RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#1 von Werner Mugler , 26.02.2019 07:37

Hallo zusammen
Die Ursachenforschung nach der ICE Entgleisung hat ja ergeben, dass sich eine Weiche unter dem fahrenden Zug - also zwischen 2 Drehgestellen - verstellt hat. So etwas kenne ich bisher nur bei der Modellbahn. Also mir ist das schon einige Male passiert, dass ich eine Weiche zu spat bzw zu früh gestellt habe. Wenn das zwischen 2 Drehgestellen eines Waggons passiert, fährt halt der hintere Zugteil einen anderen Weg als der vordere und der eine Waggon stellt sich eben quer und will beide Wege fahren.
Sollte das in Basel aber durch irgendwelche Hackerei geschehen sein, dann "gute Nacht". Denn das wären dann äußerst gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr. Vielleicht können IT-Experten und Bahn-Experten sich einmal dazu äußern. Nur durch glückliche Umstände ist da jetzt nicht mehr passiert.


Herzliche Grüße, Werner


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#2 von supermoee , 26.02.2019 08:22

Hallo Werner,

das passiert öfter, als du denkst. Die Fahrdienstleiter sind auch nicht mehr das, was sie früher waren. Hier ein Bild aus Freiburg im letzten Jahr:



kurze Zeit später, beim gleichen Fahrdienstleiter, eine tolle Flankenfahrt:



Genauso wie bei der Modellbahn.

Das hat nichts mit Hackern zu tun, sondern ganz einfach mit menschlichem Versagen.

Gruss

Stephan


Der Trend geht deutlich zur Zweitanlage hin.


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#3 von Dölerich Hirnfiedler , 26.02.2019 08:28

Hallo Werner,

Experten werden sich zu solch substanzlosen Spekulationen sicher nicht äußern, sondern den offiziellen Untersuchungsbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST abwarten.

mfg

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Aus einem Märklin-Patentantrag von 1975.


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#4 von privatbahner , 02.03.2019 19:03

Dem kann ich mich nur anschliessen! Ich empfehle dir mal eine ausführliche Lektüre auf
www.stellwerke.de
Dort werden die wesentlichen Grundlagen der Stellwerktechnik so erklärt, dass sie auch für interessierte Laien verständlich sind.
Grüsse Privatbahner


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#5 von Dölerich Hirnfiedler , 16.09.2019 20:30

Hallo zusammen,

Hier nun der offizielle Untersuchungsbericht: https://www.sust.admin.ch/inhalte/BS/201...asel_Bad_Bf.pdf

mfg

D.



Aus einem Märklin-Patentantrag von 1975.


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#6 von Werner Mugler , 18.09.2019 13:50

Vielen Dank, Dölerich,
also menschliches Versagen. aber die Funkumschaltung SBB und DB müsste wohl verbessert werden, hätte aber die Entgleisung wohl nicht verhindern können wegen des Bremsweges, oder?


Herzliche Grüße, Werner


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#7 von Brillenhuber , 18.09.2019 15:27

[quote="Werner Mugler" post_id=2012119 time=1568807422 user_id=300]
Vielen Dank, Dölerich,
also menschliches Versagen. aber die Funkumschaltung SBB und DB müsste wohl verbessert werden, hätte aber die Entgleisung wohl nicht verhindern können wegen des Bremsweges, oder?
[/quote]

Die Eisenbahn fuhr 150 Jahre lang nicht mit Funk. Alle damals entwickelten Anlagen sollten eigentlich nicht auf die "Notbremse" Funk angewiesen sein.
Der Hammersatz ist der:

Zitat
Es gibt eindeutige Vorgaben der DB Netz AG an den Fahrdienstleiter, unter welchen
Voraussetzungen eine Zugfahrstrasse hilfsaufgelöst werden darf. Der Mechanismus
dieser Vorgabe soll sicherstellen, dass ein automatisches Ansteuern
von Fahrstrassenelementen oder eine erneute Fahrstrasseneingabe keine Risiken
aufweist. Es gibt keine weiteren Abhängigkeiten, unter welchen Voraussetzungen
Fahrstrassenelemente erneut angesteuert werden können, nachdem eine Fahrstrassenhilfsauflösung
vorgenommen wurde.
Die Absicherung des Risikos nach einer Fahrstrassenhilfsauflösung basiert einzig
auf einer schriftlichen Vorgabe für den Fahrdienstleiter, die vor der Hilfsauflösung
zu beachten ist.



Also: Es steht in einer Richtlinie und damit hat es sich.
Nicht mal Checklisten, für solche Fälle, die in der Schweiz gesetzlich vorgeschrieben sind, hat man,
geschweige denn Vorschriften, dass nach einer Störung Fahrt auf Sicht vorgeschrieben ist.
Oder, eine 2 Minütige Zwangspause, wenn eine Fahrstrasse Not-aufgelöst wurde.

Nur so ist es erklärlich, dass Aibling geschehen konnte.
In Deutschland wird das Lokpersonal extrem mit dem PZB Sifa etc, bis drei Stellen hinter dem Komma, überwacht und sofort, wenn was ausfällt, muss er einen zweiten Mann in den Führerstand nehmen, während im Stellwerk irgendwo ein einsamer FDL ist, dem es langweilig ist, vor sich hindaddelt und so zwei Züge mit einem Ersatzsignal auf sich zurasen lassen darf. Keine einzige weitere Restriktion.

Warum zum Teufel genügt beim Stellwerkpersonal eine Ril in der steht "Sie dürfen nicht" und beim Fahrpersonal ist man so pingelig?
Bei Gleichbehandlung der beiden Berufsgruppen, würde es ja genügen in der Ril zu schreiben: "Bei Rot müssen sie anhalten!"
Man könnte Milliarden sparen und das ganze PZB und ETCS und SIFA einsparen..

Vergessen wir nicht: Der FDL ist vielfach genau so alleine auf dem Stellwerk, wie der Lokführer auf dem Führerstand.
Gruss Heinz


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#8 von Brillenhuber , 18.09.2019 15:36

[quote="Werner Mugler" post_id=2012119 time=1568807422 user_id=300]
Vielen Dank, Dölerich,
also menschliches Versagen. aber die Funkumschaltung SBB und DB müsste wohl verbessert werden, hätte aber die Entgleisung wohl nicht verhindern können wegen des Bremsweges, oder?
[/quote]

Die Frage ist aber von wem:
3.1.2

Zitat
Der Fahrdienstleiter wollte die Fahrstrasse eines stehenden Zuges hilfsauflösen
und neu einstellen, wodurch auch die Fahrstrasse des noch fahrenden
Zuges hilfsaufgelöst und die gefährdende Fahrstrasse eingestellt wurde.



Wusste er das?, dass er mit einer Auflösung einer andern Fahrstrasse eine weitere auch auflöste?
Gruss Heinz


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#9 von Railwolf , 20.09.2019 08:50

Hallo,

ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist: obwohl ein Zug über der bewußten Weiche unterwegs war, gab es zum Zeitpunkt der Umstellung keine Belegtmeldung. Wäre der Melder aktiv gewesen, hätte er die Weiche blockiert.

Das ist m.W. auch die von Heinz bemängelte Sicherheit: daß eine Fahrstraße, die als belegt gemeldet ist, nicht zurückgenommen werden kann und ein Fahrstraßenelement bei sukzessiver Freigabe der Elemente erst umgestellt werden kann, wenn es freigegeben ist.

Und da stellt sich für mich als Laien und Modellbahner die Frage, warum der Melder so beschaffen ist, daß unter dem fahrenden Wagen Meldelücken auftreten.


Mit vielen Grüßen

Wolf 🐺


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#10 von Brillenhuber , 20.09.2019 11:24

Zitat

Hallo,

ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist: obwohl ein Zug über der bewußten Weiche unterwegs war, gab es zum Zeitpunkt der Umstellung keine Belegtmeldung. Wäre der Melder aktiv gewesen, hätte er die Weiche blockiert.


Hallo
Das stimmt so nicht: Als der Abschnitt belegt wurde, war die Weiche bereits im Umstellvorgang. Die Zeit zwischen dem Sensor und der Weiche reichte nicht für einen korrekten Umstellvorgang. Das wurde mittels der Strommessung nachgewiesen.

Zitat

Das ist m.W. auch die von Heinz bemängelte Sicherheit: daß eine Fahrstraße, die als belegt gemeldet ist, nicht zurückgenommen werden kann und ein Fahrstraßenelement bei sukzessiver Freigabe der Elemente erst umgestellt werden kann, wenn es freigegeben ist.


Eine Fahrstrasse die als belegt gemeldet ist, kann nicht mit der normalen Betriebsauflösung zurückgenommen werden. Da muss in jedem Fall eine Plombe gerissen werden und danach rapportiert werden, bzw. in der Schweiz, vorher eine Checkliste ausgefüllt werden.
Plomben:
Hier an einem Schalterwerk der RhB zu sehen im Keller des Bahnmuseums Bergün:
https://www.flickr.com/gp/r_walther/H06fQ0
Hier am letzten mechanischen Stellwerk der SBB im RB Biel:
https://flic.kr/p/FWPTDK
Sogar die alten Weichenhebel wurden mit elektrischen Verschlüssen nach gerüstet, damit sie nicht zur Unzeit umgestellt werden können:
https://flic.kr/p/GsafKY Die braunen Kästen beinhalten einen Magneten, der auf die Weichen- und Signalhebel (rot) einwirken.
hier die Überischt: https://flic.kr/p/FWPzC4
Manipulationen sind nur möglich, wenn der plombierte Deckel geöffnet wird und mittels Schlüssel manipuliert wird.

Bei den Drucktastenstellwerken ist es so, dass die Zugfahrstrasse sich aus Rangierfahrstrassenteilen zusammenstellt und die dann verschlossen werden und durch das Ziehen des Signals auch gesichert werden. Beim Auflösen wird das bereits befahrene Stück wieder freigegeben und kann sofort für eine weitere Fahrstrasse verwendet werden. Das nennt man abschnittweise Auflösung einer Fahrstrasse.
Der FDL muss also nicht warten, bis der Zug am Haltegleis angekommen ist, dann den Signalhebel in Grundstellung bringen, dann den Fahrstrassenhebel zurücknehmen, und erst dann die Weichen für eine weitere Fahrstrasse zu stellen. Zum Verständnis: Bei den alten Stellwerken kontrolliert und verschliesst ein Element immer das vorhergehende: Die Weichenhebel müssen richtig stehen, damit der Fahrstrassenhebel eingestellt werden kann. Der verschliesst dann alle Weichenhebel, die mit der Fahrstrasse zu tun haben. Der Fahrstrassenhebel gibt den Signalhebel frei, der seinerseits den Fahrstrassenhebel verschliesst. Ein gezogenes Signal kann übrigens immer auf Halt gesetzt werden. Der Signalhebel ist also nicht verschlossen!

Zitat

Und da stellt sich für mich als Laien und Modellbahner die Frage, warum der Melder so beschaffen ist, daß unter dem fahrenden Wagen Meldelücken auftreten.


Für diesen Fall, war der Melder am falschen Ort!


Gerade gestern war ich an einer Fachtagung, wo unter anderem auch über Stellwerktechnik gesprochen wurde.
https://www.trelco.ch/fileadmin/user_upl...g_Web_FINAL.pdf
Der Herr Jörg Grote, von Hanning & Kahl beschrieb das Stellwerk, das in der Gleisanlage des Stahlwerk Emmenbrücke eingebaut ist und wie es funktioniert.
Die Fahrwege werden durch die Rangierer selber per Schlagtaster, oder per Funk selber gestellt. Alle am Stellwerk angeschlossenen Wichen sind so überwacht, dass eine Weiche, abgestimmt auf die V Max 30km/h, noch umstellen kann, wenn der Achszähler belegt wird, und die Komposition am anrollen ist.

Dasselbe war und ist in der Schweiz durchaus Stand der Technik: Im alten Bahnhof Bauma, waren alle Weichen mit einer Vorisolierung ausgerüstet, die sich auf etwa 15 Metern erstreckte. Aus dem Gleis B1 Stumpengleis gab es einen Übergang aufs Gleis A1, das durchgehend war. Der Dampfzug fuhr ins Gleis B1 ein, und schob nach dem Aussteigen die Komposition an den Berg zurück, und fuhr dann über diese Verbindung ans Wasser. Der Rangierer liess dann den Zug, nach Freigabe durch as Stellwerk, zum Prellbock zurücklaufen. Es kam hin und wieder vor, dass die Freigabe erteilt wurde (durch Rangierhupe oder Winken), aber vergessen wurde die Weiche umzustellen. Wenn du das Pech hattest, dass die erste Handbremse am hinteren Wagenende war, konntest du mitunter in die Vorisolation reinfahren bevor du die Komposition zum halten gebracht hattest. Dann musstest du warten, bis die Lok Wasser gefasst hatte und dann musste sie den Zug zurückdrücken und umfahren.

Einmal ist das spät am Abend passiert, als die Lok schon abgerüstet vor dem Depot stand.
Ja was macht man nun? Plombe Ziehen?
Nö! Der Statiönler kam mit ein paar Bogen Papier raus, legte die vor dem Rad aus und der Zug (es war nur eine Achse in der Isolierung) rollte präzise mit dem Rad drauf, hielt, und schon konnte man die Weiche umstellen
Das Verfahren war natürlich nicht unter Publikumsblicken geeignet.

Hier nochmals in Biel, die Gleistafel:
Alles was gelb ist, ist mit Isolierungen geschützt.
https://flic.kr/p/GSfkE8
Du siehst, dass fast alle Weichen lange vor der Zunge geschützt sind.
Im Betrieb: Zurzach, das zweitletzte mechanische Stellwerk in der Schweiz:
https://www.flickr.com/gp/r_walther/aeA3U5
Der Zug ist im Gleis 3 eingefahren, das ist durchgehend isoliert. Er steht aber die Weiche rechts ist frei. Gegen die Strecke haben beide Weichen eine Vorisolierung, die separat angezeigt wird. Da die Anlage keine gleichzeitigen Einfahren zulässt, konnte man auf eine Vorisolierung innerkalb der Stationsgleisen, zugunsten der nutzbaren Länget, verzichten.
Gruss Heinz


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#11 von Railwolf , 20.09.2019 23:42

Hallo Heinz,

wir meinen das Gleiche.

Zitat

Für diesen Fall, war der Melder am falschen Ort!



Ganz genau.

Der vordere Triebkopf und der erste Wagen hatten den Melder bereits ausgelöst, aber offensichtlich ist er zwischenzeitlich, nämlich unter dem später entgleisten Wagen, "nicht belegt" gewesen. Dadurch war die Umstellung der Weiche nicht verhindert.
Und das, meine ich, dürfte nicht möglich sein.


Mit vielen Grüßen

Wolf 🐺


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#12 von privatbahner , 29.09.2019 20:28

Es bringt nichts hier lange Exkurse über veraltete mechanische Stellwerke, elektromechnische Schalterwerke oder Werksbahnstellwerke zu führen. Sie sind für den Unfall in Basel nicht relevant, weil es sich bei den ersteren um total veraltete (eigentlich Schrott-) Stellwerkbauarten handelt und für Werksbahnstellwerke andere Sicherheitsanforderungen gelten. Basel Bad Bf. ist mit einem SpDrS Bauart DB ausgerüstet, einem Relaisstellwerk in Spurplantechnik, welches eigentlich als zuverlässig und sicher gilt. Die SUST erwähnt als wesentlichen Unfallgrund den fehlenden Notauflösungs Zeitverschluss (NAZ), der verhindert, dass unmittelbar nach einer Notauflösung wieder eine neue Fahrstrasse gestellt werden kann.In der Schweiz gehört der NAZ mit einer Sperrzeit von 2 Minuten bei allen Stellwerken ab Do67 und SpDrS zur Standardausrüstung. Er kann nur durch einen Stellwerktechniker mit einem Schlüsselschalter im Technikraum protokollpflichtig deaktiviert werden, z.B. um Prüfarbeiten zu erleichtern. Eine andere geradezu brandgefährliche Einrichtung ist der von der SUST ebenfalls erwähnte automatische Rücklauf von Stellwerkelementen in die Vorzugslage bei einer Notauflösung. Wenn eine Weiche, wenn möglich noch unter Umgehung eines belegten Gleisfreimelders (GFM), unter einem fahrenden Zug umlaufen kann, braucht man sich über solche Unfälle nicht zu wundern. Die SUST weist denn auch explizit darauf hin, dass dies in Deutschland bereits für einige ähnliche Unfälle gesorgt hat. Ob dem auch hier so ist wird von der SUST nicht erwähnt, aber ganz sicher ist der GFM nicht wie von Heinz behauptet am falschen Ort, das ist Nonsens. Die Gleisfreimelde Einrichtung hat ja gerade dafür zu sorgen, dass keine Weiche unter einem Fahrzeug (egal ob stehend oder fahrend) umgelegt oder eine Zugfahrstrasse über einen belegten Abschnitt gestellt werden kann. Die GFM kann über Gleisstromkreis (GSK) oder Achszähler (AZP) gelöst werden, beide Systeme sind in stellwerke.de beschrieben. In der Schweiz darf ein Abschnitt nicht kürzer als 22m sein, damit gewährleistet ist, das auch bei langen Wagen sich immer eine Achse zuverlässig in einem Abschnitt befindet und kein Abschnitt unter einem Fahrzeug zwischen den Achsen frei wird und damit eine unzeitige Auflösung einer Fahrstrasse auslösen und eine bereits gespeicherte Fahrstrasse einlaufen kann. Ein GSK zeigt ein belegtes Gleis immer zuverlässig an, der AZP kann durch fehlerhafte Notbedienung freigemacht werden, auch wenn ein Fahrzeug darauf steht, dies war auch die Unfallursache in Sihlbrugg, wo der Dampftriebwagen auf einen stehenden Schotterwagen auffuhr. Ein weder anlagekundiger noch entsprechend qualifizierter Mitarbeiter einer Gleisbafirma hatte den Abschnitt freigemeldet, worauf der Fdl den Abschnitt mit Notbedienung in Grundstellung brachte. Seither müssen GFM mit Achszählern nach einer Grundstellung mit Notbedienung von einem Baudienstfahrzeug aus Sicht abgefahren oder zu Fuss abgelaufen werden.
Nach über 30 Berufsjahren in der Stellwerktechnik weiss ich zur Genüge, dass früher oft gefährlicher Murks wie der von Heinz erwähnte mit dem Unterlegen von Papier getrieben wurde. Nur gross hervortun würde ich mich hier im Forum damit nicht, es ist eine unzulässige Manipulation einer in Betrieb stehenden Sicherungsanlage und eine Gefährdung des Bahnverkehrs und somit auch damals eine strafbare Handlung. ich weiss aber auch, dass in der Epoche nicht wenige Bahnmitarbeiter ein mehr oder weniger grobes Alkoholproblem hatten und Stationsbeamte die Zugpausen gern in den Bahnhofsgaststätten verbrachten. Es gab deshalb Wirtinnen, die in der Bedienung der Stellwerke "instruiert" waren, verbürgt ist die frühere Wirtin von Thalheim-Altikon. Weder das Eine noch das Andere ist ein Ruhmesblatt für die damalige Generation von Eisenbahnern.
Grüsse Privatbahner


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#13 von Brillenhuber , 30.09.2019 13:10

Tja lieber Privatbahner
Man kann jetzt darüber spekulieren, ob eine Vorisolierung den Unfall verhindert hätte oder nicht.
Insofern revidiere ich meine Aussage: Die Weichenbelegung war vom Sensor her sicher korrekt. Aber das vor der Weich nix mehr da war, darüber kann man diskutieren. Und auch, dass man eine Fahrtrasse auflösen kann, wenn man eine andere Fahrstrasse auflöst.
Wenn sie es hätte, dann ist das Stellwerk falsch konzipiert. Das Spurplanstellwerk hat "60" in der Bezeichnung, das deutet drauf hin, dass es von der Konzeption auch schon bald 60 Jahre auf dem Buckel hat. So taufrisch ist es also nicht.
Ja, das mit dem Papier war eine Manipulation. Ja, es war nicht Konform und verboten. Welcher Straftatsbestand da zum Tragen gekommen wäre, müsstest du mir aber angeben. Das Ganze ist nämlich fast 40 Jahre her.
Ja, ich kannte auch einige, die Ihre Probleme mit Saufen hatten. Trauriges Beispiel ist Rangier in Wil.
Ich bin zu der Zeit, als man noch die Loks nachts durchheizte oft im Stationsbüro gewesen. Es hat nie jemand getrunken.

Und: Manipulationen passierten auch gerne beim Stellwerkdienst. Ich kann dir gerne einen Lokführer angeben, der in St. Gallen in der äusseren Einfahrt offen hatten und als er um die Ecke kam einen Zug in seinem Gleis sah: Der Stellwerkdienst war am Werk und hatte eine Fehlmanipulation durchgeführt. Da es damals noch keine SUST gab, und weiter nichts passierte, weil der Bremsweg noch reichte, wurde alles unter den Tisch gewischt.
Ich weiss auch, dass die heute so modernen Achszähler halt ihre Probleme haben: Mit der Uralttechnik Gleisstromkreis, wäre die Falschmeldung des Bauchlütteris in Sihbrugg nicht unerkannt geblieben. Denn ein belegtes Gleisstück hätte nicht so schön über Iltis vom Flughafen her rückgestellt werden können. Da hätte mal einer nachschauen müssen.

Und ehrlich gesagt: Warum zum Teufel kann bei dem von dir so hochgelobten Surplanstellwerk eine Fahrstrasse aufgelöst werden, wenn man eine andere Fahrstrasse auflöst? Ich dachte, ein Grundsatz ist, "eine eingestellte Fahrstrasse ist verschlossen."
Gruss Heinz


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#14 von Railwolf , 02.10.2019 07:17

Moin, seggt de Buur, wenn he inkömmt. (Und seggt ook sin Nam, dat he nich Buur rööpt ward.)

Guten Morgen, "Privatbahner".

Hast du den Bericht der SUST wirklich gelesen, oder nur auf die Beiträge hier im Forum reagiert?

Zitat

Wenn eine Weiche, wenn möglich noch unter Umgehung eines belegten Gleisfreimelders (GFM), unter einem fahrenden Zug umlaufen kann, braucht man sich über solche Unfälle nicht zu wundern. Die SUST weist denn auch explizit darauf hin, dass dies in Deutschland bereits für einige ähnliche Unfälle gesorgt hat. Ob dem auch hier so ist wird von der SUST nicht erwähnt, aber ganz sicher ist der GFM nicht wie von Heinz behauptet am falschen Ort, das ist Nonsens. Die Gleisfreimelde Einrichtung hat ja gerade dafür zu sorgen, dass keine Weiche unter einem Fahrzeug (egal ob stehend oder fahrend) umgelegt oder eine Zugfahrstrasse über einen belegten Abschnitt gestellt werden kann. Die GFM kann über Gleisstromkreis (GSK) oder Achszähler (AZP) gelöst werden, beide Systeme sind in stellwerke.de beschrieben. In der Schweiz darf ein Abschnitt nicht kürzer als 22m sein, damit gewährleistet ist, das auch bei langen Wagen sich immer eine Achse zuverlässig in einem Abschnitt befindet und kein Abschnitt unter einem Fahrzeug zwischen den Achsen frei wird und damit eine unzeitige Auflösung einer Fahrstrasse auslösen und eine bereits gespeicherte Fahrstrasse einlaufen kann.



Genau das ist aber passiert: die Weiche war nicht als besetzt gemeldet, obwohl schon Teile des Zuges darüber gefahren waren. Also ist wohl der überwachte Abschnitt der GFM kürzer als der Achsabstand des ICE. Und damit war - das ist das Problem! - für die Stellwerkstechnik die Weiche 194 eben nicht "unter einem fahrenden Zug".

Von "Umgehung eines belegten Gleisfreimelders" steht in dem Bericht nichts; woher nimmst du diese (meiner Ansicht nach den Vorwurf einer kriminellen Handlung darstellende) Behauptung?


Mit vielen Grüßen

Wolf 🐺


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RE: ICE Entgleisung Basel wie bei Modellbahn

#15 von privatbahner , 02.10.2019 21:16

Ich habe den Bericht sehr wohl genau durchgelesen
Die Ursache ist nicht ein zu kurzer GFM. Das Bild von W194 auf Seite 10 belegt, dass der GFM mit Sicherheit länger ist als die minimal vorgeschriebenen 22m und es ist ein GSK. Weshalb komme ich zu dem Schluss? (das nötige Fachwissen, wie ein GSK aufgebaut ist und funktioniert setze ich jetzt mal voraus) Im rechten Strang der Weiche sind unmittelbar vor dem Herzstück in beiden Schienen die Isolierten Stösse zu erkennen, die die isolierten von den nicht isolierten Schienen trennen. D.h. die rechte Schiene ist isoliert, diese läuft ab 0.8m (gem Bericht) vor der Weichenzunge im abzweigenden Strang bis zum Isolierstoss und auf dem anderen über das Herzstück weiter in die nach dem Herzstück weiterführenden Schienen. Das Ende des GSK ist im rechten Strang einige Meter nach dem Sicherheitszeichen im Situationsplan auf S9 unmittelbar beim B der ETCS Nummer von Sig.1S* als Querstrich zum Gleis schwach erkennbar. Aus dem im Bild erkennbaren Teil von W194 schliesse ich, dass der Abzweigradius 300m oder mehr beträgt. Im SUST Bericht wird das nicht erwähnt und auch sonst konnte ich nirgends einen Plan oder Angaben finden die Klarheit schaffen. Aber bereits in einer Weiche mit Abzweigradius 300 ist es rein konstruktiv nicht möglich einen GSK kürzer als 22m zu machen, deshalb ist er hier mit Sicherheit deutlich länger. Weiter haben die Sig K403 und L503 in der Gegenrichtung nur eine Fahrt 2 und 6. Beides bedeutet eine Vmax von 40km/h. Ich gehe davon aus, dass auch in der Fahrtrichtung Basel Bad - Basel SBB, die der ICE fuhr, keine höheren Vmax signalisiert sind.
Als Ursache wird der fehlende NAZ genannt, der verhindert, dass unmittelbar nach Hilfsauflösen wieder eine neue Fahrstrasse gestellt werden kann. Die SUST bezeichnet dies völlig zurecht als Sicherheitsdefizit:

"4.2.1.1 Sicherheitsdefizit
Es war möglich, innerhalb kurzer Zeit eine Zugfahrstrasse hilfsaufzulösen und eine andere Zugfahrstrasse einzustellen, bei der Weichen einer zuvor hilfsaufgelösten Zugfahrstrasse umgesteuert wurden. Es gab kein Erfordernis, vor dem erneuten Einstellen dieser Zugfahrstrasse beispielsweise eine Sperrzeit abzuwarten oder eine zweite Bedienhandlung auszuführen."

Wenn ich von einer Umstellung von W194 unter Umgehung gesprochen habe ist nicht eine bewusste Betätigung durch den Fdl gemeint sondern ein Rückschluss aus untenstehender Feststellung, ebenfalls aus 4.2.1.1:

"Es gibt Sicherungsanlagen, die teilweise auch Fahrstrassenelemente enthalten, die nach einer Hilfsauflösung automatisch unmittelbar in eine Vorzugslage umgestellt werden. In Deutschland hat dies auch bereits zu ähnlichen Ereignissen geführt."

Ich habe daraus geschlossen, dass nach einer Hilfsauflösung eine Weiche automatisch und unmittelbar in Vorzugslage umläuft ggf. auch unter Umgehung eine belegten GFM. Aber das war nicht die Ursache.

Ursache war, dass mit dem Hilfsauflösen der Fahrstrasse des nachfolgenden Zuges auch die Fahrstrasse des fahrenden ICE aufgelöst wurde. Der ICE war also in dem Moment ohne gesicherte Fahrstrasse unterwegs. Durch das Fehlen des NAZ konnte unmittelbar nach Hilfsauflösen bereits wieder eine neue Fahrstrasse gestellt werden. Da der GFM von W194 zu dem Zeitpunkt nicht belegt war, begann der Stellvorgang, vermutlich äusserst kanpp bevor die erste Achse auf den GFM 194 fuhr und diesen belegte. Ein begonnener Umstellvorgang wird aber durch das nachträgliche Belegen des GFM nicht unterbrochen.
Weiter vergeht einige Zeit von dem Punkt an, an dem das Stellwerk den Stellvorgang auslöst bis sich die anliegende Zunge bewegt. Im ersten Teils des Stellwegs der Stellstange des Weichenantriebs wird zuerst der Verschluss entriegelt und erst dann bewegt sich die Zunge, das Entriegeln dauert ca 1 Sekunde in der Zeit legt das Fahrzeug bei 40km/hca 11m zurück. Die im Zungenbereich befindlichen Achsen haben dann mit dem Gewicht und Anlaufkräften die Weiche am Umlaufen gehindert bis auch das erste Drehgestell des zweiten Wagens nach rechts fuhr. Das belegt das im Bericht erwähnte Stellstromdiagramm. Erst danach konnte die Weiche umlaufen und das zweite Drehgestell und die weiteren Wagen auf das andere Gleis leiten.
Alles in allem haben alle Beteilgen Glück gehabt, insbesonder die Fahrgäste: Was, wenn auf Gl. 403 ebenfalls ein Zug unterwegs gewesen wäre oder der Zug nur einige Meter später zum Stillstand gekommen wäre? Beides wäre verheerend gewesen.
Grüsse Privatbahner


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#16 von privatbahner , 06.11.2019 20:35

Ich habe hier eine Weichenverbindung gefunden, bei der der Gleisstromkreis mit ziemlicher Sicherheit gleich aufgebaut ist, wie bei den W194/195 in Basel Bad. Bf. W1 entspräche dann der W194 und W2 W195. Man sieht, dass der Abschnitt W194 sich über die ganze Weiche erstreckt und die geforderte Minimallänge um mindestens das Dreifache übertrifft. Auch der kurze Abschnitt in der Ablenkung von W2 übertrifft die Minimallänge. Das im Plan dick ausgezogene Schienenprofil ist elektrisch gegenüber den dünn gezeichneten isoliert. Bei SK wird ein Strom eingespiesen, der am anderen Ende bei RK wieder abgeleitet wird und im Stellwerk über ein Relais fliesst und die Magnetspule angezogen hält. Über Kontakte wird dann der GSK dem Stellwerk als frei gemeldet. Fährt nun eine Achse aus den Abschnitt fliesst der Strom über diese auf die andere Schiene, das Relais fällt ab und meldet den Abschnitt als belegt. Dann kann die Weiche nicht mehr umgelegt oder keine Fahrstrasse über den Abschnitt eingestellt werden. Das ist jetzt natürlich eine knappe und vereinfachte Erläuterung. In H0 liesse sich das Prinzip übrigens dank dem Mittelleiter mit dem Märklin K-Gleis auf die Modellbahn übertragen.

Herinz: Natürlich weiss ich, dass früher die Bahnhofsvorstände aus den einsamen Provinzlinien wesentlich mehr "Freiheiten" hatten als in grossen Bahnhöfen. Besonders viele derartige Legenden ranken sich um die Linie Winterthur - Etzwilen - Singen. Es hielt sich früher hartnäckig das Gerücht, dass die dortigen Vorstände ab und zu mit einem Stationstraktor bis nach Singen in den Ausgang gefahren sein sollen. Verbürgt ist hingegen, dass die frühere Wirtin des Rest. Bahnhof in Thalheim-Altikon in der Lage war, das mechanische Bruchsaler Stellwerk zu bedienen.
Wenn du früher im Raum St. Gallen tätig warst, dann sind dir die ehemaligen Stellwerkmeister Knus, Roduner und Tribelhorn sicher ein Begriff.
Gruss Privatbahner


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