Grüß dich Florian,
zunächst mal der Einspruch des Historikers.
Zitat von Elch im Beitrag #11
schließlich sind Mehrsystem-Lokomotiven keine Erfindung der Neuzeit.
Die gesamte Eisenbahn ist eine Erfindung der Neuzeit.
Zitat von Elch im Beitrag #11
Am Tag nach Einführung des zweiten Stromsystem kam wohl einer auf die Idee sowas zu entwickeln. Ab dem 60ern kamen dann auch die ersten Typen in Deutschland.
Dem ist nicht so.
Wenn ich den
Wikipedia-Artikel richtig lese, dann gab es die ersten Zweisystem-Fahrzeuge bei der Wiener Lokalbahn etwa ab 1907. Bei Vollbahnen allerdings erst ab den 1960er Jahren. Diese Mehrsystemloks fuhren allerdings mehrheitlich nicht auf hunderte Kilometer ins Nachbarland hinein.
Technisch interessant und ordentlich beherrschbar wird die Mehrsystemtechnik, sofern sie für Gleichstrom- und Wechselstromnetze anwendbar sein soll, allerdings erst seit der Anwendung von Hochleistungs-Halbleitertechnik.
Zitat von Elch im Beitrag #11
Die Lok zu tauschen führt zu unnötigen Aufwand, Zeit und Kosten
Nun - das ist Ansichtssache. Nach dem klassischen System "ein Betreiber, ein Netz" wird eine Lok immer von ihrem Eigentümer gespeist. Sie braucht darum keinen Verbrauchszähler. (Lassen wir mal frühe internationale Triebzüge außer Acht - Dampfloks mit ihrem vergleichsweise kleinen Aktionsradius wurden eh an der Grenze oder grenznah ausgetauscht.) Wenn (Beispiel) eine schwedische Lok dagegen bis Italien durchläuft, braucht sie Strom von mindestens vier nichtschwedischen Versorgern; dieser Verbrauch kann nicht mittels Stromzähler an der Einspeisung abgerechnet werden, sondern muß in der Lok gezählt werden. DSB, DB, SBB (oder ÖBB) und RAI müssen diesen Strom dem schwedischen Unternehmen in Rechnung stellen.
Das ist ein Verwaltungsaufwand, der trotz Informatik nicht umsonst ist, sondern Zeit und Geld kostet. Und es ist eine Grundsatzentscheidung, das zu wollen - weil es eine politische - keine wirtschaftliche - Entscheidung war, Netz und Betrieb zu trennen. Man wollte damit Querfinanzierungen verhindern und dem Kunden günstigere Preise bieten, aber ich bezweifle, daß man die Konsequenzen richtig übersehen hat. Die Qualität des Dienstleistungssystems Eisenbahn ist dadurch nämlich nicht besser geworden - profitieren tun vor allem diejenigen, die Ganzzüge mit eigener Lok quer durch Europa schicken, aber die Resilienz des Systems ist stark geschwächt worden.
Zitat von Elch im Beitrag #11
Eine Übergabe ist aber einfacher als ein Lokomotivwechsel.
Wenn man nur darauf guckt - sicher. Aber das ist ja nur ein Aspekt von vielen.
Zitat von Elch im Beitrag #11
Zudem ist heute jede Traxx und Vectron von der Basis eine Mehrsystem-Lokomotive, auf Kundenwunsch entsprechend ausgelegt wird. Alles andere würde es von der Entwicklung nur teuer machen.
Nö - umgekehrt wird ein Schuh draus: durch die aktuelle Technik ist uninteressant, ob am Fahrdraht Gleich- oder Wechselstrom anliegt und mit welcher Spannung. Das ist wie bei den heutigen Netzteilen für Kleingeräte, die von 100V bis 240V alles verdauen, weil sie keine klassischen Transformatoren mehr verwenden, sondern die Spannung anderweitig verändern. Da ist es auch nur noch eine Kleinigkeit, die Dinger gleichstromfähig zu machen.
Dann kommt man an bei einem Fahrzeug, in dem alles drin ist - es muß nur softwareseitig aktiviert werden, natürlich kostenpflichtig.
Kein Vergleich mit früheren Mehrsystemlokomotiven wie den belgisch-französischen Viersystemloks (die ewig kaputt waren...), wo jede Technik gesondert eingebaut wurde und eigenen Raum benötigte.