Guten Morgen zusammen,
meine Geschichte geht irgendwie so: Seit jeher verbinde ich Modelleisenbahn mit der Fa. Märklin. Dies ist der Erziehung meines Vaters geschuldet, der ebenfalls mit Märklin groß geworden ist und dies wahrscheinlich an mich weitergereicht hat.
Die "Laufbahn" war dann auch klassisch, also als Kind 'ne Platte (natürlich mit Märklin) und hier wurde auch so heftig gespielt, dass davon leider kaum mehr was vorhanden ist. Dann verschwand als Teenager das Interesse, kam aber umso heftiger wieder zurück. Inzwischen hatte mein Vater seine Sammlung erheblich erweitert – alles ausschließlich Märklin, versteht sich. Somit begann mein Neueinstieg auch wieder mit Märklin, diesmal aber direkt digital – klar, wie der Vater eben. Auch bei mir war es die bekannte Startpackung mit der 86er und der MS, und bis auf eine getunte V 60 und einige weitere Wagen ist es auch nie wirklich mehr geworden.
Dann, letztes Jahr im Herbst, standen die 042 und die Lollo im Beschaffungsplan. Aus verschiedenen Gründen war ich aber von beiden Loks derartig enttäuscht, dass ich das Nachdenken anfing. Wie war das doch gleich bei meinem Vater, der noch immer mehrere Loks pro Jahr erwarb? Kaum ein Modell, welches von Anbeginn mal ohne Zicken lief und gerade auch bei den teuren Dampfloks gab es immer wieder mal das eine oder andere Problemchen.
Kurz: Der Entschluss stand fest und da eben kaum Material bei mir vorhanden war, sollte der Umstieg in die Welt der Zweileiter nur eine Formsache sein.
Dann aber begann das Seltsame... und ich kann es mir auch bei besten Willen nicht erklären. Es hört sich wahrscheinlich komplett bescheuert an, aber bereits nach den ersten zaghaften DC-Schritten (Neue Zentrale, testweise verschiedene Gleisanbieter, 1-2 Loks) war mir klar, dass ich diesen Weg nicht weiter gehen will. Irgendetwas fehlte... Neben diesem komischen Gefühl wurde mir zudem sehr schnell klar, dass auch Roco, Fleischmann & Co. technisch nur mit Wasser kochen. Hier war ich wirklich etwas vorschnell, gar naiv, aber ich hatte wirklich die Vision, dass im DC-Bereich alle technischen Probleme wie weggeblasen sind... Schön dumm, muss man da wohl sagen.
ops:
Doch das war nicht der Grund meiner Überlegungen.
Man kann es vielleicht so beschreiben, dass mein Verstand mir zwar sagt, dass ein Wechsel sinnvoll und vorteilhaft ist, mein Herz aber noch immer für Märklin schlägt.
Was sich hier so durchgeknallt anhört, findet sich letztlich aber in so mancher Antwort hier wieder, und insofern sehe ich mich mit den eingangs genannten Attributen auch gar nicht so sehr auf dem Holzweg.
Emotion: Wie schon gerade erwähnt: Für mich ist Märklin offensichtlich eine Herzensangelegenheit. Ich verbinde damit einfach viele Kindheitserinnerungen und nette Anekdoten mit meinem Vater. Auch habe ich nicht vergessen, wie ich gebibbert und gehofft hatte, dass Märklin den neuerlichen Crash gut überwindet und mit der Insolvenz wieder Oberwasser gewinnt. Was macht mich da so emotional befangen, frage ich mich? Wenn dies mit anderen Firmen der Branche xyz geschieht, lässt mich das persönlich ziemlich kalt und mein Interesse daran ist allenfalls politisch-wirtschaftlich geprägt. Mehr aber auch nicht...
Markentreue: Wie gesagt: Erziehung ist alles. Bei uns gab es immer Märklin und mein Vater wird auch nicht mehr wechseln. Zwar gefällt ihm die Lenzsche Spur 0 sehr gut, doch da er wohl wirklich der klassische "IchbinMärklinfanundkaufedaheralles-Konsument" ist (was oft genug ein Streitthema bei uns war, das könnt Ihr mir glauben), ist seine Sammlung inzwischen einfach zu groß. Es bleibt also bei Märklin.
Was aber oftmals als negativer Aspekt ausgelegt wird, muss doch nicht immer schlecht sein, denke ich mir aktuell... Treue ist doch an sich zunächst mal ein positiv besetzter Wert und wenn man es mit der Markentreue nicht übertreibt, dann ist doch letztlich nichts dagegen einzuwenden, denke ich...
Tradition: Für mich ein ganz wichtiger Punkt. Als klar war, dass ich mich von Märklin abwende, war bei meinem Vater schon zu erkennen, dass dies bei ihm etwas ausgelöst hat. Ich denke, dass er sich Sorgen macht, was mit seiner Sammlung einmal passiert, wenn das Unvermeidbare eintritt. Er hängt sehr an den Stücken und freilich ist klar, dass ich später einmal dieses Erbe antreten werde. Gleichwohl sieht er seine Modelle aber nicht bloß als pure Objekte für die Vitrine – sie MÜSSEN laufen, denn dafür wurden sie schließlich gemacht, so seine Worte.
Ein ehrenwerter und liebenswerter Ansatz, wie ich finde und so wird auch klar, was die Bedenken meines Vaters sind, die ich mir inzwischen in den vergangenen Wochen deutlich angeeignet habe: Was passiert mit der Sammlung, wenn man sie gar nicht laufen lassen kann? Selbstverständlich sage ich heute, dass ich die Sammlung niemals verkaufen würde, doch wer kann schon wissen, was am Tag x wäre? Nicht nur hier im Forum gibt es zahlreiche Beispiele, wo solche Dinge eben doch ganz einfach verkauft werden, weil sie inzwischen nicht mehr ins eigene Schema passen. Ganz ehrlich, davor habe ich mächtig Angst. Insofern würde sich die Frage freilich gar nicht stellen, wenn man selbst doch Märklinianer wäre, denn dann kann man die Objekte ganz einfach in Vaters Sinne weiterführen.
Das hört sich für Euch jetzt bestimmt nach einer seltsam konstruierten Ausrede an und tatsächlich ist diese Argumentation nur dann schlüssig, wenn man selbst in dieser Gedankenwelt feststeckt. Insofern seht es mir bitte nach, dass ich hier ein halbes Märchen erzählen muss, um meine Beweggründe zu verdeutlichen.
Sonstiges: Hier gibt es zwei Punkte zu benennen, jeweils ein positiver und ein negativer Aspekt. Positiv in diesem Sinne ist für mich, dass ich es schade fände, wenn ich bei einem Wechsel ins DC-Lager den modellbahnerischen Kontakt zu meinem Vater verlieren würde. Dies würde aber zwangsläufig passieren, da mein Vater eben Vollbut-Märklinist ist. Etwas anderes existiert für ihn nicht und deshalb gibt es da auch nix zu besprechen. Punkt!
Diese Einstellung kann man mit Sicherheit kritisieren, aber so ist er nun eimal. Warum aber nicht einfach das gemeinsame Hobby fortführen? Hätte ich einen Sohn, so würde er mit Sicherheit auch eine Märklinbahn vom Opa bekommen, dass ist mal sicher und somit ist der Spaß an der gemeinsamen Sache doch sicherlich erstrebenswert, denke ich.
Der negative Aspekt für mich ist eben jener Punkt, wo die Zweifel aufkommen und der Verstand einsetzt. Stichwort Qualität. Wir alle wissen, dass dies aktuell sie Achillesferse von Märklin ist und wir müssen das auch gar nicht weiter diskutieren. Ich stelle mir halt bei aller Emotionalität dann doch die Frage, ob ich für mein Hobby derartig viel Geld ausgeben will, wenn der Ärger eigentlich in vielen Fällen vorprogrammiert ist. Das dies letztlich auch im DC-Bereich der Fall ist, tröstet zwar, doch macht es die Entscheidung um und für Märklin nicht leichter.
Dieser Punkt wird deshalb wahrscheinlich auch zum Gradmesser der ganzen Sache und auch wenn ich inzwischen wieder ganz stark in Richtung Märklin tendiere, so habe ich einfach keine Ahnung, wie ich mit den ganzen Enttäuschungen und Rückschlägen umgehen kann, wobei wir irgendwie auch schon wieder bei dem Punkt Emotionen sind. Mir kommt es inzwischen fast so vor, als ob der heutige Märklinianer eben auch eine gute Portion Leidensfähigkeit entwickeln muss, will er mit Märklin glücklich werden.
Bleibt für mich die Frage: Kopf oder Bauch?
In diesem Sinne nochmals besten Dank für Eure Beteiligung und liebe Grüße,
Christian