Kleine Buchkritik: Märklin 03081 "Einstieg in Märklin Digital" 2015, 19,99 €
Ein guter Leitfaden zum digitalen Einstieg oder Umstieg ist enorm wichtig, um die ersten Denkhürden des frischen oder analogen Modellbahners überwinden zu helfen und die ersten Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Die Beipackzettel der Märklinprodukte reichen für den problemlosen Einstieg lange nicht aus, da diese traditionell (?) eher kurz gehalten sind und grundlegende Dinge bereits voraussetzen.
Das hat die Firma Märklin erkannt und bietet dieses Heft zum leichteren Einstieg in die digitale Märklin-Welt für 19,99€ an.
Nach einer kurzen Einführung über Sinn und Möglichkeiten der digitalen Modellbahn-Steuerung wird die Mobil Station 2 vorgestellt. Den "typischen" Einstieg stellt sich der Autor dabei über den Kauf einer Startpackung vor und beschreibt den Inhalt einer Startpackung dann auf zwei Seiten. Einzige nützliche Info ist der im Fließtext versteckte Hinweis, dass sich die C-Gleise 24224 und 24130 sehr ähneln und verwechselt werden können (ein Fehler, der mir zur Anfangszeit auch passiert ist!).
Dann folgt wortreich eine Nacherzählung der in jeder Startpackung beiliegenden Aufbauanleitung zur MS 2. Kein Wort über die Speicherkapazität der MS2 (40 Loks), kein Wort, wie diese gespeichert werden (in der Gleisbox), kein Wort über das Verhalten zweier an einer Gleisbox angeschlossenen MS2 (die ältere Seriennummer wird Master, die jüngere Slave), geschweige denn über den kleinen fiesen Bug, was passiert, wenn man eine DCC-Lok speichern will und auf dem ersten Listenplatz keine MM-Lok setzt..... All das könnte man erwähnen, aber es ist ja für den Einstieg und den Neuling - vielleicht erwarte ich da zu viel. Der Autor beschreibt dann noch die Weiche mit Handbetrieb und den Zweileitergebrauch. Wir sind jetzt auf Seite 13.
Der Einsteiger sollte spätestens jetzt aufhören weiter zu lesen und gleich zu Seite 46 springen. Die Beschreibungen der nachfolgenden Beispielanlagen sind stark verwirrend, meiner Meinung nach schaden sie sogar der Modellbahnfreude.
Nur als Beispiel: Das Kapitel über das Steuern einer "mittelgroßen" Anlage - ab Seite 14:
Der Autor ist der Auffassung, dass man die komplexe Steuerung einer Anlage "mit starkem Fahrbetrieb" am besten mit einer Beispielanlage beschreiben kann. Das kann man schon machen, doch so wie er es macht, ist es sehr verwirrend.
Beispiel: "Beim Gleis setzen wir auf das bewährte C-Gleis", "als Zeitalter wählen wir für unsere Bahn die Epoche IV". Der Autor setzt also voraus, dass sich der Leser bereits mit Epochen und den verschiedenen Gleissystemen auskennt? Bisher wurden solche Spitzfindigkeiten nirgends erwähnt. Ist das Heft doch nicht nur für den Einsteiger??? Er beschreibt dann weiter die Anlage, erwähnt sogar "Bremsstrecken", "Kontaktgleise" und "Kontaktabschnitte", ohne auf diese Begriffe irgendwie einzugehen, oder auf spätere Kapitel zu verweisen. Dem Einsteiger bleiben nur sehr viele Fragezeichen.
Eine weitere große Enttäuschung im Abschnitt "Verkabeln: Auf die richtige Strategie setzen". Es werden "Booster" erwähnt: Man kann sie "bei höherem Leistungsbedarf einbauen...sie müssen lediglich die für Booster vorgesehenen Strecken gegeneinander isolieren". Noch Fragen zum Thema Booster? Nein? Gut, denn weitere Antworten werden in diesem Kapitel nicht gegeben. Nur noch mehr Fragezeichen.
Beim Abschnitt "Ringleitung bringt Sicherheit" habe ich nur noch mit dem Kopf geschüttelt! Man hätte hier so viel Wichtiges schreiben können! Welche "Verteilerstellen"? Warum wird ein Kabelquerschnitt von 0,75 mm empfohlen? Und warum geht es in diesem wichtigen Grundlagenabschnitt, in dem es über das wichtige Thema der Verkabelung einer Modellbahn gehen sollte, ausführlich über das Basteln einer Schublade für eine CS 2?
Bei "Kabelschlaufen an Modulübergängen" hatte ich schon so einen Hals, dass ich nur noch dachte: Stöhn! Eine Modulanlage ist es auch noch!
Auch die zweite "komplexe" Beispielanlage hat es in sich: Ausführlich wird die Streckenführung und die Landschaft beschrieben, wobei man sich hier wenigstens die Mühe machte, zu den auftauchenden Fachbegriffen wie Kontaktgleise, Booster usw. zum Teil weiterführende Seitenangaben zu machen.
Dem Einsteiger bleiben nur viele unbeantwortete Fragen. Eine digitale Steuerung anhand dieser Beispielanlagen zu erklären ist meiner Meinung nach komplett gescheitert.
Wie gesagt: Der Einsteiger hätte spätestens ab Seite 14 nicht weiter lesen sollen. Darum springen wir auf Seite 46.
Denn hier beginnt das wirkliche Heft für den Einsteiger.
Es werden die wichtigsten Märklin-Produkte nochmals beschrieben (Einbau digital schaltbarer Weichen, Signale usw.) und die MS 2 bekommt nochmal ein etwas ausführlicheres Kapitel, was man mit ihr alles steuern kann. Auch die Central Station 2 wird umfassend vorgestellt, wobei es sich hier leider nur um eine wortreiche Beschreibung ihrer Möglichkeiten handelt, als um eine echte Bedienhilfe. Aber nach dem ganzen Wirbel um zwei deplazierte Beispielanlagen ab Seite 14 besinnt man sich scheinbar wieder auf den Einsteiger und potenziellen Kunden und legt ihm eine Entscheidungshilfe zur Hand. Wer die CS 2 bereits besitzt kann getrost weiterblättern auf Seite 64.
Es folgt eine ausführliche Bedienanleitung der CS 2. Aber: Wer die dazugehörige Gebrauchsanweisung gelesen hat erfährt auch hier nichts Neues (die CS 2 Gebrauchsanleitung gibt es übrigens kostenlos im Netz).
Und dann streift man sogar das Eingemachte: Wie man Lokdecoder einbaut und programmiert. Gut, dass es angesprochen und die Möglichkeit des Selbsteinbaus aufgezeigt wird. Als Grundlage hilft es, aber einen Einsteiger würde ich nach diesem kurzen Abriss nicht an meine Loks lassen....
Spätestens ab hier war mir klar: Das habe ich alles schon mal gelesen! Bei diesen Kapiteln handelt sich um eine Sammlung der Technik-Artikel aus dem Märklin-Magazin, die auch kostenlos als pdf-Download auf der Märklin-Internetseite zur Verfügung stehen (unter "Journal - MärklinMagazin - Downloads - ThemenSpecials und Serien"). Diese Kapitel sind wirklich hilfreich und seien jedem Märklinfahrer wärmstens empfohlen. Sie sind lesenswert auch in diesem Heft.
Den Abschluß bildet eine Frage/Antwort-Seite und eine Aufstellung aller aktuellen und alten Märklin-Steuergeräte, Codiertabellen und Kabelfarben.
Fazit: Ich habe vielleicht nicht viel Ahnung von Fachliteratur über die Modellbahn, aber eines weiß ich: Dieses Heft ist lieblos zusammengestückelt, sowohl ungeeignet für den Einsteiger, als auch ärgerlich für den Fachmann. Kostenlose Internetseiten wurden einfach zusammengestellt und verklebt. Einen fachkundigen Lektor hat man sich gespart. Wer keinen Computer mit Internetanschluss hat, um damit auf die kostenlosen pdf-Downloads des Märklin-Magazins zu kommen, sei es zur Not empfohlen. Ich habe mich sehr geärgert über dieses Heft, das immerhin 19,99 € kostet - für Internetuser ist es ist keinen Cent davon wert.
P.S.: Auf dem Heftrücken steht 'Märklin digital 01' ' Band 02 kann nur besser werden
Das tat nun gut und ich danke für euer Interesse.
grüssle
gregor der nun frohen Mutes zurück in den Hobby-Keller geht