Hallo Steve,
ich denke mal, das Ganze muss man etwas differenzieren. Du stellst schon richtig fest, dass seit der Einführung der Drehstromtechnik mit der Baureihe 120 im Bereich der elektrischen Antriebstechnik das Konzept unverändert geblieben ist. Bis heute ist dieses Prinzip, auch wie die Motoren angesteuert werden, nicht mehr verändert worden. Auch bei den vor allem für den Laien offensichtlichen technischen Daten gab es wenig Veränderungen. Elektrisch gab es schon einige Veränderungen wie die Umstellung von GTO-Thyristoren auf IGBT, aber auch die Einführung von Mehrsystemfähigkeit.
Aber auch gerade aus Sicht des Schienenfahrtzeugbaus (auch wenn ich mich damit nur bedingt auskenne) gab es viele Fortschritte wie die Einführung von Monoblock-Radsätzen, der konsequente Einsatz von Scheibenbremsen, neuen Fahrwerkskonzepte (nenne ich jetzt mal so) wie neu entwickleten Hohlwellantriebe für BR 101 und Taraus, aber auch so etwas wie den Ritzelhohlwellenantrieb vom Vectron und Tatzlagerantriebe, die bis 160 km/h zugelassen sind.
Wie der Weg da nun weitergeht, ist schwer absehbar. Für den elektrichen Teil sage ich mal: Vermutlich ist es möglich, noch einmal ein völlig neues Konzept für den Antrieb elektrischer Schienenfahrzeuge zu entwickeln, mit dem sich Fahreigenschaften und Wirkungsgrad optimieren ließen. Es gibt da wohl auch schon Konzepte in der elektrischen Antriebstechnik, die aus der Industrie stammen. Dafür müsste man allerdings ein großes Forschungsvorhaben starten, was durch die derzeitige Struktur der Eisenbahnindustrie erschwert wird. Man muss bedenken, dass an der Entwicklung der heutigen Technik in den 1970er Jahren über hundert Ingenieure beteiligt waren. Dies war damals durch eine Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen, den Unternehmen in der Industrie und der Bundesbahn möglich. Wie weit Optimierungen möglich sind, kann man hier noch nicht sagen, große Sprünge (beim Wirkungsgrad absolut in Prozent gesehen) sind nicht mehr zu erwarten. Insofern denke ich, dass auf absehbare Zeit kein entsprechendes Forschungsvorhaben gestartet wird, zumal der Bahn derzeit wohl auch die politische Bedeutung für die Vergabe solcher Forschungsmittel fehlt. Rein aus Energiesystemsicht ist es neben der politischen Fokusierung auf die Energiewende wohl auch sinnvoll, die Erzeugung elektrischer Energie beim Bahnstrom auf eneuerbare Energien umzustellen, da hier einfach mehr Potential vorhaden ist.
Den Schienenfahrzeugbau lasse ich mal außen vor. Da wissen vielleicht andere mehr.
Ein Trend, der aber derzeit zu beobachten (auch gerade vor zwei Wochen auf der Innotrans) ist, ist die Ausrüstung von elektrischen Schienenfahrzeugen mit Dieselmotoren, damit diese abseits von elektrifizierten Strecken fahren können. Nachdem hier zu Beginn vor allem die sog. Last-Mile-Technik zum Befahren von Gleisanschlüssen mit geringer Leistung und geringen Geschwindigkeiten vorgestellt wurde, sind nun auch vollwertige Zweikraftfahrzeuge (aktuelle Beispiele: Stadler Eurodual HVLE, FLIRT BMU) erhältlich. Der Fokus liegt derzeit also vor allem dort, wo der Wirkungsgrad wesentlich niedriger als bei aktuellen Elektroloks ist: dem Dieselmotor. Hier können wir gespannt sein, was die Industrie in nächster Zeit auf die Schiene stellen wird. Das gilt auch für alternative Antriebe wie batterieelektrische Konzepte und die Wasserstofftechnik.
Wie immer gilt: Ich habe die Weiheit nicht für mich gepachtet, sodass gerne kritisch diskutiert werden kann.
Viele Grüße
Jan-Peter