Hallo zusammen,
jetzt gibt es wieder was Neues zu berichten! Ihr wisst doch, meine Bahnfreunde… Am vergangenen Wochenende durfte ich den Franz begleiten. Den Lokführer, der bei der Wälderbahn schafft. Er war dienstlich unterwegs und ich hab ihm dabei geholfen! Aber erst einmal der Reihe nach.
Es begann damit, dass der Franz zuhause bei mir am Donnerstag anrief und fragte, ob ich am Wochenende abkömmlich sei und ihm helfen könnte – und ob ich einen Film im Foto hätte. Wenn so eine Frage kommt bin ich immer höchst sensibel, denn dann ist was Außergewöhnliches angesagt. Was es wäre, damit wollte er zunächst nicht rausrücken. Nur: Er würde mich am Freitag um 14:00 Uhr mit dem Foto abholen. Ich solle ein Vesper mitnehmen, es könnte länger gehen.
Würden meine Eltern ihn nicht schon lange kennen und wissen, dass man sich auf ihn verlassen kann, wäre das nicht so einfach. Und vielleicht nützt es mir für meine Karriere? Ich weiß ja schon lange, dass ich mal studieren und dann bei der Bahn arbeiten möchte.
Also, er holte mich ab in seinem neuen Auto
Ein edles französisches Auto ist vielleicht der einzige Luxus eines kleinen Bahnbeamten...
und wir fuhren an die ÖBB - Strecke Richtung Bludenz. Ich hatte inzwischen rausbekommen, dass da ein Sonderzug käme mit einer ganz speziellen Reisegruppe, die wir das Wochenende über als Lotsen begleiten sollten!
Wir hatten uns an der Strecke aufgebaut und stellten mal den Foto ein. Zuerst kam ein ganz normaler Personenzug aus Reuthin.
Dann wurde der Franz aber ganz aufgeregt und murmelte vor sich hin: Ob sie wohl kommt? Ist sie wohl fertiggew… ?
Das letzte Wort blieb ihm im Mund stecken, denn es war ein heller Druckluftpfiff zu hören und dann kamen langsame, mahlende Geräusche immer näher.
Das musste er sein: Der erwartete Sonderzug aus „Stummiland“? Wo auch immer das liegt. Aber die Zuglok hatte ich noch nie gesehen.
„1029“ las ich auf dem Lokschild.
„Das ist eine ganz alte Österreicherin, Baujahr 1924. Die gehört jetzt dem SNCB. Die stand lange in Bregenz als stationäre Vorheizanlage und sollte vor zwei Jahren auf den Schrott“ erklärte der Franz. „und hat dieser Tage ihre Zulassung nach der Aufarbeitung bekommen. Sie kriegt natürlich noch standesgemäße Schilder, nicht nur solche aus Karton und Papier…“
Nun weiß ich ja, dass der SNCB (Schmal- und Normalspur-Club Bodensee) ein recht rühriger Verein ist, der schon einige Schrottfahrzeuge wieder zum Laufen gebracht hatte.
Hinter der Lok, die im Schritttempo daherrollte, hing ein kleiner Zug, voll besetzt, und darin ging es hoch her. Stimmengewirr, Musik, Gelächter. Da wird wohl kräftig gefeiert!
„Der erste Wagen ist der Werkstatt- und Begleitwagen der SNCB. Der gehört zur runderneuerten 1029.“ Stimmt. Da hing ja auch deren Signet am Wagen.
„Der Zug kommt aus Norddeutschland“, fuhr Franz fort, „daher, wohin wir Bregenzerwälder unser bestes Zirbenholz exportieren – aus dem mitteldeutschen Harz.“ Puh, ganz schön weit“, dachte ich, da sind die aber schon früh aufgestanden. Dass sich die Dame mit den Flügeln so nicht erkältet?!
„Der Zug kam über München, die Karwendelbahn und die Arlbergbahn. Und die 1029 darf bis zur Endabnahme nur maximal 50 km/h fahren. Du siehst ja, das Züglein hat nur ein Dixi - WC an Bord. Daher braucht es regelmäßige Pinkelpausen unterwegs.
Das trifft sich gut damit, dass die Lok regelmäßig kontrolliert werden muss, dass kein Lager heiß läuft. Aufgrund der tunnelreichen Karwendel- und Arlbergstrecke und den großen Abständen von Bahnhöfen mit WCs mußte der Zug um zwei Wagen verlängert werden:
Zum einen hat ihn die ÖBB um einen Spezialwagen verstärkt: Damit das von sovielen Fahrgästen konsumierte Hopfengold auch einen problemlosen Ausgang findet, hat die ÖBB – Direktion Innsbruck ihren momentan abkömmlichen Toilettenwagen angehängt. In diesem sind 6 Dixies installiert, die bei Betriebshalten benutzt werden dürfen.
Der andere (geschlossene) Personenwagen ist bahnpolizeilich vorgeschrieben für lange Tunnelfahrten aus ,Atemschutzgründen' " Ja, ich weiß, der Arlbergtunnel ist über 10 km lang. Da wird es bei 50 km/h mit der Atemluft schwierig, wenn man im Freien sitzt, da reicht ein Maultäschchen* nicht.“
*
Während ich immer noch mit offenen Augen und Ohren der seltsamen Fuhre nachstarrte, hatte Franz schon sein Stativ zusammengebaut und rannte auf die andere Seite der Strassenbrücke. "Das gibt ein gutes Motiv!" keuchte er. Ich hechtete hinterher.
Nein, er hatte nicht zuviel versprochen. Der Lokführer pfiff extra für uns, aber wir standen nicht auf dem Gleis.
Franz saß schon wieder startklar im Wagen. „Komm, wir haben noch eine Station vor Reuthin!“ Hä – dachte ich? „Ich sage nur: Schienenersatz!“ schmunzelte Franz. Ja, klar doch, die Bahnhofseinfahrt von Reuthin wird gerade umgebaut, und die Ellok kommt nur bis Krumbach, und da muß umgespannt werden. Na, da war ich gespannt auf die Bespannung. Was für ein Diesel da wohl heute vorgespannt wird, fragte ich mich. Eine 2067, 2043, 2045, oder gar die mächtige 2018 (die ehemals deutsche V188?)
Wir schafften es gerade noch vor dem Zug zum „Drei-Bahnenblick“ am Posten 34c. Allerdings, alleine waren wir da nicht…
„Für die mitreisenden Fotografen ist seit dem Harz ein Fotobegleitbus parallel zum Zug mitgefahren.“ Na, der hat dann aber viele unfreiwillige Pausen machen müssen, dachte ich, der fährt doch sicher schneller als 50 km/h...
Zuerst kam der Pendeltriebwagen.
Und dann kam ein Sonderzug auf der Schmalspur. Glück muss man haben!
Vielleicht haben den die Stummis bestellt? Wenn jetzt noch der Sonderzug käme?
Und dann kam er. Angekündigt durch eine tieftönende Pfeife aus dem Tunnel. Die haben doch nicht…? Doch sie hatten.
Die letzte betriebsbereite Vorarlberger Dampflok, die manchmal für Schneepflug- und Arbeitszugeinsätze unterwegs war, durfte den Zug die letzten Kilometer bis zum Reuthiner Hauptbahnhof ziehen. Na ja, eigentlich ist die Österreicherin eine alte Preußin, das wisst ihr sicher, eine T16.1 die nach dem Krieg bei der ÖBB verblieben ist.
Beide Dampfloks stellten sich fotogerecht auf
Und fuhren dann weiter.
Im Schritttempo zog die 694 ihre leichte Fuhre über die imposante Bregenzer Achbrücke und verschwand im Reuthiner Bahnhofsvorfeld. „Das geht nur noch ein paar Tage hier, dass die Regelspur hier fährt. Die Oberleitung ist ja schon abgebaut.“ erläuterte mir Franz. „Die Brücke wird doch saniert und verstärkt.“ Aha, deshalb die Streckensperrung für den einen Ast der Schmalspur.
„Irgendwann wird’s zu einer Vollsperrung kommen. Momentan sind sich die verschiedenen Abteilungen der ÖBB über den Bauablauf noch nicht ganz einig.“ Daher gut, wenn das noch geht.
So, und dann fuhren wir mit Vollgas nach Reuthin hinein an den Bahnhof, wo der Sonderzug bereits zum Stillstand gekommen war. Max Brunner, der Bürgermeister hielt gerade eine flammende Begrüßungsrede,
von wegen „großer Ehre wenn die Stummiländer nach Vorarlberg kommen“, sprach von „Völkerverständigung“, und „Friedensmission“. Dazwischen sang der Männerchor
„Freude schöner Götterfunken“ und dann wars fast mal gut.
Die üblichen Schlagworte halt. Na klar, Eisenbahn kam auch darin vor.
Wach wurde ich erst als der Satz fiel „daher taufe ich diesen Zug auf den Namen ,der fröhliche Stummiländer‘“ und mit einem Zuglaufschild winkte. Großer Applaus. Das Schild wurde am Wagen angebracht. Endlich durften die Reisenden aussteigen. Die meisten suchten zuerst – mit ziemlichem Seegang nach dieser langen Zugfahrt- das Bahnhofs-WC auf
(das war natürlich kein Vergleich zu einem Dixie ohne Wasserspülung…)
und verschwanden dann im Hotel Astoria gegenüber am Bahnhofplatz. „Schau dir den Zug guat an, Toni“ meinte der Franz. "Mit dem sind wir morgen unterwegs." Das machte ich.
Zwei Bahnhofsuhren - Zwei Uhrzeiten. Welche stimmt?
„So, und was kommt jetzt noch?“ fragte ich. „Für dich heute nix mehr“, lachte Franz, „die Stummis haben im Astoria nach dem Abendessen noch ihre 15. Jahreshauptversammlung – da sind wir beide nicht dabei. Aber morgen früh hole ich dich wieder um 7:30 ab, da gestalten wir beide das Ausflugsprogramm mit. Ok?“ „Ok“ sagte ich, und ließ mich heimbringen. Gerne hätte ich noch ein bißchen am Bahnbereich rumgeguckt, aber das ließ sich heute nicht mehr machen. Das Licht wurde auch immer schlechter. Was wir wohl morgen unternehmen? Ich werds euch erzählen.
Viele Grüße
Euer Toni