Ich hatte ja erwähnt, dass ich mich mit dem Problem auch direkt an ROCO gewandt habe. Innerhalb recht kurzer Zeit bekam ich eine ausführliche und kompetende Antwort. Nachfolgend der entsprechende Schriftwechsel:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
ich besitze die Modelle der BR 23 105 (ArtNr.: 4324
und der 23 035 (ArtNr.: 63224). Im direkten Vergleich fällt auf, dass der Umlauf der 23 105 schräg nach vorne abfällt während dieser bei der 23 035 parallel zur Schiene verläuft. Bei dem derzeitigen Modell der BR 23 099 (Art.Nr.: 63226) ist der Umlauf wieder schräg montiert. Als Zusammenhang zwischen der 23 105 und der 23 099 würde ich sehen, dass beide von der Fa. Jung stammen, während die 23 035 von Henschel gebaut wurde. Leider finden sich in der Literatur dazu keine Hinweise. Deshalb folgende Frage an Sie:
Entspricht der schräge Verlauf des Umlaufs bei 105 und 099 tatsächlich dem Vorbild? Ist dies typisch für alle 23er von Jung?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Thümmler
Sehr geehrter Herr Thümmler,
vielen Dank für Ihre E-mail-Anfrage! Das Problem des leicht nach vorne fallenden Umlaufes der BR 23 ist keine Erscheinung, die sich
an der Vorbild-Fertigung einer bestimmten Lokfabrik orientiert. Schließt man einmal die leichte optische Täuschung durch den konisch
sich nach vorne verjüngenden Kessel - natürlich bei allen Maschinen diesen Typs - aus, ist die Umlaufkrümmung auf ein kunststoff-
technisches Problem zu reduzieren:
Der Umlauf läuft ohne jede weitere Abstützung als das schmale Querband etwa zwischen Pfeife und Dampfdom ab dem Führerhaus frei.
Steht das Teil unter einer Vorspannung nach dem Spritzvorgang (die ganzen Details sind ausschließlich auf der Unterseite), was zu
unterschiedlichen Schwundmaßen oben/unten führen muß. Das Querband kann nun nicht in jedem Fall die - auch oft später nach der
Diffusion der Feuchtigkeit entstehenden - Vorspannung mangels Querschnitt vollkommen "auffangen". Hinzu kommt, daß eben wegen
der Befestigung des Querbandes die Schwundmaße von Kessel und Umlauf letztlich auf wenige Hundertstel Millimeter genau stimmen
müßten. Auf der anderen Seite kann man den Umlauf (wie weit?) auch nicht zur Wanne gegen-vorbiegen, da sonst die meist rechts ver-
laufende Elektroleitung reißt. In der Gesamtbeurteilung ist dies ein Problem, das sich nur näherungsweise lösen läßt. Ein weitestgehend
gerader Umlauf soll und kann gut gehen; soweit dies beim Spritzen absehbar und korrigierbar ist, wird dies auch unternommen; ebenso
wird bei der Montage darauf geachtet, wenn schon eine gewisse Zeit zwischen einem und mehreren Tagen nach der Trocknung dieses
Spritzteiles vergangen ist. Ein "Nacharbeiten" des Teiles dann in der Verpackung ist allerdings nicht mehr zu überwachen, wofür wir um
Ihr geschätztes Verständnis bitten!
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben und wünschen auch weiterhin viel Vergnügen mit Ihrem Hobby, der
Modelleisenbahn.
Mit freundlichen Grüßen
Modelleisenbahn GmbH
Ihr Service Team"
Diese Antwort war für mich zum Einen eine Bestätigung der bereits getroffenen Aussage, dass der Umlauf beim Vorbild gerade ist und zum Anderen ein erster Ansatzpunkt für das weitere Vorgehen.
Ich habe also den Umlauf vorn vorsichtig vom Kessel gelöst und die beiden Befestigungslöcher auf 1,4 mm aufgebohrt. Meine Hoffnung war, dass damit möglicherweise die von ROCO erwähnte Materialspannung abgebaut wird wenn sich der Umlauf nach Vorne dehnen kann.
Diese Hoffnung wurde leider nicht erfüllt!!!!! Obwohl der Umlauf nun relativ locker auf den Zapfen saß, trat keine optische Verbesserung ein. Also vom Aufbohren erst einmal die Finger lassen.
Da ich den Umlauf nun bereits gelöst hatte, habe ich mit folgender Vorgehensweise versucht das Problem in den Griff zu bekommen:
- Den Umlauf vorn vom Kessel abheben
- Zwischen Kessel und Querstrebe ein rundes oder balliges, nicht zu hartes (um den Lack nicht zu beschädigen) Teil (z.B. Pinselstiel o.Ä.) legen und dann gleichzeitig und gleichmäßig auf beiden Seiten den Umlauf in Richtung Kessel drücken. Dadurch wird die Querstrebe in eine leicht halbrunde Form gebogen. Dabei mit Maß und Gefühl vorgehen und Zwischenprüfungen des Ergebnisses vornehmen, damit sich der Umlauf nicht plötzlich in die andere Richtung neigt.
- Wenn das Ergebnis passt, Umlauf wieder fest in die Verankerung eindrücken und Lok montieren.
- Ob es möglich ist, denn Umlauf auch im nicht abgehobenen Zustand in Form zu bringen kann ich nicht sagen, glaube dies aber nicht. Ich habe festgestellt, dass man die Querstrebe leicht überdehnen muss, damit sie dann in die gewünschte Form zurückfällt. Dies dürfte durch den zu geringen Abstand zwischen Umlauf und Kessel + Leitungen nicht möglich sein und evtl. zu Beschädigungen führen.
- Nicht verschweigen möchte ich, dass der Umlauf nach dieser Aktion nun wie gewünscht parallel zu den Gleisen verläuft aber zwangsläufig durch die veränderte Form der Strebe im vorderen Bereich eine (von Vorne betrachtete) leichte V-Form angenommen hat. Dies habe ich vor meiner Aktion billigend in Kauf genommen. Das Kippen des Umlaufes nach innen ist nur erkennbar, wenn man direkt von vorn auf die Rauchkammertür sieht oder den Umlauf von der Seite in einem ganz bestimmten Blickwinkel mit den Augen verfolgt. Auf der Anlage dürfte dieser kleine Mangel nicht auffalen und selbst in meiner Vitrine ist es kaum zu erkennen und nur wenn man es weiß und gezielt danach sucht.
Der optische Effekt, dass der Umlauf nun einen korrekten Verlauf hat, wiegt diesen negativen Nebeneffekt m.E. bei weitem auf.
Andere Überlegungen wie das Abfräsen der Querstrebe oder gar das Lösen des Umlaufes von der Querstrebe und anschließende Fixierung in gewünschter Position habe ich schnell wieder verworfen, da der Umlauf nicht vollständig vom Kessel gelöst werden kann.
Ob diese eher unorthodoxe Vorgehensweise für euch in Frage kommt muss natürlich jeder selbst entscheiden. Ich bin mit dem Ergebnis jedenfalls sehr zufrieden.
Gruß
Jens