Hallo,
hier ein kleiner geschichtlicher Exkurs zu Drehscheiben an Bahnhofsköpfen:
Die ersten Eisenbahnen waren isoliert geführte Verbindungsstrecken zwischen Städten, meist in der Hand privater Betreibergesellschaften (Nürnberg-Fürth, etc.). Erst später wurden diese einzelnen Strecken zu einem Netz verbunden.
In den Endpunkten der Strecke mussten die Lokomotiven für die Rückfahrt gewendet werden, da die frühen Schlepptendermaschinen rückwärts nicht für die gleich hohe Geschwindigkeit ausgelegt waren wie vorwärts. In den großen städtischen Kopfbahnhöfen gab es oft sogar mehrere Drehscheiben am Kopf der Bahnhofsgleise mit Verbindungen dazwischen, auf denen Loks gewendet und Wagen zwischen den Gleisen verschoben wurden.
Mit zunehmenden Leistungsansprüchen wurden die Lokomotiven immer größer und insbesondere länger. An Drehscheiben wurden teilweise Verlängerungen aufgesteckt ("Tilly´sche Drehscheibenverlängerung"), die beim Drehen über die eigentliche Scheibe hinausragten und auf die der Tender der Lok geschoben wurde. So konnten Lokomotiven gedreht werden, die länger als die noch vorhandenen kleineren Scheiben waren. (*)
Letztendlich wurden die meisten Drehscheibendurchmesser den größeren Lokomotivlängen auf der jeweiligen Strecke mit der Zeit bei Bedarf angepasst.
Erst mit dem Aufkommen von Tenderlokomotiven auf kurzen Nebenstrecken (begrenzte Vorräte der Tenderloks) und später Diesellokomotiven mit vorwärts und rückwärts gleichen Geschwindigkeiten, konnte man auf die Drehscheiben weitgehend verzichten und baute zusätzliche oder reine Weichenverbindungen in den Bahnhofsköpfen ein, da sie weniger aufwändig im Einbau und der Unterhaltung und damit kostengünstiger waren.
Drehscheiben wurden aber weiterhin benötigt, um Schlepptenderloks und Schneepflüge zu drehen und außerdem Tenderloks auf extremen Steilstrecken, wo diese Schornstein voraus gegen den Berg fahren mussten, damit die Feuerbüchse immer von Wasser umgeben war und nicht ausglühen konnte (vgl. auch Spitzkehrenbahnhof Rennsteig auf dem Scheitel der Bergstrecken -> ohne Drehscheibe).
Drehscheiben am Bahnhofskopf konnten mehrere Gleise sehr Platzsparend (auf etwa Loklänge) miteinander verbinden, das sparte lange Weichenstrassen. Außerdem konnten von der Drehscheibe Stumpfgleise zur Lokbehandlung und zum Abstellen von Loks abgehen (Lokschuppen). Drehscheiben an Bahnhofsköpfen kamen an Hauptstrecken wie Nebenstrecken vor (vgl. Endbahnhöfe z. B. Thale [ehem. 2-gleisige Hauptstrecke, DS am Bhf´s-Kopf], Heiligenhafen [Lokschuppen an DS am Bhf´s-Kopf], Klütz [LS und Bekohlung an DS am Bhf´s-Kopf], Schliersee [LS an DS am Bhf´s-Kopf], u. v. a.).
Grüße Frank
P.S.: hier mal zwei Links zur Drehscheibenverlängerung: http://europeanalocal.de/eld/fedora/zbbv...rw_1906_057.pdf
http://www.godfatherrails.com/photos/pv.asp?pid=512
(*) Aus: "Die Schule des Lokomotivführers, Abt. III Der Fahrdienst", Brosius und Koch, 1873 mit einem Vorwort von Edmund Heusinger von Waldegg (Kontrukteur "der" Heusingersteuerung)