. Warum ich diese ausgebaut habe, erklaere ich spaeter. Es gab Versuche, den Innenwiderstand des Motors durch Elektronik zu kompensieren, aber die Ergebnisse waren instabil. Ich habe dann um 1975 (ja, ich bin Urgestein) ein externes Fahrpult mit GegenEMK (BEMF) entwickelt, das die Spannung zum Motor periodisch unterbricht und in diesen Pausen die Generatorspannung misst, um dann im naechsten Zyklus die Motorspannung so anzupassen, dass die Geschwindigkeit konstant bleibt - aehnlich wie das DCC Decoder heute machen. Das funktionierte recht gut. Das Fahrpult wurde in Kleinserie gebaut. Ich habe den Schaltplan dann veroeffentlicht, nachdem die Schaltung mehrfach "geklont" wurde. Ihr koennt sie hier herunterladen https://www.dropbox.com/s/epblxse0ri57e8...994-04.pdf?dl=0. Mit der (niederfrequenten) Impulsbreitensteuerung als Hilfskruecke zum Langsamfahren konnte ich mich nie anfreunden, da das fuer Praezisionsmotore toedlich ist und bei "normalen" Motoren zum "Knurren" fuehrt. Heutige DC-Fahrpulte (z.B. Heisswolf) versuchen, bei Langsamfahrt durch Ueberlagerung von Impulsen das Stehenbleiben des Motors zu verhindern, aber in meinen Augen ist das ein Heftpflaster. Es gibt allerdings einen Modellbauer, der den DC Antrieb perfektioniert hat: Sein Praezisions-Fahrgestell mit zwei dreipunktgelagerten 3-Achsigen Fahrgestellen, Schwungmasse und absolut praezisem Getriebe sind schon ein Kabinettstueckchen viewtopic.php?f=50&t=166473.
DCC:
Ende 2006 kam von Cygnal (spaeter Silabs) ein winziger leistungsfaehiger Mikroprozessor (3mm x 3mm C8051F300) heraus und gleichzeitig erschienen die ersten Doppelschichtkondnsatoren (Gold-Caps). Da ich zu dieser Zeit sehr viel beruflich unterwegs war und Zeit auf Flughaefen/Fluegen hatte, habe ich mit diesen Komponenten einen DCC-Decoder mit Gegenkopplung entwickelt, der mit nur einem dieser Kondensatoren arbeitete und auch in kleine HOe-Loks passte (z.B. Roco-Feldbahnlok) https://www.dropbox.com/s/jfiap30r2zfags...mpiled.zip?dl=0. Die Ergebnisse waren sehr ermutigend, die Fahreigenschaften erfuellten muehelos meine Forderungen (Preiser-Figur) und ich habe dann noch weitere Loks mit diesem Eigenbau ausgeruestet https://www.youtube.com/watch?v=mm5UCQbDH3U. Ich schweifte in den folgenden Jahren ab in den Bau von Echtdampfloks und kam erst vor etwa 2 Jahren wieder zuruck zu den kleinen Schmalspurbahnen. Inzwischen haben die Decoderhersteller grosse Fortschritte gemacht, was die Regelung kleiner Motore betrifft. Die Stromabnahme war allerdings immer noch ein gewisses Problem. Schwungmassen verschlechtern die Regeleigenschaften, die ich deswegen jetzt alle ausgebaut habe, denn die "Stay alive" Schaltungen brachten den Durchbruch. Meine Versuche mit SMD oder Tantal Kondensatoren mit bis zu 4700µF haben mich nicht begeistert. Schaltungen dagegen mit "Gold Caps" sind absolut ueberzeugend. Es gibt inzwischen auch eine von einem Stummi-Kollegen entwickelte Loesung mit einem "Gold-Cap" die so klein ist, dass sie auch in HOe Loks passtviewtopic.php?f=21&t=171549. DCC ist inzwischen meine bei weitem bevorzugte Betriebsart, selbst fuer Mini-Anlagen. Die Kosten koennen minimal sein. Ein weiterer Stummi-Kollege viewtopic.php?f=7&t=176853 hat eine Zentrale (DCC++) fuer unter 10€ zusammengestellt. Diese Zentrale kann ohne Loeten aufgebaut werden und ist keinesfalls ein Spielzeug. Ich habe die Software noch erweitert, sodass kein Rechner zum Betrieb erforderlich ist, sondern 2 Loks mit lokalen Potis direkt gesteuert werden koennen viewtopic.php?f=5&t=158318. DCC++ und ein guter Decoder (z.B. Zimo) mit "Stay-Alive" ist fuer mich die ideale Loesung, selbst bei Mini-Anlagen mit vielleicht 2 Loks. Die Kosten fuer diese Zentrale + 2 Decoder + ein paar Kondensatoren liegt weit unter dem einer DC-Zweizuganlage mit 2 Reglern und Schaltern zur Zuweisung.
R/C:
Diese Loesung wird in letzter Zeit als das Non-Plus-Ultra angepriesen. Ich selbst bin nicht so sehr begeistert davon. Ich hatte Versuche mit einem Deltang-Empfaenger gemacht und war von den Langsamfahreigenschaften nicht so ueberzeugt. Sie sind zwar nicht schlecht, aber verglichen mit einem guten Decoder doch unbefriedigend. Der Deltang-Empfaenger beruht auf einem ziemlich veralteten Cypress-Chip, der inzwischen sogar abgekuendigt wurde. Er hat keine A/D Wandler, sodass eine BEMF Regelung nicht moeglich ist. Ich hatte zum Spass einen BEMF-Regler entwickelt, der als Servo von einem Deltang angesprochen wurde. Das funktionierte recht gut, ich habe aber nie eine Platine daraus gemacht. Wenn ich 20 Jahre juenger waere, wuerde ich vermutlich versuchen, einen "modernen" Deltang mit BEMF zu entwickeln. Aber vielleicht kommt das demnaechst von Deltang selbst. Ein anderer Nachteil der R/C Loesung zumindest in meinen Augen ist der Wartungsaufwand, den die Akkus erfordern. Ich hatte einen kleinen R/C Bus gebaut, der solch einen Lipo-Akku und meinen Fahrtregler enthaelt http://www.buntbahn.de/modellbau/viewtop...er=asc&start=20. Ich muss ihn zumindest einmal im Monat "anfassen", um den Akku gesund zu halten.
Allerdings macht R/C im Gartenbahnbereich viel Sinn, da dort die Stromabnehmerprobleme viel gravierender sind als bei Innenanlagen. Ich hatte zusammen mit einem Kollegen einen Umsetzer entwickelt, der die R/C Signale eines Deltang in ein DCC-Signal umsetzt. Damit kann man ein batteriegespeistes Fahrzeug fernsteuern und hat als Nebeneffekt die hervorragenden Fahreigenschaften eines modernen Decoders http://www.buntbahn.de/modellbau/viewtop...er=asc&start=50.
Zusammengefasst: Zeigt mir, dass eure Lieblingsloesung dies ermoeglicht:
Eine Preiserfigur ohne Grundplatte auf einem Wagen muss von der Lok angekuppelt, angefahren und gebremst werden, ohne dass das Maennlein umfaellt.
So, jetzt koennt ihr auf mich einstechen/einhauen!
Regards