RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#26 von uhx , 21.03.2019 11:27

Zitat

Mit ein Hauptgrund war, die Bahn wirtschaftlich zu betreiben.
Alleine mit logischem und gesundem Menschenverstand wird man wissen, daß dies nicht möglich ist. Oder es werden nur die Rosinen gefahren die rentabel sind.


Das kann man sehr schön in großen Teilen der USA besichtigen. Man glaubt gar nicht, wie schnell man sich ins Bahn-Schlaraffenland Deutchland zurück sehnt, wenn man längere Zeit dort ist


Schöne Grüße,
Ulli


uhx  
uhx
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 273
Registriert am: 26.03.2017
Spurweite H0
Steuerung JMRI->BiDiB->DCC
Stromart Digital


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#27 von Jandrosch ( gelöscht ) , 21.03.2019 18:24

Zitat

Zitat

Vielmehr stellt sich mir die Frage, ob es wirklich Sinn macht, über Dinge zu diskutieren, die [...] auch künftig keine Änderung erfahren.



Jandrosch, unter der Annahme, dass Dinge unabhängig von den getroffenen Maßnahmen nicht geändert werden können (= Probleme können grundsätzlich nicht gelöst werden) macht es natürlich keinen Sinn zu reden.

Wenn man jedoch davon ausgeht, dass von Menschen gestaltete Dinge auch von Menschen geändert werden können, dann macht reden sehr viel Sinn.

Viele Probleme entstehen überhaupt erst, weil Menschen nicht miteinander reden. Also, redet miteinander!

Problem bleiben bestehen, wenn an den Ursachen vorbei geredet wird. Also, wenn ihr redet, dann tut das auf informierte Weise durch Austausch sachbezogener Argumente!

Probleme tauchen wiederholt auf, wenn man nicht aus früheren Fehlern lernt. Also macht nicht die gleichen Fehler zwei mal, sondern beschäftigt euch mit Dingen,

Zitat

die längst Geschichte sind


um daraus für die Zukunft zu lernen.




Hallo Ulli,
Deine Antwort zeigt mir, dass Du mich nicht verstanden hast - oder anders, ich habe mich missverständlich ausgedrückt.
Über Probleme zu reden, ist sicherlich sinnvoll. Es macht aber nur Sinn, wenn ich mit denen rede, die auch eine Veränderung herbei führen können.
Wenn ich nur mit denen rede, die der gleichen Meinung sind, fühle ich mich sicherlich bestärkt, erreiche aber - ausser einer persönlichen Genugtuung - nicht viel. Diejenigen, die anderer Meinung sind werden mit allerlei Argumenten konfrontiert.
Alles mag recht spannend und unterhaltsam sein, eine Lösung oder Veränderung dieser Thematik wird aber nur erreicht, wenn ich mit denen sprechen, die auch etwas bewegen können und dies sind mit Sicherheit nicht die Leute, die hier im Forum unterwegs sind - auch wenn sie über lange Jahre bei der Bahn tätig waren. Vorstandsmitglieder der Bahn AG habe ich hier noch nicht wahr genommen.
Nicht zu vergessen, dass seit der Veränderung in eine AG eben diese den Erwartungen der Aktionäre gerecht werden müssen - und dabei meine ich nicht die kleinen Aktionäre sondern die, die die Masse in der Hand halten und eine entsprechende Dividende erwarten. Dies erwartet auch der, der noch die mindestens 51% inne hat, auch wenn er sich Bund nennt.
Geld regiert die Welt und dies nicht erst seit ein paar Tagen - auch zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn wurde darauf geachtet, das Gewinne erzielt wurden. War nicht immer möglich und wurde sicherlich auch in gewisser Weise ausgeglichen, trotzdem gab es für das Management klare Vorgaben, was wie zum “Erfolg“ führt.

Das in Zeiten des Kapitalismus keine oder kaum humanitäre Ziele entschieden werden, sollte klar sein - insofern ist eine Diskussion hier im Forum vielleicht interessant, aber hinsichtlich einer Veränderung/Verbesserung recht müßig.
Oder glaubt wirklich jemand, dass sich ein Vorstand / Management etwas von uns Forenmitgliedern sagen lässt?


Jandrosch

RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#28 von Djian , 21.03.2019 20:08

Moin Jandrosch und ihr anderen Interessierten

so ganz richtig ist das mit den Erwartungen der Aktionären nicht; es gibt nur einen: die Bundesrepublik Deutschland. Man kann keine DB-AG aktien auf dem Aktienmarkt erwerben. Mehdorn hatte den Börsengang angestrebt, der ursprünglich gar nicht vorgeshen war, sondern:
Seit 03.10.1990 hatte die Bundesrepublik 2 Staatsbahnen, die organisatorisch getrennt waren. Diese galt es zu veeinigen. Zudem wurde das europäische Verkehrswesen liberalisiert. Kurz zusammengefasst passierte folgendes: Beide Sondervermögen (DB und DR) wurden in der AG zusammengeführt. Dabei wurden Fahrwege, Personenverkehr und Gütertransporte rechnerisch und organisatorisch getrennt. Ab 1997 sollten diese Bereiche unter dem Dach einer Holding in selbständige Aktiengesellschaften getrennt werden und die Holding 2002 aufgelöst werden. (vergl. Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) in der Fassung 17.02.1993
Interessant ist hier der inhaltliche Gegenstand des Artikel 2: Gründung der Aktiengesellschaft mit damit verbundener Vermögensübertragung, die Überleitung der Personale, sowie Übernahme der Reichsbahnschulden durch den Bund. Zudem wurden die 4 Sparten SPNV, Fern- und Gütrverkehr und Fahrweg festgeschrieben. Die Umwalndlung von Sondervermögen des Bundes in eine privatrechtliche Unternehmensform geschah auch vor dem Hintergrund, dass die DR-Mitarbeiter sonst hätten verbeamtet werden müssen, die Pensionsverpflichtungen, die damit eingegangen wären, galten als "unabsehbares Haushaltsrisiko". Da wird immer noch etwas falsch verstanden: bei der Bahnreform handelte es sich zu keinem Zeitpunkt um eine Privatisierung im Wortsinn, sondern um die Überführung zweier Sondervermögen in eine privatwirtschaftliche Rechtsform. Ziel war, salopp gesagt, nicht rein in den Aktienmarkt, sondern raus aus dem Beamtentum.
Der "Börsengang" unter Hartmut Mehdorn unter dem Eindruck des Aktionbooms (ich sage nur "Volksaktie" Telekom) vorangetrieben wurde angesichts der Finanzkrise von der Bundesregierung gestoppt und steht auch überhaupt nicht mehr zur Disposition. Als die Idee des Börsengang aufkam, war man noch der Ansicht, den Fahrweg allein über die Trassengebüren finanzieren zu können; ein Irrtum, wie wir heute wissen. Der Nachhall dieser Idee ist allerdings von langer Haltbarkeit.
Das war jetzt eine sehr komprimierte Grobfassung, da gibt es noch wesentlich mehr Unterpunkte und Details. Der politische Weg zur Bahnreform war jedenfalls hochspannend.

Schöne Grüße aus Ostholstein
Matthias


Bautagebuch: Sagau in Segmenten viewtopic.php?f=15&t=73059

Sagau: Ländliches an der Magistrale viewtopic.php?f=64&t=139007


Djian  
Djian
ICE-Sprinter
Beiträge: 5.158
Registriert am: 20.01.2012
Ort: 23717 Sagau
Spurweite H0


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#29 von berndm , 22.03.2019 08:35

Zitat

Zitat

Mit ein Hauptgrund war, die Bahn wirtschaftlich zu betreiben.
Alleine mit logischem und gesundem Menschenverstand wird man wissen, daß dies nicht möglich ist. Oder es werden nur die Rosinen gefahren die rentabel sind.


Das kann man sehr schön in großen Teilen der USA besichtigen. Man glaubt gar nicht, wie schnell man sich ins Bahn-Schlaraffenland Deutchland zurück sehnt, wenn man längere Zeit dort ist



Hm, es gibt Ausfälle und Verspätungen wie bei uns. Quer durchs Land nur einen Personenzug und die Fahrkarten sind recht teuer aber dafür mit reichlich Komfort. Hi und da auch einen Nahverkehr, der in der Tat nicht besser ist als bei uns.
Also ehrlich, wenn dann sehne ich mich nach der Schweiz, egal ob ich in den USA bin oder in Deutschland.


 
berndm
ICE-Sprinter
Beiträge: 6.851
Registriert am: 08.09.2010
Spurweite H0


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#30 von uhx , 22.03.2019 10:10

Zitat

Hallo Ulli,
Deine Antwort zeigt mir, dass Du mich nicht verstanden hast - oder anders, ich habe mich missverständlich ausgedrückt.
Über Probleme zu reden, ist sicherlich sinnvoll. Es macht aber nur Sinn, wenn ich mit denen rede, die auch eine Veränderung herbei führen können.
Wenn ich nur mit denen rede, die der gleichen Meinung sind, fühle ich mich sicherlich bestärkt, erreiche aber - ausser einer persönlichen Genugtuung - nicht viel. Diejenigen, die anderer Meinung sind werden mit allerlei Argumenten konfrontiert.
Alles mag recht spannend und unterhaltsam sein, eine Lösung oder Veränderung dieser Thematik wird aber nur erreicht, wenn ich mit denen sprechen, die auch etwas bewegen können und dies sind mit Sicherheit nicht die Leute, die hier im Forum unterwegs sind - auch wenn sie über lange Jahre bei der Bahn tätig waren. Vorstandsmitglieder der Bahn AG habe ich hier noch nicht wahr genommen.



Jandrosch,

danke für deine ausführliche Antwort. Dem habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen, außer in folgendem Punkt:

Zitat

insofern ist eine Diskussion hier im Forum vielleicht interessant, aber hinsichtlich einer Veränderung/Verbesserung recht müßig.
Oder glaubt wirklich jemand, dass sich ein Vorstand / Management etwas von uns Forenmitgliedern sagen lässt?


Nein, das glaubt sicher niemand. Aber die Bahn ist in Deutschland ganz wesentlich von politischen Rahmenbedingungen und Entscheidungen geprägt. Und auch wenn manchmal Eindruck entstehen mag, dass nur Lobbyisten Politik gestalten würden, so ist Politik in Deutschland doch auch wesentlich vom öffentlichen Diskurs geprägt. Bestes Beispiel ist die aktuelle Bewegung in der Verkehrspolitik. Sie ist nicht entstanden, weil irgendwelche Lobbyisten oder Bahnvorstände Herrn Dobrind und Herrn Scheuer hofiert haben, sondern weil eine Große Anzahl Bürger unzufrieden ist und weil das Thema mit konstanter Regelmäßigkeit öffentlich in den Medien diskutiert wird.

Jetzt ist also die Zeit, in der Weichen für die Zukunft des Eisenbahnverkehrs gestellt werden. Und jetzt ist auch Zeit, in der man durch Teilnahme am öffentlichen Diskurs Einfluss auf diese Weichenstellung nehmen kann. Aufgeklärte Bürger, die Probleme und ihre Ursachen gezielt adressieren, können das besser, als unzufriedene Bürger, die - wie ich es oben ausdrückte - auf eine virtuelle Entität namens "die Bahn" schimpfen, bei sich niemand so richtig angesprochen fühlen muss. Dann wären es nämlich doch wieder nur "die Lobbyisten" alleine, die Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger nehmen.

So, jetzt komm endlich zum Punkt, Ulli: Aufgeklärte Bürger, schafft man auch im Kleinen, hier an dieser Stelle, in diesem unbedeutenden Forum. Deswegen finde ich es überhaupt nicht müßig, sondern wirklich gut, dass wir hier über dieses Thema diskutieren. Ich freue über jeden, der etwas inhaltlich dazu beitragen kann. Auch wenn der Einfluss auf das große Ganze noch so klein ist, es ist ein Beitrag zum öffentlichen Diskurs und davon lebt eine Demokratie

P.S.: Dieser Beitrag ist auf einer Zugfahrt entstanden und konnte vor Ankunft am Zielbahnhof fertiggestellt werden, da sich die Weiterfahrt aufgrund einer Bahnübergangsstörung um wenige Minuten verzögert hat


Schöne Grüße,
Ulli


uhx  
uhx
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 273
Registriert am: 26.03.2017
Spurweite H0
Steuerung JMRI->BiDiB->DCC
Stromart Digital


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#31 von Jandrosch ( gelöscht ) , 22.03.2019 19:29

Ulli, ich gebe Dir durchaus Recht.
Schön wäre es, wenn wir schlafmützigen Deutschen auch mal den Arsch hoch bekämen und uns gegen so manch dämliche Vorgabe - von wem auch immer - querstellen würden.
Dies schaffen wir aber nicht so richtig - scheinbar geht es uns doch noch zu gut

Ich schaue dem Beitrag von Matthias sehr gespannt entgegen und da mich die Bahn in meiner beruflichen Zeit sehr enttäuscht hat, habe ich sie ignoriert.
Damit habe ich zwar nichts bei der Bahn - wie immer sie zu welcher Zeit auch geheißen hat - verändert, aber meine eigene und für mich wichtige Termintreue meinen Kunden gegenüber konnte ich bei entsprechender Planung der Verkehrssituation mit meinem PKW immer einhalten.


Jandrosch

RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#32 von Djian , 23.03.2019 14:35

Moin,

dann will ich mich mal ans Werk machen. Zuvor möchte ich euch noch über meine Herangehensweise und einige Quellen informieren, die ich verwende. Eine hervorragende Grundlage bieten die statistischen Jahresrückblicke in der EK-Spezial Reihe "Die DB vor 25 Jahren". Die Reihe begann 1984 mit dem DB-Jahr 1959. Diese Hefte sind bis auf die jüngeren Jahrgänge wenn überhaupt, dann nur noch antiquarisch zu erhalten. Ebenso macht es Sinn, die z.B. in den 80ern gezogenen Resümes noch einmal zu hinterfragen, denn in diesen gut 30 bis 40 Jahren hat sich unser Blickwinkel auf die dargestellten Zusammenhänge erheblich weiten können, es gab zum Teil Folgen aus der damals jüngeren, heute längeren Vergangenheit, die man zum Zeitpunkt des Verfassen, der aus unserer Perspektive mittlerweile der jüngeren Vergangenheit zugeordnet wird, die man damals noch nicht absehen konnte; wir wissen heute einfach mehr!
Was mir an diesen, mitunter 25 Seiten langen, Aufsätzen sehr gut gefällt ist, dass man die Bahn nicht einfach isoliert betrachtet, sondern in die Kontexte der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung setzt. Denn das ist der Bezugsrahmen in dem die Bahn wirkt. Ich habe mir schon vor Jahren mal die Mühe gemacht die angegebenen Quellen stichprobenartig zu überprüfen. Ich vertaue ihnen.
Wo ich weiter Informationen benötige, z.B. Gesetzestexte in den damaligen Fassungen, bediene ich mich juristischer Archive im Internet. Dabei interessieren mich allein die Texte und nicht irgenwelche Auslegungen jenseits der offiziellen Rechtkommentare. Bei aktuellen Gesetzestexten bediene ich mich der sog. nichtamlichen Inhaltsverzeichnisse. Hier sei beispielhaft der Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) verlinkt https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ die vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz herausgegeben werden und stets tagesaktuell sind. Das BGB brauchen wir hier zwar nicht, aber es erläutert meine Arbeitsweise und ihr könnt die Quelle überprüfen.
Zu bestimmten die DB betreffenden Thematiken verlinke ich dann auch Artikel aus den Medien der abgehandelten Epoche, die ich für lesenswert erachte. Vorsicht, da spielt mein subjektives Empfinden rein. So gab es zum Beispiel 1971 eine tragische Unfallserie der Bahn auf die hier http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43176670.html eingegangen wurde. Wikipedia möchte ich als Quelle vermeiden, wenn mir der Inhalt a) zu oberflächlich behandelt, und/oder b) die verwendeten Quellen als zu unzuverlässig erscheinen. Die statistischen Daten werde ich im Wesentlichen aus den EK-Aufsätzen übernehmen, wo ich Weitere möchte, bemühe ich mich um Daten der entsprechenden Bundesarchive. Dank des Internets kommt man heute schnell an diese Informationen, für die man früher hunderte Kilometer weit fahren müsste. Ohne das Internet wäre das was ich versuche zwar nicht unmöglich, aber der Aufwand wäre mir bedeutend zu hoch. Wer also den Text im Originaldruck überprüfen will, muss sich die Mühe machen die Orte, an denen sie archiviert sind selbst aufzusuchen.
Ich unternehme hiermit den Versuch, diese Aufsätze in ihren Kernaussagen zusammen zu fassen und die heute bekannten Konsequenzen zu benennen. Es liegt mir fern, dies aus persönlicher Betroffenheit heraus zu beurteilen. Ich will versuchen, ein nachvollziehbares Bild zu skizzieren, aus dem ihr vielleicht den einen oder anderen Schluss zieht und diskutieren könnt. Das dies die Bahn nicht verändern wird, wenn ich hier Dinge aufbereite, die andere längst geschrieben haben und die, das werdet ihr erkennen, auf oberer Ebenen diskutiert werden ist klar. Auch wenn ein Einzelner die Dinge nicht verändern kann, so kann er sich doch positionieren. Wissen hilft dabei ungemein, wenn jemand diese Position hinterfragt Es ist sehr willkommen, wenn ihr nach weiteren Quellen und somit inhaltlich in die Tiefe bohrt. Denn ich bin lediglich interessiert, nicht allwissend, geschweige denn kenne ich sämtliche verfügbaren Quellen. Da lagern so einige Schätze, die ich nicht werde entdecken können.

Schöne Grüße aus Ostholstein
Matthias


Bautagebuch: Sagau in Segmenten viewtopic.php?f=15&t=73059

Sagau: Ländliches an der Magistrale viewtopic.php?f=64&t=139007


Djian  
Djian
ICE-Sprinter
Beiträge: 5.158
Registriert am: 20.01.2012
Ort: 23717 Sagau
Spurweite H0


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#33 von B VI , 23.03.2019 16:44

Zitat

Eine hervorragende Grundlage bieten die statistischen Jahresrückblicke in der EK-Spezial Reihe "Die DB vor 25 Jahren". Die Reihe begann 1984 mit dem DB-Jahr 1959. Diese Hefte sind bis auf die jüngeren Jahrgänge wenn überhaupt, dann nur noch antiquarisch zu erhalten.



Zum Beispiel hier: Abebooks

Mehrheitlich noch bezahlbar; es muss ja nicht das Heft für 400 Euro aus den USA sein .

Gruss
Chris


Spur N: K.Bay.Sts.B.
Spur 0: DB Ep. III


 
B VI
InterCity (IC)
Beiträge: 589
Registriert am: 11.05.2014


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#34 von Djian , 23.03.2019 18:39

Hallo,

@Chris: vielen Dank für den Hinweis. Ich hatte meine Sammlung schon vor 2 Jahrzehnten nach unten vervollständigt. 1993 hatte ich durch Zufall das Heft von 1967 in einer Bahnhofsbuchhandlung entdeckt und hatte mich über den EK-Verlag für 5,-DM noch mit Restexemplaren der Vorjahre eindecken können. 59, 60 und 61, die damals schon vergriffen waren habe ich mir auf Börsen dazu gekauft. Etwa zum doppelten Neupreis. Gut, ich wollte die auch haben und sie haben sich mehr als rentiert.

@all, wenn ihr dieser Hefte habhaft werden könnt und euch die Thematik interessiert, dann zögert nicht, sie euch zuzulegen. Es ist ja nicht nur der Statistikteil. Auch die Fotos, Berichte aus dem Großbetrieb, Stationierungslisten bieten dem Bundesbahninteressierten jede Menge Mehrwert. In allen Belangen ein Top-Nachschlagewerk um sich einen Überblick zu verschaffen. Und wenn man an irgendeinem Punkt weiter in die Tiefe gehen will, bekommt man gute Ideen, wo man suchen kann. Vor allem was man an Zugbildung so alles gemacht hat. Wenn ihr also mal eure 103 mit einem Güterzug über die Strecke eurer MoBa schickt, oder eine o/b 140 mit einem IC, dann könnt ihr jedem Kritiker das passende Bild unter die Nase halten Hat auch was, oder?

Schöne Grüße aus Ostholstein
Matthias


Bautagebuch: Sagau in Segmenten viewtopic.php?f=15&t=73059

Sagau: Ländliches an der Magistrale viewtopic.php?f=64&t=139007


Djian  
Djian
ICE-Sprinter
Beiträge: 5.158
Registriert am: 20.01.2012
Ort: 23717 Sagau
Spurweite H0


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#35 von Rentner , 23.03.2019 19:40

Hallo,

stillgelegte Bahnstrecken werden übrigens nicht "zurückgebaut".

Sondern abgerissen und zerstört. Und zwar in der Regel absolut endgültig.

Wann wurde eigentlich zuletzt eine Autobahn in Deutschland "zurückgebaut" ???


Rentner  
Rentner
InterRegio (IR)
Beiträge: 144
Registriert am: 16.12.2012


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#36 von Djian , 23.03.2019 20:04

Moin,

so, los geht's. Wie ich bereits ankündigte, habe ich erst ab 1959 umfangreicheres Material als Grundlage zur Verfügung. Dennoch sollten wir uns noch einmal die Jahre von der Gründung bis dahin vor Augen halten:
Die Deutsche Bundesbahn wurde am 07.09.1949 gegründet. In ihr waren die ehemaligen Reichsbahndirektionen iinerhalb der Amerikanischen, Britischen und Französischen Besatzungszone (mit Ausnahme des Saarlandes) hervorgegangen.
Die Infrastruktur war in weiten Teilen mangelhaft. Z. B. waren nach Kriegsende in der brischen Besatzungszone von etwa 13.000 Streckenkilometern nur rund 1000 befahrbar (Vergleich Bundeszentrale für politische Bildung http://www.bpb.de/geschichte/nationalsoz...ellschaft?p=all). Zudem darf man nicht vergessen, dass seit Ausbruch des 2. Weltkriegs Modernisierungen in die Bahninfrastruktur nahezu unterblieben. Der Fahrzeugpark war zwar quantitiv hoch, jedoch die Kreigsschäden erheblich, dass benötigte Reparaturmaterial knapp. An modernen Lokomotiven waren vorwiegend schwere Güterzuglokomotiven der Baureihen 42, 44, 50 und 52 vorhanden, ein paar Hundert Einheitschnellzuloks dazu einige Tausend Länderbahnloks der unterschiedlichen Baureihen. Elektrolokomotiven spielten kaum eine Rolle: das Mitteldeutsche Netz lag in der Sowjetischen Besatzungszone und Fahrdraht gab es zum Zeitpunkt der Gründung nur in Süddeutschland.Brennkraftlokomotiven dergleichen, zumal es bis auf die V140 und V188 (die allerdings erst wieder hergerichtet werden mussten) noch gar keine Streckenbrennkraftlokomotiven gab. Dazu kamen einige elektrische und diesel(elektrische) Triebwagen.
Eine weitere Herausforderung bestand im Wechsel der Verkehrsströme. Die Magistralen lagen in West-Ost Richtung, die Verkehre wandelten sich in Nord-Süd Richtung.
Dennoch hat die Bundesbahn in der ersten Zehn Jahren seit Gründung erhebliche Leistungen vollbracht, die der Lesart einer trägen Behördenbahn einrücklich widersprechen. Sie erbrachte ab 1952 mit den Baureihen V80 und V200 den Beweis der Tauglichkeit des dieselhydraulischen Antriebs für Stecken- und Großdiesselloks, entwickelte den Schienenbus, sie erstellte das E-Lok-Einheitstypenprogramm mit den Baureihen E10, E40, E41 und E50, trieb die Streckenelektrifizierung zügig voran und konzipierte die heute noch gültigen Grundprinzipien des 26,4m UIC-Schnellzugwagens. Von den zu Kriegsende beschädigten oder zerstörten 3.320 Eisnebahnbrücken, waren bis 1959 lediglich 203 Brücken noch nicht wieder errichtet worden, die übrigen komlett erneuert oder (dauer)behelfsmäßig hergerichtet. Das alles innerhalb weniger Jahre aus dem "weniger-als-nichts" und noch vor Beginn dessen, was wir heute Wirtschaftswunder nennen.

Schöne Grüße aus Ostholstein
Matthias

P.S.:
@Rentner: 2018: A61 im Zuge des Braunkohletagesbaus im Erftkreis. https://www.wz.de/nrw/moenchengladbach/a...18_aid-27483109


Bautagebuch: Sagau in Segmenten viewtopic.php?f=15&t=73059

Sagau: Ländliches an der Magistrale viewtopic.php?f=64&t=139007


Djian  
Djian
ICE-Sprinter
Beiträge: 5.158
Registriert am: 20.01.2012
Ort: 23717 Sagau
Spurweite H0


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#37 von Brianmcfly , 24.03.2019 20:24

... das schiebt der Ticker bei mir gerade vorbei:

https://www.br.de/nachrichten/deutschlan...R28l_9dNDjnl2Mk

Demnach zahlt der Bund jaehrlich 3.5 Milliarden fuer den Unterhalt des existierenden Schienennetzes und will das nun schrittweise ueber 4.6 mrd auf 5.6 Mrd anheben.

Das sind nach meiner Rechnung 21 milliarden zusaetzlich - und nicht 50 - wenn man davon ausgeht das es um den Haushalt 2020 mit einer Perspektive zu 2029 geht.

Schoene Gruesse aus Rotterdam


Brianmcfly ...


 
Brianmcfly
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 399
Registriert am: 10.03.2017
Ort: Rotterdam
Spurweite H0, 1
Stromart AC, Digital


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#38 von Brillenhuber , 26.03.2019 12:51

Zitat

... das schiebt der Ticker bei mir gerade vorbei:

https://www.br.de/nachrichten/deutschlan...R28l_9dNDjnl2Mk

Demnach zahlt der Bund jaehrlich 3.5 Milliarden fuer den Unterhalt des existierenden Schienennetzes und will das nun schrittweise ueber 4.6 mrd auf 5.6 Mrd anheben.
Schoene Gruesse aus Rotterdam


Brianmcfly ...



Knauserig:
Die 10 mal kleinere Schweiz zahlt 8'400 Mililionen Franken pro Jahr:
https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=...JmLofgHmhhFsIEK
Grafi9k Seite 43.
Und in Zukunft wird es so weitergehen:
https://www.watson.ch/schweiz/wirtschaft...te-sind-geplant
Gruss Heinz


Brillenhuber  
Brillenhuber
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 326
Registriert am: 22.07.2015


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#39 von berndm , 29.03.2019 10:43

Zitat

...
Die 10 mal kleinere Schweiz zahlt 8'400 Mililionen Franken pro Jahr:
...


In der Schweiz hat man erkannt, dass man durch ein sehr gutes öffentliches Verkehrsnetz die Wirtschaft bestens unterstützt. Im Autoland Deutschland hinkt man hier halt noch hinterher.


 
berndm
ICE-Sprinter
Beiträge: 6.851
Registriert am: 08.09.2010
Spurweite H0


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#40 von Brianmcfly , 29.03.2019 11:29

yeah Deutschland investiert nicht genug in die Schiene - dem stimme ich zu. Aber ich freue mich trotsdem wenn es mehr Geld fuer die Bahn gibt.

Primaerquelle so wie es aussieht:
https://de.statista.com/statistik/daten/...uktur-pro-kopf/

Nach diesen Zahlen (die viel in anderen medien zitiert werden aber teilweise nicht in Uebereinstimmung mit anderen Berichten sind....):

Deutschland investiert 69 eur pro Buerger und Jahr in eine Schieneninfrastruktur was 5.71 Milliarden entspricht.

Die Allianz pro Schiene fordert 80 eur / Buerger / Jahr was 6.6 Milliarden entspricht.

Die Niederlande gibt 128 eur/B/J aus was 10.5 Milliarden entspricht.

Die Laender Daenemark / Schweden / Grossbritanien / Oesterreich geben um die 170 Eur/B/J aus was 14 Milliarden entspricht.

Die Ausgaben der Schweiz von 362 Eur/B/J entsprechen bei einer Bevoelkerungszahl von Deutschland 29,9 Milliarden.

Fast alle anderen Laender dieser Welt ausserhalb von Europa geben weniger als 20 eur / B / J fuer Schieneninfrastruktur aus.

Die Schweiz, Oesterreich, die Niederlande sind Transitlaender, teilweise geologisch benachteiligt, Das bedingt teilweise andere Transportkosten, nicht nur bei der Bahn auch bei anderen Transportanbietern.

Man muss an diesem Punkt aber auch erkennen das in Deutschland im Vergleich zu den anderen Laendern eine Vision fehlt die man dann Umsetzen kann.


Also - vielleicht sollten wir hier mal Visionen Bahn 2050 entwickeln - Wie soll Personen und Guetervehrkehr aussehen der guenstig in den Laufenden Kosten mit niedrigen CO2 Emmisionen deutlich mehr Anteile am Transportmix hat als heute?

Welche Veraenderungen an der Infrastruktur, am laufenden Material, an den Prozessen, Marketing sind noetig?

Muss die Bahn in die Situation kommen das ich einen (Teil-) Transport per app (also per API fuer die techies hier) bestellen kann?

Welche Loesungen anderer Laender, anderer Vehrkehrsmittel die gut funktionieren kann man vielleicht auf die Bahn in Deutschland anwenden?


Brianmcfly ....


 
Brianmcfly
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 399
Registriert am: 10.03.2017
Ort: Rotterdam
Spurweite H0, 1
Stromart AC, Digital


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#41 von Brillenhuber , 01.04.2019 11:02

Zitat


Welche Loesungen anderer Laender, anderer Vehrkehrsmittel die gut funktionieren kann man vielleicht auf die Bahn in Deutschland anwenden?

Brianmcfly ....


Bahnplan 2050 in der Schweiz:
https://www.citrap-vaud.ch/wp-content/up...llen22.4.13.pdf
In dem Buch werden 3 Szenarien unterschieden:
http://www.pro-bahn.ch/14/1106/InfoForum415?force
Takt mit Ausbau auf den Takt mit vielen Knoten:
Frequenz: Mit Ausbau zu 1/4 Stunden Takt ( Und da braucht man keine grossen Anschlüsse mehr).
Tempo: Ausbau NBS mit 320.

Mit dem Fabi hat man die Finanzierung auf einen aus verschiedenen Quellen gespiesenen Fond umgestellt, der weitgehend von der Tagespolitik abgekoppelt ist:
https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/v...ionen/fabi.html
Dazu gehören auch langfristige Planungen, aktuell bis 2035 wobei sich 2050 bereits am Horizont abzeichnet.
Hier die Links zu den konkreten Ausbauten:
https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/v...chritt2035.html

Gruss Heinz


Brillenhuber  
Brillenhuber
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 326
Registriert am: 22.07.2015


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#42 von Brillenhuber , 01.04.2019 11:15

Zitat

Zitat

...
Die 10 mal kleinere Schweiz zahlt 8'400 Mililionen Franken pro Jahr:
...


In der Schweiz hat man erkannt, dass man durch ein sehr gutes öffentliches Verkehrsnetz die Wirtschaft bestens unterstützt. Im Autoland Deutschland hinkt man hier halt noch hinterher.




"Man" hat nicht erkannt. Wir haben erkannt!
https://www.bk.admin.ch/dam/bk/de/dokume...tes09022014.pdf
https://www.bk.admin.ch/dam/bk/de/dokume...tes29111998.pdf
https://www.bk.admin.ch/dam/bk/de/dokume...tes20021994.pdf
https://www.bk.admin.ch/dam/bk/de/dokume...tes27091992.pdf
https://www.bk.admin.ch/dam/bk/de/dokume...tes06121987.pdf
Alle diese Abstimmungen und noch viele weitere wurden angenommen! Auf allen 3 Ebenen: Bund, Kanton und Gemeinden.
Gruss Heinz


Brillenhuber  
Brillenhuber
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 326
Registriert am: 22.07.2015


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#43 von Brianmcfly , 01.04.2019 12:24

Zitat

Primaerquelle so wie es aussieht:
https://de.statista.com/statistik/daten/...uktur-pro-kopf/

Nach diesen Zahlen (die viel in anderen medien zitiert werden aber teilweise nicht in Uebereinstimmung mit anderen Berichten sind....):
Deutschland investiert 69 eur pro Buerger und Jahr in eine Schieneninfrastruktur was 5.71 Milliarden entspricht.
Die Allianz pro Schiene fordert 80 eur / Buerger / Jahr was 6.6 Milliarden entspricht.
Die Niederlande gibt 128 eur/B/J aus was 10.5 Milliarden entspricht.
Die Laender Daenemark / Schweden / Grossbritanien / Oesterreich geben um die 170 Eur/B/J aus was 14 Milliarden entspricht.
Die Ausgaben der Schweiz von 362 Eur/B/J entsprechen bei einer Bevoelkerungszahl von Deutschland 29,9 Milliarden.
Fast alle anderen Laender dieser Welt ausserhalb von Europa geben weniger als 20 eur / B / J fuer Schieneninfrastruktur aus - ca 1.6 mrd eur.



Zusaetzlich:
https://www.deutschlandinzahlen.de/tab/d...uer-den-verkehr (daten historisch bis 2017, also leicht veraltet).

Im Bundeshaushalt des Vehrkehrsministeriums sind fuer Infrastrukturprojekte in 2017 eingeplant gewesen:

Bundesfernstrassen - Autobahnen und Bundesstrassen: 8.950 Millionen Eur
Verbesserung der Verkehrs­ verhältnisse der Gemeinden: 1.625 Millionen Eur
Eisenbahnen: 6.616 Millionen Eur
Luftfahrt 571 Millionen Eur
Bundeswasserstraßen 1037 Millionen Eur
uebrige Vehrkehrsausgaben 9.130 Millionen Eur
Vehrkehr insgesamt: 27.930 Millionen Eur

Ich denke das man an dieser Stelle argumentieren kann das die Bundesrepublik im Vehrhaeltnis durchaus einen ansehnlichen Teil fuer die Eisenbahn ausgbit - die Gesamtausgaben fuer den Vehrkehr entsprechen den (hochskalierten) Ausgaben der Schweiz fuer die Eisenbahn.

Die LKW-Maut auf der Strassenseite scheint auch dazu gefuehrt zu haben das sich der Bund aus der Finanzierung der Bundesfernstrassen mit Bundesmitteln mehr und mehr zurueckgezogen hat - eine zur Eisenbahn vergleichbaren Entwicklung. Dafuer waer es aber interessant zu sehen wie die Einnahmen von Toll-Collect genau gebucht werden. Diese Einnahmen betragen ueberigens rund 4700 Millionen Eur, 3.800 gehen in die Bundesfernstrassen (ist das zusaetzlich zu den Zahlen von oben oder in denen enthalten?).

Eine Aenderung ist da also eher nur durch eine Aenderung der Gesamtinvestitionen in Infrastruktur zu erwarten.


Brianmcfly ....


 
Brianmcfly
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 399
Registriert am: 10.03.2017
Ort: Rotterdam
Spurweite H0, 1
Stromart AC, Digital


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#44 von Djian , 22.04.2019 20:17

Hallo Zusammen,

wie versprochen, nun mal kurz und komprimiert etwas zur DB des Jahres 1959. Einem Anspruch auf Vollständigkeit kann ich allerdings nicht entspreuchen, hoffe jedoch das Wesentliche berücksichtigt zu haben. Wer noch etwas zu ergänzen weiß, nur zu:

Am Ende des Jahres 1959 (31.12.) hatte die Bundesbahn eine Eigentumsstreckenlänge von 30.907,36 km, von denen 3462,17 km elektrifiziert waren. Im Rahmen von Rationalsierungen baute die DB im Jahresverlauf (ohne betriebsbedingte Entlassungen) ihr Personal bei den produktiven Kräften (also ohne Nachwuchskräfte/ Azubis) von 505.204 auf 487.636 ab.
Die Bundesbahn besaß zum 31.12.1959 9080 Dampf-, 942 Elektro-, 726 Brennkraft-, 974 Kleinloks, sowie 127 ET für Oberleitung, 89 ET für Stromschiene (S-Bahn Hamburg), 138 Akku-Tw, 183 VT und 762 Schienenomnibusse.
Eine Besonderheit dabei: am 09.12. wurde im AW Nied mit 23 105 die letzte Dampflok der Bundesbahn abgenommen und dem Betreibsdienst übergeben. Damit endetet die Dampflokbeschaffung bei der Bundesbahn.

Eine detaillierte aufschlüsselung der Einnahmen und Ausgaben liegt mir für 1959 leider nicht vor. Die Gesamtverschuldung der DB lag 1959 bereits bei 5,45 Milliarden DM. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, welche Aufbauleistungen die Bundesbahn seit Kriegende zu leisten hatte.

Die DB unternahm Zeit ihres Bestehens Anstrengungen, ihre Betriebsabläufe effizienter und damit wirtschaftlicher zu gestalten. Hier einige Beispile der seitens der DB unternommenden Rationalisierungen:
-Konzentation des Werkstättenwesens
-257,78 km Strecke wurden elektrifiziert
-900km Hauptbahnen wurden mit Indusi versehen, somit waren dann ca. 6500km Hauptbahnen mit dieser Sicherheitseinrichtung versehen.
-Verstärkter Einsatz von Schienenbussen auf Nebenstrecken
-zum 31.05. wurde die Ludwigshafener Verbindungskurve in Betrieb genommen http://www.linkfang.de/wiki/Ludwigshafen...n)_Hauptbahnhof . Dadurch konnte auf Verbindungen Stuttgart-Köln/ Ruhrgebiet das Kopfmachen und der Lokwechsel in Ludwigshafe entfallen
-34 neue Gleisbildstellwerke wurden dem Betreib übergeben und konnten mechanischer Stellwerke ablösen
-die Tauschpalette (heute bekannt unter Europalette) wurde bundesweit im Kleingutverkehr eingeführt (einen sehr interessanten Aufsatz über den Güterverkehr habe ich hier gefunden http://www.eisenbahngueterverkehr.de/fil...terverkehrs.pdf . Ist Lesestoff für lange Abende

Bsonderheiten: am 05.06.1959 endete die wirtschaftliche Eigenständigkeit des Saarlandes. Die bis dahineigenständigen Saarbahnen wurden in die Deutsche Bundesbahn eingegliedert. Rechtsgrundlage ist Art 38 des Saarvertrags https://www.1000dokumente.de/pdf/dok_0211_ely_de.pdf

Im Herbst des Jahres sorgte Niedrigwasser auf dem Rhein für Transportverlagerungen vom Binnenschiff, von der die Bundesbahn profitieren konnte.

Ergänzungen können gerne vorgenommen werden!

Schöne Grüße aus Ostholstein
Matthias


Bautagebuch: Sagau in Segmenten viewtopic.php?f=15&t=73059

Sagau: Ländliches an der Magistrale viewtopic.php?f=64&t=139007


Djian  
Djian
ICE-Sprinter
Beiträge: 5.158
Registriert am: 20.01.2012
Ort: 23717 Sagau
Spurweite H0


RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#45 von privatbahner , 29.08.2019 18:02

Hallo Zusammen

Ich bin beim Durchforsten älterer Beiträge auf das Them gestossen und erlaube mir es nochmals aufzugreifen. Niemand bestreitet, dass die Bahn in D eine schweren Stand hat und dementspechend vernachlässigt wurde, der Zustand der Infrastruktur spricht vielerorts Bände. Ich habe während meines Urlaubs in Oberammergau eine Runde über Weilheim - Augsburg - München und zurück gemacht. Das Level der Strecke Murnau-Oberammergau ist eine Peinlichkeit, Vmax 60 auf den zahlreichen ungesicherten Bahnübergängen muss das Bähnchen auf bis zu 20km/h abbremsen. So bekommt man nie ein attraktives Angebot hin. Die Trasse liesse zumindest abschnittsweise deutlich höhere Vmax zu, wenn denn die Infrastruktur auf einem anständigen Ausbaustandard wäre. Will man in Deutschland die dringend notwendige Verkehrswende hinkriegen, sind erhebliche Mittel erforderlich um die Infrastruktur auszubauen und auf Vordermann zu bringen. Die Bahn muss auch in der Provinz deutlich schneller werden.
Zwei Dinge haben mich aber positiv überrascht:
Kurz nach Abfahrt erschien ein Zugbegleiter, hat die Tickets kontrolliert und der vor mir sitzenden Kundin ohne weiteres eine Ticket verkauft.
Und im BRB-Triebwagen der Ammerseelinie gabs einen Ticketautomaten. In der Servicewüste Schweiz ist solcher Dienst am Kunden undenkbar. In dem Punkt 1:0 für D
Und alle genutzten Züge waren auf die Minute pünktlich. Man kann also auch in D pünktlich mit der Bahn unterwegs sein...
Zudem ist die Nutzung des Nahverkehrs mit den Ländertickets preiswert und einfach, im Gegensatz zur Schweiz wo gerade für Familien ein ganzer Stapel Karten in Form von Haltaxabo, kostenpflichtiger Kinder- und Enkelkarten (pro Kind versteht sich) erforderlich ist.
Trotz allen Mängeln hat sich die Bahnlandschaft in D in den letzten Jahren positiv entwickelt. Der Nahverkehr wurde deutlich besser, vielerorts haben gerade clevere Privatbahnen stillgelegte Strecken mit viel Engagement und Kreativität reaktiviert. Es entstanden innovative Verkehrslösungen wie das mittlerweile mehrfach kopierte Karlsruher TramTrain Modell. Und im Güterverkehr erbringen engagierte Privatbahnen mittlerweile über 50% der Verkehrsleistungen.
Schmunzeln musste ich bei den leicht chauvinistisch angehauchen Beiträgen von Heinz. Ja, in der Schweiz werden wesentlich mehr Mittel in die Bahn investiert. Aber wir haben nichts richtig zu Ende gebracht. Die Neubaustrecke (mit bescheidener Vmax von 200) ab Bern Richtung Zürich endet in Olten, eine Weiterführung Richtung Zürich liegt in weiter Ferne. Der Zimmerbergtunnel, der eigentlich bis fast nach Zug führen sollte ist im Berg regelrecht stecken geblieben und endet in Thalwil. Und selbst die vielgerühmte NEAT ist Flickwerk geblieben, ausserhalb von Gotthard und Ceneritunnel bummeln die Züge teils mit Trambahntempo von 75 - 80 durch die Gegend und müssen in zwei Kopfbahnhöfen (Basel SBB und Luzern) mit Wendemanövern viel Zeit verplempern. Die Gotthardachse ist für den Personenfernverkehr ziemlich unattraktiv. Die Brennerachse hingegen wird gleich von Anfang an so ausgebaut, dass durchgehend mit 150 - 220 gefahren werden kann. Es ist leicht vorher zu sehen, welchen Weg der hochwertige Fernverkehr DE - IT nehmen wird.
Und momentan steht die SBB nach einem tödlichen Unfall eines Zugbegleiters, der eingeklemmt wurde weil der Einklemmschutz nicht richtig funktioniert hat in heftiger Kritik. So langsam wird klar, das die Ursache auch bei Wartungsmängeln zu suchen ist. Der CEO der SBB war früher bei DB Stadtverkehr, S-Bahn Berlin sollte als Stichwort genügen.
Grüsse Privatbahner


privatbahner  
privatbahner
InterRegioExpress (IRE)
Beiträge: 365
Registriert am: 10.10.2012
Ort: Winterthur und Lenzkirch
Spurweite H0, H0e
Stromart DC, Analog


   


  • Ähnliche Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz