RE: Tender wild durcheinander getauscht...

#1 von Bügeleisenmann , 14.11.2019 18:27

Guten Tag die Runde!

Heute möchte ich mich in epischer Breite über über ein (für den gewöhnlichen Modellbahner) völlig uninteressantes Gebiet auslassen. Es geht hier also nicht um die DB der Epoche III, sondern um ein wenig beachtetes Anhängsel der geliebten Dampflok: Den Tender!

Ich möchte mich mal dem Thema aus einer Sicht näher, welche eher selten ist. Bei der sächsischen Staatseisenbahn (so ist zu lesen), waren Tender völlig unwichtig, wurden kaum fotografiert und auf Lokfotos oft abgeschnitten. Zudem gab es bei allen Länderbahnen deutlich weniger Tender als Lokomotiven. Ursache war die deutlich kürzere Aufenthaltszeit im Ausbesserungswerk. War der Tender nach 10 Tagen wieder fertig, hielten sich Dampfloks oft Wochen, manchmal Monate im RAW auf. So wie manche Dampflok in ihrem Leben 20 oder mehr verschiedene Kessel trug, so lernte sicher der durchschnittliche Dampfer Dutzende von Tendern kennen.

So war es nicht unüblich, daß Tender verschiedener Bauarten hinter den einzelnen preußischen Loks liefen und teils noch gute Tender von schnell ausgemusterten Schnellzugloks oder Fehlkonstruktionen im Personen- oder Güterzugdienst abgefahren wurden.

Ich gehöre nun zu den Modellbahnern, die wenige verschiedene Gattungen, dafür aber mehr als eine Lok der verwendeten Baureihen besitzt. Fünf E 91 etwa sprechen eine deutliche Sprache. Außerdem bin ich ein großer Freund preußischer Naßdampfloks und habe deshalb drei G 3 und sechs Lok der Gattung G 7.1. Da meine Anlage im Sommer 1928 spielt, sind die Loks schon über 30 Jahre alt und hatten mehrfache Umbauten hinter sich. Ich versuche also, den einzelnen Maschinen ein individuelles Aussehen zu geben. Dem Laien sind unterschiedliche Laternen, Pumpenanordnung usw nicht ersichtlich, unterschiedliche Tender dagegen fallen schon auf.

Und damit bin ich beim Hauptthema, die Ausstattung der Loks mit den verschiedenen Tendern. Ein Großteil der Arbeit kann mit schlichtem Tendertausch erledigt werden. Jetzt nicht schlich im Sinne von „einfach umschrauben“, denn da ist die Modellbahnindustrie nicht mit im Boot.

So sieht es dann in der Praxis aus: Eine frisch gekauft G 7.1, noch nicht angefaßt, gibt ihren Pikotender an eine G von M & F ab, dieser wird seines Kohlenkastenaufbaues beraubt und heiratet eine Brotanlok (Basis Piko), welche ihren Tender wieder ins RAW gibt. Dort wird der Getriebekasten schmaler gefräst, bekommt den GFN-Aufbau der G4.3, die auch wiederum eine Pikotender bekommt, der von der 55 131 stammt, die eine 2'2'T16 nach Musterblatt III5f erhält, den eine P 4.1 von Model Loco spendete. Diese erhält den Piko/GFN-Tender aus dem RAW. Das Tenderfahrwerk der G 4.3 wird in der Bucht versenkt, Teile der G 7.2 von ML werden mit Piko-Ersatzteilen aufgefrischt, usw, usf.

Nun zu den Beispielen, angefangen mit den G 3. Abgesehen davon, daß ich die Kesselaufbauten bei den zerlegten und neu aufgebauten Maschinen unterschiedlich gestaltet habe, sind auch die Führerhäuser jeweils anders.




Die vordere Maschine hat einen M&F-Tender mit einem SB-Fahrwerk, hier habe ich den Kohlenkasten halbleeer dargestellt.




Die mittlere Lok hat den originalen M&F-Tender und die hintere G 4.1 hat einen neubekohlten Pikotender erhalten. Im Hintergrund steht ein Pikotender mit Fleischmann-Aufbau.




Der Piko/GFN-Tender ist einmal für eine weitere G 3 vorgesehen, andererseits soll er die P 4.1 antreiben.





http://www.rbd-breslau.de/stummi-2019/Tenderbilder-021.jpg
http://www.rbd-breslau.de/stummi-2019/Tenderbilder-020.jpg


Die besagte G 4.3/ Br 53 von Fleischmann aus der Startpackung hat einen gruseligen Antrieb in der Lok. Den habe ich entfernt, den Führerstand gestaltet und einen Pikotender angehängt.




Richtig in Zeug habe ich mich aber bei den G 7.1 gelegt. Da wäre die 55 108, eine Essener Maschine. Ein schlichtes Arbeitspferd ohne Wunder, sie hat einen normalen Pikotender.




Ähnlich ist das bei der 55 411, daher gehen wir weiter zur 55 131.




Diese bekam den Tender der P 4.1, es gab zur Umzeichnung noch 9 Maschinen der BR 34.70, Tender dieser Bauart 2'2'T16 waren genug vorhanden. So sieht die G 7.1 richtig schnell aus und muß im anstrengenden Nahgüterzugdienst nicht so viel Wasser nehmen. 4 m³ mehr sind schon eine Erleichterung fürs Personal.

Interessant finde ich auch die Brotanlok, von der zwei Exemplare gebaut wurden.




Als Preußin hat sie noch den originalen Tender von 1905 dabei, der sich schon vom Pikotender unterscheidet.


Nun noch einmal ein Überblick über die Tender:

Der Vierachser nach Musterblatt III5f:








Der III5b der Brotanlok, ich würde ihn als 3T10,5 bezeichnen, originaler Aufbau von M&F, lediglich die ab 1915 nachgerüstete Kohlenkastenerhöhung wurde abgeschnitten:




Der Tender der G 3/ 53 7081, ebenfalls M&F mit neu gestaltetem Kohlenkasten.






Eine andere Variante des flachen Tenders, hier eher ein III5c als 3T12, entstanden aus Pikounterteil, ausgefräst, daß ein Wasserkastendeckel von Model Loco paßt.




Hinter der 53 7082, einer G 4.1 von M&F werkelt ein Pikotender, dessen Kohlenberg ich abgefräst und neu mit Echtkohle angefertigt habe.




Der gewöhnliche Pikotender, lediglich mit freistehenden Griffstangen und einenm Gaskessel ausgestattet.




Der Pikotender läßt sich auch problemlos mit dem Aufbau von ML ausrüsten. Hier treibt er eine G 7.3 an.




Der Originale Tender von M&F, es gab ich mit Antrieb, aber auch ohne.







Eine weitere Variante ist eine Kriegslok, eine 1916 nachgebaute G 7.1, welche den Tender der G 8.1 bzw G 10 bekamen. Die Lok liegt noch auf der Werkbank und wird demnächst die Aufstellung vervollständigen.

Das als erste Ausführung, ich werde den Text noch ergänzen, überarbeiten, korrigieren, in gerechte Sprache übersetzen, wie es mir beliebt.

Andreas


Brumfda und Bayrische-Localbahn haben sich bedankt!
 
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RE: Tender wild durcheinander getauscht...

#2 von Jochen53 , 14.11.2019 18:43

Hallo Andreas,

eine sehr interessanter und gut recherchierter Beitrag. Dieses Austauschen hat es ja fast bis zum Ende der Dampflokzeit gegeben (P 8 mit Wannentender). Wobei ich mich frage, waren die Verbindungen zwischen Lok und Tender eigentlich irgendwie genormt, oder mußten die AWs da Anpassungen vornehmen?

Viele Grüße, Jochen.


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RE: Tender wild durcheinander getauscht...

#3 von Thilo , 14.11.2019 18:59

Hallo Andreas,

danke für den interessanten Beitrag.

Ich war vor längerer Zeit über eine größere Anzahl preußischer Loks (meist Güterzugloks wie G8.1 oder G10, aber auch zumindest eine P8 ) mit bayrischen Tendern während des 2. Weltkrieges gestolpert (die meisten Funde hatte ich im Buch "Die Deutsche Reichsbahn 1939-1945" von Andreas Knipping und Reinhard Schulz entdeckt).

Ich muß gucken, ob ich meinen damaligen Fragethread wiederfinde.

EDIT ist überrascht, daß gleich der erste Suchtreffer richtig war:

https://stummiforum.de/viewtopic.php?t=21907

Liebe Grüße

Thilo


Meine Modulanlage mit Bf. "Königsförde"


 
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RE: Tender wild durcheinander getauscht...

#4 von T13 , 14.11.2019 19:14

Moin Andreas,

toller Beitrag von Dir

Die Tender der preußischen Loks sind ja fast eine Wissenschaft für sich. Und die Grossserienhersteller tun sich mit den richtigen und möglichen Tendern öfter mal schwer


MiniMax-Grüße
Tjark


 
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RE: Tender wild durcheinander getauscht...

#5 von silz_essen , 15.11.2019 08:13

Hallo zusammen,

(vergleiche meinen Beitrag im Thread "Wünsch Dir was von den Herstellern")
... und wenn es jetzt genormte Lok-Tender-Kupplungen gäbe, wäre der Tausch ein Kinderspiel ...

Gruß
Martin


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RE: Tender wild durcheinander getauscht...

#6 von Elokfahrer160 , 15.11.2019 08:33

Hallo Andreas,

ein sehr sachlicher, guter Beitrag, gefällt mir. Nach dem Ansehen deiner tollen Bilder sind mir 2 Fragen in den Modellbahner-Sinn gekommen:

- Welche Kohle verwendest du beim " Aufmotzen der alten Tender " ??
- Woher bekommt man einzelne Tender, evtl. beim Ausschlachten defekter Dampflokmodelle ??

Ich kenne sonst bei der Modellbahnindustrie nur alte, kaufbare Tender als Wasserwagen ( Liliput ) oder als Schneeräumer, daher meine
Fragen. Gerne mit weiteren Umbaubildern

Gruss - Elokfahrer160 / Rainer (letzter Neuzugang, FL Nr. 1827 , eine BR 39 103)


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RE: Tender wild durcheinander getauscht...

#7 von Bügeleisenmann , 17.11.2019 17:17

Guten Abend!

Zitat


Wobei ich mich frage, waren die Verbindungen zwischen Lok und Tender eigentlich irgendwie genormt, oder mußten die AWs da Anpassungen vornehmen?



Bei Preußens waren die Kuppeleisen und Schlauchverbindungen genormt, soweit man das sagen kann. Die Reichsbahn hatte auch einen Einheitskuppelkasten, inwieweit der preußische und der der DRG ohne Anpassung kompatibel waren, weiß ich nicht. Es sind in der DDR einige 44er mit preußischen Tendern unterwegs gewesen.

Andreas


 
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RE: Tender wild durcheinander getauscht...

#8 von Bügeleisenmann , 17.11.2019 17:25

Tach!

Zitat


- Welche Kohle verwendest du beim " Aufmotzen der alten Tender " ??




Die gleiche, wie bei meinen Güterwagen.
Es gab vor ein paar Jahren mal eine "Kohlenklasse" im Ruhrgebiet. Die haben, um den Suff für ihre Abschlußfeiern (vielleicht auch die Klassenfahrt) zu finanzieren, als Schulprojekt echte Steinkohle gemahlen, gesiebt und verkauft. Davon habe ich mir welche für TT und H0 kommen lassen und die sind gut.
Soweit ich weiß, ist der Lehrer nun Rentner und das Projekt ist tot.


Zitat


- Woher bekommt man einzelne Tender, evtl. beim Ausschlachten defekter Dampflokmodelle ??




Als Märklinist, wo die Loks oft den Antrieb tragen, wären sicher Ersatzteile eine Variante. Der 34er Tender der 03/41, hat der mehr als 14 Teile? Sonst muß man tatsächlich in der Bucht fischen gehen.

Andreas


 
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