Hallo Kalle und Servus an alle Modelleisenbahner und Modellbauer,
natürlich freue ich mich, gewisse Standpunkte aus Sicht eines Herstellers zur Preisfindung bestimmter Produkte darlegen zu können. Dazu muss ich leider doch etwas weiter ausholen, um wenigstens in groben Zügen den Umfang eines solchen Projekts einigermaßen objektiv zu beleuchten.
Selbstverständlich ist es für den Endkunden nicht immer nachvollziehbar, warum ein eigentlich einfach aufgebautes Produkt eine entsprechende Preisgestaltung erfährt.
Gerne nehme ich aber hier die Gelegenheit wahr, dies am Beispiel von unserem industriell gefertigten elektrostatischen Begrasungsgerät darzustellen.
Unser Produktionsstandort ist hauptsächlich Deutschland, wobei die Entwicklung/Konstruktion und Leiterplattenfertigung im eigenen Hause durchgeführt wird.
Als Grundlage für ein mit einer 9 Volt-Batterie (alternativ mit Akku) betriebenen Geräts mit einer Arbeitsspannung von nahezu 15 kV dient nach wie vor die in Fachkreisen bekannte Kaskadenschaltung nach Villard.
Zielsetzung für ein solches Gerät ist hierbei, daß Qualität, Handling und Preis-/Leistung gegenüber den Mitbewerber-Geräten mindestens gleich- und in gewissen Punkten auf jeden Fall höherwertig ausfallen. Dabei war die Preisvorstellung für den Endkunden auf jeden Fall noch unterhalb der magischen 100,00 Euro-Linie zu halten.
Spezielle Computerprogramme sind für das Zeichnen der Platinen-Layouts und für die Konstruktion spezifischer Gehäuseteile nötig.
Die vollautomatische Leiterplattenfertigung mit versilberten Leiterbahnen, automatisiert ausgeführte Bohrungen und Durchkontaktierungen, sowie das Aufbringen von Lötstoplack und Bauteilbestückung (hier von Hand) geschehen zwingend RoHS-konform, entsprechend der Richtlinie 2002/95/EG. Für die Entwicklung, sowie für die komplette Umsetzung sind entsprechend qualifizierte Mitarbeiter nötig.
Spezifische Gehäuseteile werden bei Zulieferfirmen in Auftrag gegeben, wobei hier die nötigen und speziell angefertigten Werkzeuge am meisten zu Buche schlagen. Ein Vorteil ist jedoch der teilweise mögliche Rückgriff auf Standardbauteile.
Die "Hochzeit", also das "Verheiraten" der Elektronikkomponente mit dem fertigen Gehäuse erfolgt wiederum von Hand. Zubehör- und Ersatzteile (z. B. diverse Siebaufsätze) müssen schon jetzt produziert und bereitgehalten werden.
Diverse Eintragungen beim Deutschen Patent- u. Markenamt müssen bereits urkundlich bestätigt vorliegen.
Die eigentliche Testphase mit Geräten aus der Nullserie wird dann von erfahrenen und aus Modellbahn-/Modellbauzeitschriften bekannten Modellbau-Experten durchgeführt. Die daraus gewonnen Erkenntnisse erfordern noch geringfügige Änderungen am künftigen Serienprodukt.
Ein elektrisch betriebenes Gerät muss immer vor dem erstmaligen Inverkehrbringen gemäß Elektrogesetz (Richtlinie 2011/65/EU) eine ca. drei Monate dauernde und kostenintensive Registrierungsphase durchlaufen (Stiftung EAR). Die obligatorische CE-Konformität (EMV) kann zwar intern und eigenverantwortlich erstellt werden, muß aber dennoch aufwändig dokumentiert sein.
Parallel hierzu werden Bedienungsanleitungen in verschiedenen Sprachen gedruckt (man glaubt gar nicht, was eine professionell erstellte Übersetzung kosten kann), Verpackungsmaterial sowie Werbemittel werden für den Fachhandel bereitgestellt, Online-Präsentationen, Messeauftritte und Vertriebswege koordiniert, usw.
Die nachhaltige und kontinuierliche Vermarktung mit entsprechenden Werbemaßnahmen, z. B. in diversen Fachzeitschriften darf nicht vernachlässigt werden..
Nicht zu vergessen ist die Marge für den Fachhändler, welche sich im Verhältnis mindestens im Bereich der Mitbewerber bewegen sollte. Die Aufwendungen für die Logistik werden erwartungsgemäß von uns übernommen.
Und..., letztendlich fällt ein nicht unerheblicher Anteil an Abgaben in Form von Steuern an. Das wichtigste jedoch am Ganzen ist, unsere Firma soll und muß damit auch Geld verdienen.
Es ist also nicht so einfach, wie man(n) es sich vorstellen möchte. Für ein im Prinzip relativ simples, elektrisch betriebenes Gerät ist der Aufwand, gemessen an der Nachfrage, immens. Eine Kleinserienfertigung von wenigen hundert Stück, wie beispielsweise bei Lasercut- oder Handarbeits-Modellen scheitert bereits finanziell an der Einhaltung der beschriebenen Mindeststandards.
Es gibt zwar eine relativ große Anzahl an Modellbahnern, jedoch ist der Anteil derjenigen, welche sich mit der gehobenen Landschaftsgestaltung befassen, eher gering und der Gesamtmarkt zudem leider rückäufig. Daher ist eine globale Vermarktung, wie bei unseren Mitbewerbern auch, unumgänglich. Man nutzt dann entsprechend auch Synergieeffekte mit Herstellern von Landschaftsbaumaterial, welche kein eigenes Gerät am Markt anbieten.
Ich sehe des öfteren diese selbstgebauten Geräte aus umgebauten "elektrischen Fliegenklatschen". Daraus abgeleitet resultiert wahrscheinlich die Begehrlichkeit nach einem "billigen Begrasungsgerät". Die Ausgangsspannungen von 1,5 bis 2,5 Kilovolt sind für ein ansprechendes Ergebnis schlichtweg zu gering. Zudem ist die Form des halbkugelförmigen (Tee-)Siebes für die Erzeugung eines entsprechenden elektrostatischen Feldes eher nachteilig. Den fehlenden und aus sicherheitstechnischen Grundsätzen notwendigen Berührungsschutz lasse ich bewusst mal außen vor.
Mit den gängigen und im Fachhandel erhältlichen Gras-Fasern (von 1 - 6 mm) sind laut unseren Tests in Verbindung mit geeignetem Trägermaterial (Kleber) sehr gute Ergebnisse ab einer Ausgangsspannung von 10 kV möglich. Dabei spielt nicht nur die Länge der Faser eine Rolle, sondern auch deren Struktur. Ca. 10 mm lange Fasern sind mit einem 15 kV-Gerät noch einigermaßen zu verarbeiten.
Es gibt einen (ausländischen) Hersteller, der seine (optisch hervorragenden) Flock-Fasern teilweise nachträglich einfärbt. Hier sind selbst mit einem 70 kV-Gerät Grenzen gesetzt.
Für die wirklich effiziente und großflächige Beflockung, wie es für hauptsächlich gewerblich tätige und bekannte Modellbau-Experten wichtig ist, sind Geräte mit Ausgangsspannungen ab 35 kV gefragt. Durch das wesentlich stärkere, elektrostatisch generierte Feld kann der Abstand zur zu begrasenden Fläche entsprechend vergrößert werden.
Im Bereich von 45 kV bis 70 kV lassen sich im Ergebnis und in der Anwendung keine nennenswerten Unterschiede mehr erkennen.
Das "semiprofessionelle Gerät" eines unserer Mitbewerber baut auf dessen bereits auf dem Markt erhältlichen Standard-Gerät auf und erfährt eine Leistungssteigerung, laut unseren Recherchen (noch nicht bestätigt), von rund 50 Prozent.
Wir werden hier voraussichtlich noch in diesem Jahr ein mit handelsüblichen Akku's betriebenes Begrasungsgerät mit rund 50 kV Ausgangsspannung als echtes "all-in-one"-Gerät anbieten. Dieses soll sich ebenfalls im niedrigen dreistelligen Preissegment bewegen.
Neuartig ist hier die Erzeugung der Hochspannung über einen piezoelektrisch angesteuerten Wandler, der in dieser Form ein Novum darstellt. Die Entwicklungphase hierzu ist bereits nahezu abgeschlossen. Mehr kann ich dazu aber noch nicht sagen.
Ich hoffe, in gewisser Weise nachvollziehbare Einblicke in die doch komplexe Herstellung und Marktplatzierung eines relativ banalen Produkts geben zu können.
Gerne könnt Ihr weitere Fragen hierzu stellen, habt aber bitte Verständnis dafür, dass ich weder für unsere Produkte an dieser Stelle Werbung machen darf und möchte, noch mich auch über die Vor- und Nachteile unser Mitbewerber auslassen werde. Kritisch sehe ich nur die Bausatz- und Bastelfraktion.
Auch für Anregungen habe ich stets ich ein offenes Ohr, oft wird den Herstellern (teils berechtigt) vorgeworfen, am Markt vorbei zu produzieren.
Um einem falschen Eindruck vorzubeugen,
in erster Linie bin ich hier im Forum, wie alle anderen auch, Modelleisenbahner und teile mit euch dieses interessante und kreative Hobby. Dabei orientiere ich mich hauptsächlich am Vorbild der ÖBB.
Im Gegensatz zu anderen Modellbahnforen schätze ich hier den angenehmen, "normalen" Umgang der Forenteilnehmer untereinander, auch wenn ich hauptsächlich nur als Mitleser teilhabe.
Gruß,
Michael