Letzte Woche haben meine Frau und ich einen kurzen Tripp nach Porto gemacht, wo der Frühling im Vergleich zu unseren Breitengraden weit voraus ist. Immerhin Kulturhauptstadt Europas 2001 und bis heute Weltzentrum des köstlichen Portweins, haben wir einige Bilder von der historischen Tram mitgebracht.
Die alte Straßenbahn vom Ende des 19. Hahrhunderts verkehrt bis heute zwischen der Uferpromenade des Douro
durch die steilen Gassen der Altstadt bis hinauf an die Universität. Einfach nur sehenswert!
Wer hier in Forum Sorge hat, dass die Steigungsstrecken auf seiner Moba vielleicht unrealistisch steil sein könnten, der wird hier vollkommene Beruhigung erfahren. Kein Zugseil und keine Zahnstange gibt es. 550 Volt Gleichspannung an der Oberleitung genügen, um die etwa 160 PS starken Fahrzeuge Steigungen von geschätzten 10 Prozent hinauf und wieder herunter zu geleiten, und zwar im reinen Reibungsbetrieb.
Hier ein Blick in den Führerstand. Der Fahrer schaltet die Motoren nach Bedarf in den Antriebs- oder Bremsmodus:
Natürlich gibt es auch eine Druckluftbremse (bei langsamer Fahrt wichtig), sowie eine mechanische Standbremse, die der Fahrer mit dem großen Kurbelrad anziehen kann. Einfache und sichere Mechanik.
Die Sitze sind in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung umklappbar:
An den Endstationen gibt es keine Prellböcke. Solche Verkehrshindernisse würden nicht ins geschäftige Treiben der Stadt passen. Statt dessen haben die Schienen eine besondere Stopmechanik, die das Überfahren des Gleisendes verhindern:
Meine Frau hat das mal mit dem Fuß betätigt:
Natürlich muss der Fahrer an den Endhaltestellen den Stromabnehmer umlegen. Dazu ist daran ein Seil angebracht:
Im Museum der STCP, Sociedade de Transportes Colectivos do Porto, unten am Fluss gelegen, haben wir einige ältere Fahrzeuge besichtigt:
Die alte Maschinenhalle ist ebenfalls sehenswert. Hier zeichnen Studenten der Kunsthochschule die verschiedenen Aggregate akribisch auf ihre Papierblöcke:
Der Betriebsstrom der Tram wird aus dem öffentlichen 15-kV-Drehstromnetz heruntertransformiert und in Gleichspannung umgewandelt. Vor dem Krieg leisteten das Einanker-Gleichstromumformer. Das schwarze Ungetüm im Bild. Motorgeneratoren, die mit Drehstrom angetrieben wurden und gleichzeitig als Generatoren wirkten. Diese gaben dann 550 Volt fürs Oberleitungsnetz der Tram ab. Ein paar hundert Ampere waren da sicherlich fällig.
Später dann, in den 1950ern, wurde der Gleichstrom mittels Quecksilberdampf-Gleichrichtern erzeugt. Die wenigsten hier werden solche Elektronik bei sich zu Hause auf der Moba haben. Die Gleichrichterdiode ist im Prinzip eine eiserne Badewanne mit siedendem Quecksilber.
Die Dämpfe werden mit Vakuumpumpen aufgesogen und sind beim Einatmen kerngesund, jedenfalls für Elektronen. Es ist mir immer wieder ein Rätsel, weshalb so kleine Elementarteilchen eine so große Badewanne benötigen. Ja, so war das damals halt.
Ein Besuch lohnt in jedem Fall. Den komischen Quecksilbergeschmack im Mund, vielleicht nur eingebildet, haben wir beide abends mit einer guten Flasche edlen Portweins heruntergespült.
Hans Martin & Manu
The Presidents, Chief Engineers, Finance Directors, Baggage Porters, and Yard Sweepers of the Benton Valley Railroad Line : viewtopic.php?f=64&t=109585
vielen Dank für Deinen tollen Beitrag. Die Teile sind wirklich urig. Wir haben es gerade umgekehrt gemacht, wollten den Herbst verlängern. Wer konnte ahnen, daß Deutschland besseres Wetter hat als Portugal und Porto.
Die "Prellböcke" muß ich noch mal in Augenschein nehmen, auch steht eine Fahrt mit der Tram noch an, wenn nicht die superlangen Schlangen an den Haltestellen wären und die Teile dann völlig überfüllt wären. Das Tram-Museum klingt auch sehr interessant...
Gibt es rund um Porto eigentlich einen guten Modellbahnladen? Und woher hast Du die technischen Infos zur Tram?
Der Besuch in Porto lohnt sich auch aus Eisenbahn-Sicht wirklich. Wir waren Ende februar unterwegs, in der Vorsaison, wo noch nicht sehr viele Touristen im Lande waren. Man hat uns aber auch gesagt, dass das Wetter für die Jahreszeit außergewöhnlich gut sei.
Einen Modellbahnladen habe ich trotz intensiver Suche nicht gefunden. Dafür ist der Besuch im Museo do Carro Electrico (unten direkt an der Altstadt am nördlichen Ufer des Duoro) absolut lohnend. Die Daten über die Straßenbahnen habe ich auch von dort. Es ist an den zahlreichen Exponaten sehr vieles ausführlich erläutert (auch in englisch). Selbstredend kann man mit der Tram direkt dorthin fahren.
Was ich auch empfehlen kann ist ein Besuch am Hauptbahnhof Sao Bento. Ein architektonisches Meisterwerk, und mit interessantem Zugverkehr. Wir katten von dort auch die Gelegenheit wahrgenommen, mit dem Zug den Duoro hinaufzufahren bis hinauf nach nach Pinhao (etwa 150 km im Landesinnern). Habe von dort auch Fotos mitgebracht, die ich aber noch nicht hier eingestellt habe. Bahnfahren ist in Portugal sehr günstig. Portwein-Verkostung am Duoro nicht vergessen, wo man schon mal da unten ist.
Wünsche weiterhin viel Spaß auf der Reise.
Hans Martin
The Presidents, Chief Engineers, Finance Directors, Baggage Porters, and Yard Sweepers of the Benton Valley Railroad Line : viewtopic.php?f=64&t=109585