Glocke in Ep. I und II?

#1 von Polar_Express , 07.12.2022 22:21

Hallo zusammen,

ich bin gerade dabei, eine Maerklin BR 18.4 (Bay. S 3/6) mit LokSound aufzuruesten. Das Modell ist Ep. II (37184). Die originale Soundelektronik von Maerklin enthaelt eine Pfeife und eine Glocke - aber wenn ich mir die Lok genau anschaue, dann ist da gar keine Glocke auf dem Kessel... woher soll dieser Glockenklang denn dann kommen? Das Soundprojekt von ESU enthaelt eine Pfeife, aber keine Glocke - passend zur "Hardware" auf dem Gehaeuse. Was ist nun richtig? Vermutlich ESU, und Maerklin hat nur so eine Standard-Pfeifen-Glocken-Kombination eingebaut?

Nun habe ich etwas hier im Forum und im Netz gesucht und die Information gefunden, dass Glocken nur auf Loks vorhanden waren, die (auch) auf Nebenbahnen fuhren (wie z.B. auf BR 50), wegen unbeschrankter Bahnuebergaenge. Dazu gehört die S 3/6 wohl nicht, deshalb keine Glocke? Andererseits findet man im Netz Hinweise auf die Vorschrift, dass in Epoche I bei Ein- und Durchfahrt an Bahnsteigen gelaeutet werden musste. Galt das ueberall, auch auf grossen Bahnhöfen der Hauptstrecken? Dann haetten ja alle Laenderbahnloks urspruenglich Glocken haben muessen. Wurden die dann spaeter abgebaut oder hatten Loks wie die S 3/6 nie Laeutewerke? Wuerde mich ueber Aufklaerung dazu freuen!

Gruss
Island-Stefan


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RE: Glocke in Ep. I und II?

#2 von Railwolf , 09.12.2022 18:32

Hallo Stefan,

"in Epoche 1" ist ein weites Feld. Das fängt bei Nürnberg-Fürth 1835 an und endet so um 1920. In dieser Zeit haben sich ganz viele Dinge nicht nur entwickelt, sondern auch verändert.

Aber werden wir konkret.
Das Signalbuch von 1907 - mir liegt nur die preußische Version vor, aber die bayrische weicht in dieser Hinsicht m.W. nicht ab - schreibt zwar vor, daß ab- und durchfahrende Züge abgeläutet werden müssen. Das meint aber nicht, daß die Lokomotive zwingend mit einer Glocke ausgerüstet sein müßte: nein, die Glocke ist auf dem Bahnsteig!

Läuteeinrichtungen auf dem Zug sind schon damals nur für Nebenbahnen vorgesehen gewesen. Der Grund ist, daß eine Pfeife viel mehr teuren Dampf verbraucht als eine mechanische Läuteeinrichtung. Auf Nebenbahnen, wo ansonsten ungesicherte Überwege durch akustische Signale des sich nähernden Zuges gesichert werden mußten, war es wichtig, eine ökonomische Lärmquelle zu haben. Auf Hauptstrecken waren die Überwege damals schon durchgehend gesichert, und die wenigen Ausnahmen konnte man eben "anpfeifen".

Zitat von Polar_Express im Beitrag #1
und Maerklin hat nur so eine Standard-Pfeifen-Glocken-Kombination eingebaut?

So ist es.


Mit vielen Grüßen

Wolf 🐺


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RE: Glocke in Ep. I und II?

#3 von Polar_Express , 09.12.2022 20:59

Hallo Wolf,

vielen Dank fuer diese guten Erklärungen, wieder einiges dazugelernt! Und die Glocke auf dem Bahnsteig ist die Lösung Könnte man auch noch basteln...
Viele Gruesse
Stefan


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RE: Glocke in Ep. I und II?

#4 von Thilo , 09.12.2022 21:55

Hallo Stefan,

in der Epoche II hat die DRG auch "leichte" Hauptstreckenlokomotiven mit Läutewerken ausgerüstet, wenn sie auf besseren Nebenstrecken mit unbeschrankten Bahnübergängen unterwegs waren.

Darunter waren auch Schnellzuglokomotiven verschiedener Länderbahntypen (z. B. sächs. XII HV, BR 17.7) und auch fabrikneue 03.0-2.

Beispiele gibt es u. a. im Buch "Reichsbahn-Dampflokomotiven", EK-Verlag mit Bildern von Carl Bellingrodt.
Weitere Informationen in älteren Thread: RE: Geräusche Signalhorn Glocke Pfeife etc.

Liebe Grüße

Thilo


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zuletzt bearbeitet 09.12.2022 | Top

RE: Glocke in Ep. I und II?

#5 von Atlanta , 11.12.2022 06:06

Moin Kollegen,

In der Epoche I sagt die Durchführungsbestimmung zur Signalordnung mit Bezug auf die EBO = Eisenbahnbau- und Betriebsordnung und in Abgleich mit dem Bahnpolizeireglement unmißverständlich aus, daß ein-, durch- und ausfahrende Lokomotiven oder Züge, bei mäßiger Geschwindigkeit eine helltönende Glocke in gang zu setzen haben und/oder mit Signalwarneinrichtung auf sich aufmerksam zu machen haben!

Bei der Abfertigung von Personenzügen, dient die Bahnhofsglocke dazu, das Publikum darauf aufmerksam zu machen, ab wann es erlaubt ist, den Bahnsteig zu betreten und ab wann dieser wieder geräumt werden muß, damit der Zug abgefertigt und abgelassen werden kann.

Zugfahrten am Bahnsteig dürfen nur dann stattfinden, wenn sich kein Publikum auf dem Bahnsteig befindet, was durch einen fahrenden Zug gefährdet werden könnte.

Als Publikum werden Reisende, deren Begleiter und nicht unterwiesene Personale bezeichnet.

Nach dem Abläuten mit Handglocken des Bahnsteigaufsehers und/oder seiner Wärter muß das Publikum den Bahnsteig verlassen.

Lokomotiven, bei denen keine helltönende Glocke vorhanden ist, müssen mit der Dampfpfeife einen kurzen Achtungspfiff geben und das Lokpersonal muß bei langsamer Geschwindigkeit die Handglocke nutzen.

Nicht alle Vorschriften stehen auch in der Signalordnung drin, maßgeblich ist auch das Bahnpolizeireglement, die EBO = Eisenbahnbau- und Betriebsordnung, die MBO = Militärbahnordnung und die jeweiligen Durchführungsbestimmungen für den Dienstgebrauch aber auch von diversen Eisenbahningenieuren verfaßte Fachbücher zur Durchführung des Eisenbahnverkehrs.

Der Fehler war mir anfangs auch unterlaufen, mich nur auf die Signalordnung zu verlassen, da gibt es noch reihenweise mehr Dienstvorschriften zu beachten.

Einen groben Einblick hierzu bietet die ,,Schule des Eisenbahners" in drei Bänden und in diversen Publikationen unterschiedlicher Jahrgänge, wo wesentlich detailierter beschrieben wird, was alles zu beachten ist.

Das Abläuten bezieht sich auf die Läutewerke, welche der Bahnhofsvorsteher und/oder einem seiner Wärter betätigt werden und wird vor dem Ablassen eines Fahrzeugs gegeben aber nur auf Bahnstrecken, wo mit den Läutewerken Zugmeldungen noch gemacht werden, vornehmlich auf Nebenbahnen.





Das Abläuten mit Läutewerken wurde um 1908 aber nicht mehr überall praktiziert, da man in der Streckensicherung zunehmend elektrische Blockapparaturen einsetzte, die sich auf den Stellwerken befanden.

Wolf hat aber auch Recht, daß nicht jede Lok mit Glocken ausgerüstet war, auf Hauptbahnen mit mehrgleisiger Streckenführung war dieses auch nicht erforderlich.

Es gibt noch eine Anweisung beim Ablassen von Personenzügen bezüglich dem Einsatz der Dampfpfeife:

Mit der Dampfpfeife sollen, kurz vor der Abfahrt, drei lange Pfeifsignale mit kurzen Pausen zwischen den Signalen gegeben werden.
1. Signal = Einsteigen!
2. Signal = Abfahrt steht kurz bevor!
3. Signal = Abfahrt, Zustieg verboten!
Publikum, welches beim 3. Pfeifsignal noch nicht im Zug ist, hat keinen Anspruch auf Geldrückerstattung wegen eines versäumten Zuges.

Als Handglocken werden Glocken mit Handstiel bezeichnet, die auch an Lokomotivpersonale ausgegeben wurden, um nötigenfalls auch Glockensignale geben zu können, wo dieses erforderlich ist, sofern die Lokomotiven über keine eigene Glocke verfügen.


LG Ingo

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zuletzt bearbeitet 11.12.2022 | Top

RE: Glocke in Ep. I und II?

#6 von Railwolf , 21.12.2022 17:28

Hallo Ingo,

Zitat von Atlanta im Beitrag #5
In der Epoche I sagt die Durchführungsbestimmung zur Signalordnung mit Bezug auf die EBO = Eisenbahnbau- und Betriebsordnung


Das müßtest du schon historisch präziser formulieren.
Denn "die Epoche 1" umfaßt rundgerechnet, je nachdem, wen man fragt, 85 bis 90 Jahre und eine Menge politischer Veränderungen: sie beginnt (relativ unstreitig) in Deutschland mit dem Jahr 1835 und endet (da streiten die Gelehrten) um das Jahr 1919 (effektiv keine monarchistischen Embleme mehr auf den Fahrzeugen) oder 1920 (Gründung der Deutschen Reichsbahn) oder 1925 (Einführung der neuen Baureihennummern).

Politisch kommen wir aus der Zeit des Deutschen Bundes bis ins Kaiserreich bzw. sogar in die Weimarer Republik. Entsprechend haben sich auch die gesetzlichen Bedingungen geändert, ganz zu schweigen von den immensen technischen Fortschritten, die auch Anpassungen der Regeln nötig machten. Konnten die langsamen Bahnen der ersten Jahrzehnte noch wie Straßenbahnen durch handbetätigtes Geläut auf sich aufmerksam machen, war das bei den wesentlich schnelleren (und lauteren) Hauptbahn-Fahrzeugen der Jahrhundertwende schon ein Ding der Unmöglichkeit.

Nachprüfbare Belege wären übrigens auch nicht schlecht...


Mit vielen Grüßen

Wolf 🐺


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RE: Glocke in Ep. I und II?

#7 von berndm , 30.12.2022 16:13

Zitat von Polar_Express im Beitrag #1
...
Wurden die dann spaeter abgebaut oder hatten Loks wie die S 3/6 nie Laeutewerke? Wuerde mich ueber Aufklaerung dazu freuen!

Gruss
Island-Stefan


Ich habe mal meine Fotoquellen (die einschlägigen EJ Specials) durchgeschaut und konnte keine S3/6, bzw. 18.4-5 und auch 18.6 mit Glocke finden.
Die Loks waren wohl bis in die frühe Bundesbahnzeit zu wertvoll, als dass sie auf Nebenbahnen abgefahren wurden.
So wie ich das sehe hat Märklin bei dem Modell (den Modellen mit der Artikelnummer) auch auf eine Glocke verzichtet.


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RE: Glocke in Ep. I und II?

#8 von Guardian71 , 30.12.2022 22:10

Moin,

schließe mich an. S 3/6 mit Glocke ist mir auf Bildern aus der Vorkriegszeit nicht untergekommen. Badische IVh (BR 18.3) und württ. C (BR 18.1) auch nicht. Einzig die sächsischen XVIII H (BR 18.0) haben teilweise welche erhalten.


Beste Grüße,
Mark


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