Hallo,
zum Jahresabschluss dann noch kurz die Passage über die Abläufe "unterm Ofen" in der Ilseder Hütte, etwas - viel - zu lesen.
Zur Erklärung: Das Buch schildert, wie bereits geschrieben, einen Abschnitt aus der Geschichte der Ilseder Hütte aus den persönlichen Erinnerungen eines Lokführers, der eben im April 1983 den letzten Roheisenzug aus Ilsede zum etwa 7 km entfernten Stahl- und Walzwerk nach Peine fuhr (heute "Peiner Träger GmbH" der Salzgitter AG). Danach wurde Roheisen aus Salzgitter zum Blasstahlwerk nach Peine gefahren. Heute gibt es zwei E-Öfen, die mit Schrott betrieben werden.
Übrigens immer nur in Pfannenwagen (die sich von werksinternen Pfannenwagen, wie zum Beispiel im Ruhrgebiet üblich, deutlich unterschieden, siehe hier. War schon toll, und ziemlich warm, wenn die Roheisenpfannen damals hier in Peine, am Bahnübergang vorm Werk, direkt an einem vorbeifuhren oder noch vorm Mischer hin- und her rangiert wurden), denn, zitiert aus besagtem Buch:
"In Salzgitter nutzte man meistens die sogenannten Torpedopfannen. Aber nach Peine gingen nur die üblichen Roheisenpfannen, denn die Brücken hielten die schweren Torpedopfannen nicht aus, die waren zu schwer."
Nun aber zum Ofen, und darunter:
Die Arbeit als Lokführer im Bereich der Hochöfen beschreibt Hermann Fricke wie folgt:
"Ich habe die heißen Roheisen- und die Schlackenpfannen unter den Öfen herausgeholt und in ein Gleis gestellt. Dort kam dann eine andere Lok, zum Beispiel die Schlackenlok. Die brachte die Schlacke zur Ilseder Schlackenverwertung. Die Eisenlok brachte die Eisenpfannen zum Stahlwerk nach Peine. Wir haben in der Zwischenzeit wieder leere Pfannenwagen unter den Ofen gestellt. Zu jener Zeit waren es noch fünf Hochöfen. Waren wir also mit einem fertig, hatte schon ein anderer Ofen angefangen abzustechen. So haben wir immer volle Pfannen rausgeholt und leere wieder rein. In der Zwischenzeit war dann der Schlackenzug wieder da. Auch der Eisenzug tauchte wieder auf. Die hängten sich die vollen Wagen wieder an und wir sind dann wieder hinter die leeren gefahren." […]
Die Anzahl der Pfannenwagen am Hochofen richtete sich nach der konstruktiven Beschaffenheit der Öfen und ihrer Gleissysteme. Bei Ofen 5 waren es bis zu sieben Roheisen- und Schlackenwagen, die während eines Abstichs gefüllt worden sind. Die Reihenfolge war klar festgelegt: „Immer die erste Pfanne gleich hinter der Lok wurde auch zuerst befüllt. Danach die Zweite, die Dritte und so weiter.“ War der Lokführer nach der fünften oder sechsten Pfanne der Meinung, dass die Anzahl der Wagen für diesen Abstich nicht ausreichte, informierte er das Stellwerk. Dann wurden leeren Pfannen hereingebracht.
Die Schlacken- und Eisenpfannenwagen standen nebeneinander auf zwei verschiedenen Gleisen. Ein Roheisenpfannenwagen war nach rund 10 Minuten voll. Das gestaltete sich ein wenig danach, wie heiß das Eisen war, ob es „schmierte“ oder nicht. Bis 1964 nutzte man noch kleinere Pfannen. Sie wurden dann von größeren Pfannenwagen abgelöst.
War eine Pfanne voll, bekam der Lokführer vom Stellwerk die Anweisung umzusetzen. Er selbst konnte nicht sehen, wie weit der Füllvorgang vorangeschritten war. Das war Sache der Ofenleute. Die nahmen auch die Deckel der Roheisenpfannen ab. Die Schlackenwagen hingegen waren oben permanent offen. Eine Lokomotive musste immer beim abstechenden Ofen bleiben. Lief mal eine Pfanne über, musste man den Zug herausholen, bevor alles kalt geworden war. Dann hatten die Ofenleute das Gleis wieder zu reinigen. In ihrer Verantwortung lag der gesamte Füllvorgang.
Die Geräuschkulisse am Hochofen war geprägt von ständigem Lärm. Durch die Formen und die Winderhitzer rauschte es unheimlich laut. Die Arbeit an und unter den Öfen war für die Lokführer mit gemischten Gefühlen verbunden. "Wenn der Ofen verschlossen war, hatten wir mit der Lok auch schon mal ganz darunter zu fahren. Es kam vor, dass Schlacke von oben runter fiel. Wir mussten dann auch manchmal während des Abstichs unter den Ofen fahren und Pfannen herausholen. Das war ein komisches Gefühl. Damit man nicht während des Abstichs zwischen die Wagen musste, wurden die erste und die zweite Pfanne getrennt und extra mit einem Hemmschuh abgesichert. Das war Vorschrift. Ansonsten hätte es passieren können, dass beim Herausholen der ersten und zweiten Pfanne der Zug nach hinten herauslief. Dann war natürlich was los. Später, in den 70er Jahren, haben wir das alles allein gemacht. Da hatten wir keine Rangierer mehr. Wir arbeiteten außerhalb der Lok und führten alle Arbeiten, die vorher vom Rangierer durchgeführt wurden, selbst durch. Das war mit Einführung der Funkfernsteuerung."
Über Zeichen an der Wand wussten die Lokführer, wie weit sie unter den Hochofen fahren mussten. Die Pufferschale musste genau auf der Markierung sein, dann passte die Pfanne genau unter das Loch und die Laufrinnen.
Später übrigens übernahmen die Lokomotiven am Ofen auch den Weitertransport der Pfannenwagen. Da rangierten dann an den Öfen nur noch zwei Loks, eine für den Schlacken- und eine für den Roheisenzug. Zu Dampflokzeiten kamen an den Hochöfen noch kleine, zweiachsige Maschinen zum Einsatz. Die schafften es nicht, drei oder mehr Pfannen nach Peine zu fahren. Das schafften nur die größeren Dampfloks.
Die Lokomotiven – ob Dampf oder Diesel – litten unter der Arbeit an den staubigen und dreckigen Hochöfen. Ihre Fenster waren oft mit Eisen verspritzt. Der gesamte äußere Erhaltungszustand war teilweise sehr schlecht. Ihnen sah man die tägliche Belastung an. Die übliche Pflege und Instandhaltung wurde natürlich durchgeführt, für kosmetische Behandlungen indes war oftmals keine Zeit."
So weit, einen guten Rutsch und glücklichen Jahresbeginn,
Gruß
Daniel