Hallo,
bist du immer noch auf der Suche?
Hier ein paar Links zu Originaldokumenten (= Wagenverzeichnis der K.Bay.Sts.B. von 1913):
Wagen 2. Klasse - MBL 100
Wagen 3. Klasse - MBL 135
Wagen 3. Klasse mit Postabteil - MBL 148
Gepäckwagen - MBL 215
Bilder von diesem Wagentyp findest du im schon genannten Buch von Emil Konrad, Bildnr. 6, 8 und 53. Leider sind die nicht sehr hochauflösend, obwohl es sich dabei um Werkaufnahmen von Klett in Nürnberg (=MAN) aus den 1870er Jahren handelt, die seinerzeit auf Glasplatten gemacht wurden und daher sehr tiefenscharf sind. Ich habe davon auch digitalisierte Varianten, die mir der "Hüter" des MAN-Archivs, Wolfgang D. Richter zur Verfügung gestellt hat (der hat zusammen mit Lutz Uebel auch die Jubiläumsschrift zu "150 Jahre Schienenfahrzeuge aus Nürnberg", quasi die MAN-Geschichte, herausgebracht, in der weitere, hoch interessante Infos zum Wagenbau für die K.Bay.Sts.B. stehen)
Grundsätzlich ist zu sagen, dass dieser Wagentyp zwischen den 1860er Jahren und der Jahrhundertwende DAS Rückgrat für Personenzüge auf den Hauptstrecken der Bayerischen Staatsbahn bildet - teilweise auch im "internationalen" Verkehr z.B. nach Württemberg, Baden, Sachsen und Preußen! Erst ab Mitte der 1890er Jahre werden sie von den bekannten 3- und 4-achsigen D-Zugwagen (d.h. mit Abteilen und seitlichem Durchgang sowie Übergangseinrichtungen von Wagen zu Wagen) im hochwertigen, v.a. internationalen Personen- und Schnellzugdienst abgelöst.
Symptom dessen ist, dass sie noch 1913 in hoher Stückzahl vorhanden sind (vgl.Verzeichnisdaten - sie sind alle bei den Hauptbahnwagen eingereiht, NICHT bei den Neben- bzw. Lokalbahnwagen) und viele davon bereits um 1890 mit der erst 1888 eingeführten Druckluftbremse Bauart Westinghouse ausgestattet wurden (Beleg: Wagenverzeichnis von 1891, MBL 45, 60 und 87). 1897 haben sie praktisch alle diese durchgehende Schnellbremse (Beleg: Wagenverzeichnis von 1897).
Ursprünglich gab es in diesen Wagen keine Aborte (geschweige denn WC und Handwaschbecken; die kommen ebenfalls erst ab Mitte der 1890er in Mode). Bei den Wagen mit Plattformbremse blieb das auch weitgehend so bis 1913, während die ursprünglich ungebremsten Wagen mit einem Halbabteil mehr Sitzplätzen um die Jahrhundertwende in großer Zahl mit Aborten ausgestattet wurden.
Mehr Details kann ich gerne liefern...
Nun konkret zu den vier Wagen aus der Märklin-Packung (die identisch sind mit denen aus der Trix-Packung 21253; Einzelwagons aus dem alten Trix-Programm haben andere Wagennummern):
Bis auf den Wagen 3. Klasse mit Postabteil hatten alle Wagen ein Fahrgestell komplett aus Eisen, weil sie nach 1871 gebaut wurden. Die Langträger bestanden dabei aus sog. Doppel-T-Trägern, sehen im Querschnitt also aus wie ein römisches I. Der Wagen mit Postabteil dagegen ist noch älter. Er stammt aus einer Serie von 1861 und hat daher noch ein Wagengestell aus Holz mit eisernen Langträgern. Er ist tatsächlich der einzige dieser alten Wagen, der bereits 1891 eine Westinghousebremse hat.
Der Wagen 2. Klasse mit der Wagennummer 10906 stammt aus einer Bauserie des Jahres 1873. Das Bild bei Konrad zeigt einen quasi identischen Wagen mit der Nummer 10025 von 1872. Beide haben noch das Fahrgestell mit dem Radstand 4.000 mm. Bei späteren Serien werden daraus 4.370 mm bei unveränderter Gestell- und Wagenkastenlänge. Die Nummern (und die Schriftart sowie Positionierung der Anschriften) beweisen schon, dass Trix/Märklin hier eine Beschriftungsvariante von vor 1894 gewählt haben. 1893 wurde nämlich die Beschriftungssystematik der K.Bay.Sts.B. komplett umgestellt. Bis dahin wurden die Wagen einfach fortlaufend durchnummeriert, über alle Wagenklassen und -typen hinweg. In der neuen Variante werden Wagen nach Personen- und Güterwagen getrennt und dann nach Wagentypen einem festen Nummernbereich zugeordnet, innerhalb dessen nach Baujahren sortiert. Der Wagen 2. Klasse 10906 trug dann von 1894 bis mindestens 1913 die Nummer 1722.
Der Wagen 3. Klasse mit Postabteil mit der Nummer 3505 hat diese Nummer allerdings blöderweise erst seit 1894. Vorher trug er die Nummer 4653 - was schon zeigt, wie alt er ist. Das geht leider bei Trix bunt durcheinander. Denn die Art der Beschriftung hat sich 1894 ebenfalls geändert. Die Beschriftungen am Gestell blieb zwar Gelb (wobei der Hinweis "Druckluftbremse Westinghouse" in Rot angeschrieben wurde), allerdings in einer völlig anderen Typographie, die sehr der damals aktuellen preußischen ähnelt, und ausschließlich in Großbuchstaben. Das Eigentumsmerkmal K.Bay.Sts.B. und die Wagennummer am Kasten unter dem Dach war nun nicht mehr in Gold und groß angeschrieben, sondern wurde in schwarzer Farbe auf je einem weißen, schmalen, leicht gewölbten Emaille-Schild angebracht. Willst du also - wie beim Wagen 2. Klasse stimmig - einen Zustand um das Jahr 1890 darstellen, dann braucht der Wagen seine alte Nummer.
Das gleiche gilt für den Wagen 3. Klasse 3893. Er hatte vor 1894 die Nummer 11954, Baujahr 1874. Das Bild im Konrad zeigt den etwas jüngeren 19033 von 1877, schon mit dem längeren Radstand.
Und auch der Gepäckwagen 16216 wurde als 20217 im Jahr 1878, wie alle diese Wagen mit Radstand 4.370 mm gebaut. Bis zur Nummernreform 1893/94 stand da als Gattungszeichen an der Seitenwand auch nicht P., sondern D.W. (für "Dienstwagen"). Das siehst du sehr schön an dem fünf Jahre älteren 11309 im Konrad. Nicht wundern, dass bei diesem Wagen das Gewicht am Langträger noch in "Ctr." (für Zentner) angegeben ist. Das ändert sich per Gesetz im selben Jahr, so dass ab 1873 generell für alle Maße und Gewichte das metrische System gilt: K für kg und m für Meter.
Nochmal zu den Bremsen. Am Wagenboden aller vier Modelle siehst du den Bremszylinder für die Druckluftbremse. Das ist ab 1890 herum auch korrekt. Allerdings fehlt das Bremsgestänge mit mittiger Umlenkung für die Feststellbremse, die von der Bremsplattform aus bedient wird. Dieses Gestänge kannst du auf den Originalzeichnungen und den Bildern ausmachen. Auch die symmetrischen Bremsdreiecke sind nicht korrekt. Der Angriffspunkt für die jeweils äußeren Bremshebel, die nur durch eine Stange, nicht durch ein Dreieck verbunden waren, liegen tiefer, an verlängerten Bremshebeln. Korrekt dagegen ist - anders als auf den Zeichnungen der MBL - , dass die Modelle keine untergeschnallten Gastanks haben, weil sie allesamt (bis auf den Wagen 2. Klasse) auch 1913 noch mit Petroleumleuchten "erhellt" werden.
Ob die Trittbretter aus Holz waren? Tja, das ist in der Tat schwer zu sagen, die Bilder geben da nicht recht Aufschluss. Ich denke aber eher nicht, weil man dann durchgehende Bretter von immerhin mehr als 7 Metern Länge gebraucht hätte. Das ist auch damals schon ganz schön teuer, da würde ich eher Blech vermuten.
Eisenteile sind bei der K.Bay.Sts.B. generell schwarz lackiert, Holzteile am Untergestell dagegen in einem dunkleren Grün als die Wagenkästen (bei meinen Modellen älterer Bauart löse ich das so, dass die Aufbauten aus einer 2:3 Mischung von RAL 6020 (Chromoxidgrün) und RAL 6007 (Flaschengrün) lackiert sind, die hölzernen Gestellteile dagegen nur RAL 6007).
Was die Inneneinrichtung angeht, hier ein Schnappschuss aus dem MAN-Jubiläumsband. Das ist ein Auszug aus den Bauvorschriften der K.Bay.Sts.B. von 1860.

Viel Spaß!
Robert