Umzug ins neue Forum
Weil der Beitrag von -Dustin- und meine daraufhin folgende Beschreibung des Fahrverhaltens der BR 151/155 auf breites Interesse stieß, kopiere ich die Beiträge einmal in das neue Forum, damit sie weiterhin lesbar sind.
(jimknopf)
-Dustin- 29 Aug 2010 21:44 Titel: Jetzt geht's den 151ern auch an den Kragen...
...,wie man hier ( http://www.drehscheibe-foren.de/foren/r ... ?2,4978442 ) lesen kann.
Ist hier im Forum ein ausgebildeter BR 151 Fahrer dabei, der die grauenhaften Bedindungen auf der Lok bestätigen kann?^^
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Gruß
Dustin
jimknopf 30 Aug 2010 20:07 Titel: ich wurde gerufen - bitte schön
Zitat von -Dustin-
Ist hier im Forum ein ausgebildeter BR 151 Fahrer dabei, der die grauenhaften Bedindungen auf der Lok bestätigen kann?^^
Ja !
Ich erhielt die Fahrberechtigung für die Baureihen 150/151 am 18.12.2000. Damals war ich noch bei DB Cargo; seit einigen Jahren fahre ich "privat" Nahverkehr.
Zunächst sollte man immer bedenken, daß eine Maschine vom Älterwerden nicht besser wird - die Substanz verschleißt nun einmal mit den Jahren. Neu funktioniert alles wunderschön, aber im Alter kommen halt die Zipperlein. So 'ne Lok ist halt auch nur 'n Mensch...
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Die 151 ist soweit gut und schön, aber sie hat einige Mucken (wie jede andere Lok auch):
Das bereits angesprochene Ruckeln ist das Auffälligste: die Drehgestelle sind dermaßen "weich" gefedert, daß die Kiste mit Seegang "Windstärke 11" schaukelt. Beim Anfahren geht es noch, aber beim Bremsen - insbesondere die Lok alleine beim Rangieren - Holla die Waldfee... !
Während der Fahrt schaukelt sich die 151 ständig in ihrer Federung hin und her. Dazu spielt sie eine "Begleitmusik" in Form eines ständigen Federquietschens: "quiee-quiee-quiee". Bei manchen Loks leiser, bei anderen nervtötend. Das stört die Konzentration beim Fahren ungemein.
Die 151 hat zwar ein Schaltwerk mit Thyristoren, diese werden aber nur zum Schalten verwendet. Das bedeutet, daß beim Aufschalten auf die nächste Fahrstufe die Fahrmotorspannung direkt von der niedrigeren auf die höhere Trafo-Anzapfung umgeschaltet wird. Ergebnis ist ein ruckartiges Ansteigen der Zugkraft, wie bei einem Nockenschaltwerk. Bei schwereren Zügen ist angesichts der schieren Kraft der 151er ein sehr umsichtiges Aufschalten erforderlich. Die 155 macht das anders; siehe unten.
Einige Exemplare legten ein sehr eigenes und merkwürdiges Verhalten an den Tag: ich fahre ja immer mit einem leicht offenem Seitenfenster. In manchen Maschinen bildete sich dabei im Führerstand eine "stehende Welle" aus, also ein Luftwirbel mit etwas höherem Druck als rundherum. Dieser Druck war ausgerechnet genau dort, wo sich mein Kopf bei normaler aufrechter Sitzposition befand. Das führte zu einem ekelhaften Druck auf meine Trommelfelle, ähnlich wie im Tunnel oder im Flugzeug. Abhilfe brachte nur Vornüberbeugen, auf dem Fahrschalterhandrad abstützen und die ganze Zeit mit Katzenbuckel fahren. So etwas ist ätzend.
Ja, und wenn man dann endlich irgendwo angekommen ist und zur Abstellung rangiert, in der Freude, den Hobel endlich loszuwerden, dann muß man auch mal die Fahrtrichtung wechseln. Fährt man die 151 eher selten, dann darf man nach "Ankunft" auf dem anderen Führerstand gleich nochmal zurück laufen, denn: die 151 ist die einzige Lok, bei der man den Griff des Zusatzbremsventils abziehen und mit auf die andere Seite nehmen muß! Das übliche "Besteck" aus Richtungswendergriff ("Knochen") und Führerbremsventilschlüssel ist ja bei allen Einheitsloks gleich, aber die 170 zweiten Zusatzbremsventilgriffe für die 151er müssen für die Bundesbahn des Jahres 1972 einen unüberwindlichen Kostenfaktor dargestellt haben .
Ich weiß nicht, wie oft ich die Karre verflucht habe...
Genug der Meckerei, positive Seiten hat die Lok natürlich auch: sie ist leistungsstärker und hat eine höhere Anfahrzugkraft als die 155. Außerdem sind ihre Baugruppen bewährte, gründlich ausgereifte Bundesbahn-Technik und nahezu "unkaputtbar".
Die 151 ist doppeltraktionsfähig, das heißt, sie hat ein Stufenüberwachungsgerät plus entsprechendes Zubehör. Damit können 2 Maschinen von 1 Lokführer gesteuert werden. Nur das ist Doppeltraktion! Zwei Loks mit jeweils eigenem "Pilot" heißt immer noch Vorspann.
Ach ja: die 151 fährt sich selbstverständlich am allerschönsten vor den "Fünftausendern", die Erzzüge für die Dillinger Hütte. 5500 t Gesamtzuggewicht, davon alleine 236 t Lokgewicht der Doppeltraktion, sind schon Argumente ! Dieser Zug hat immer Grüne Welle, insbesondere im Bengeler Berg zwischen Bullay und Ürzig auf der Moselstrecke. Einmal "durfte" sogar der Interregio hinter mir in Cochem warten. Watt mutt, datt mutt .
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Nun zur Baureihe 155: das Schönste an ihr ist das seidenweiche Laufverhalten. Ihr Schaltwerk blendet die Spannung der Trafowicklungen von einer zur nächsten Stufe kontinuierlich hoch, wie bei einem Dimmer. Dazu werden die Thyristoren entsprechend angesteuert, nämlich im Phasenanschnitt: im Fenster des "Elektronikschrank 1" leuchtet während des Schaltwerklaufs die Meldeleuchte "alpha frg" auf, die Zündwinkelfreigabe. Kein Ruckeln irgendwelcher Art, klasse.
Die Zugleistung kann mit einem Zugkraftwähler auf dem Pult eingestellt werden. Dadurch hat man bei schweren Zügen die Möglichkeit, mehr "Power" einzusetzen, und bei leichteren verhindert man unnötiges Schleudern.
Drehgestelle und Federung sind sehr gut gelungen. Als Schmankerl gibt es hier einen "Achslastausgleich". Das ist ein Druckluftzylinder unter der Pufferbohle, der vorne auf den Drehgestellrahmen drückt. Dadurch kann sich das Drehgestell nicht aufbäumen, die Zugkraft wird besser auf die Schienen übertragen. Spätestens bei Schaltwerkstufe 16 schaltet sich der Achslastausgleich wieder ab, wenn man selbst das Abschalten vergißt.
Mein persönliches Glanzlicht ist die Aufforderungs-Sifa. Sie läuft in einem Zeitintervall zwischen 20 und 35 Sekunden. Wenn diese Zeit vorbei ist, leuchtet die Meldeleuchte "Sifa-Aufforderung" auf. Jetzt, und nur jetzt!, nimmt die Sifa die Quittung des Lokführers an. Solange die Meldeleuchte dunkel ist, kann der Lokführer treten, wie er will, es ist völlig schnurz. Danach beginnt ein neues Zeitintervall, wieder irgendwo zwischen 20 und 35 Sekunden, aber eben eine andere Länge. Reagiert der Lokführer nicht, kommt der übliche Ablauf: nach 4 Sekunden die Tröte, nach weiteren 2 Sekunden Zwangsbremsung.
Diese Technik hat einen dermaßen gravierenden Vorteil, daß sie längst deutschlandweit verplichtend wäre, wenn ich etwas zu sagen hätte: weil die Aufforderung per Licht kundgetan wird, hat ein einschlafender Lokführer keine Chance, die Sifa zu umgehen! Er sieht ja mit geschlossenen Augen das Licht nicht mehr. Und durch den variablen Zeittakt kann er die Sifa nicht mit regelmäßigem Treten überlisten, weil er dazu genau das Zeitfenster treffen müßte, was unmöglich ist.
Leider darf die Aufforderungs-Sifa nicht überleben, weil auf ihrem Etikett "VEB" steht, und das muß ja per sé schlecht sein. Mit einer 140 dagegen bin ich schon schlafend 6 Kilometer gefahren, und ich bin wahrlich nicht der Einzige (keine Angst, ist verjährt ). Aber schon kraß, wie eine im Grundsatz sicherere Technik verteufelt wird.
Bei dieser Baureihe gibt es ebenfalls Schattenseiten. Die 155 hat zum Beispiel ein recht empfindliches Schaltwerk, das bei unsachgemäßem Abschalten gerne unter die Nullstellung läuft. Das bedeutet Anhalten, Hauptschalter aus, Lok erden, Hochspannungsraum aufschließen und Schaltwerk von Hand wieder auf Null drehen - in schlangenmenschartiger Körperhaltung zwischen Gittertür, Trennschützgerüst, Schaltwerkswelle aus zerbrechlichem Preßstoff und Stellmotor. Auf freier Strecke mit IC im Kreuz - viel Spaß. Sie ist auch sonst etwas empfindlicher. Wie der Kollege bei DSO schon schrieb: man muß die 155 so bedienen, wie es von ihren Konstrukteuren vorgesehen wurde, dann ist sie lieb und brav. Die 151 dagegen verzeiht auch kleinere Bedienfehler klaglos.
Auf Dauer eher unangenehm ist die Sitzposition. Das Pult ist höher als bei DB-Loks und leicht geneigt. Deswegen liegen die Arme zu hoch, das ermüdet irgendwann. Außerdem ist unter dem Pult zuwenig Platz für die Beine, man kann sie nicht richtig ausstrecken. Ich fuhr meistens schräg zum Pult sitzend, was wenig optimal ist.
Mit dem ach so berüchtigten DAKO-Führerbremsventil hatte ich hingegen nie Probleme, auch nicht mit der Niederdrucküberladung (DB-Deutsch: Angleicher). Es funktionierte immer einwandfrei. Wie gesagt: bedienen wie vorgesehen. Und alles ist gut.
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In der Summe fuhr ich die 155 lieber als die 151, und ich fuhr sie auch öfter. Sie ist heute noch meine Lieblingsbaureihe, und ich bin Wessi. Also keine falschen Schlüsse ziehen .
Leider sind diese Zeiten Geschichte; immerhin bleiben mir "meine" 155er von Gützold.
Übrigens: eine 151 habe ich auch . Gehört halt einfach dazu.