RE: Märklin-Challenger 39912 mit verbesserter Kurvenlage

#1 von shaddowcanyon , 01.09.2018 15:35

Hallo zusammen,

Ein klein wenig Tuning ist bei praktisch jeder Lokomotive möglich. Sicher auch bei meinem noch neuen Challenger von Märklin. Für einen Maschinenbauer und ehemaligen Mitglied eines Ralley-Teams ein Muss.



Das Fahrgestell der Lok ist eine aufwändige Konstruktion aus vielen Teilen: zwei Drehgestelle mit jeweils 3 Treibachsen und zusätzlich einem beweglichen Vor- und Nachläufer-Gestell, mit Schneckenantrieb, allerlei Stangenmechanik und zahlreichen Kabeln für Licht, Rauch, Radsensoren, Masse. Allein der Rahmen der Lok ist so lang wie die GG-1. Er passt auch durch R1-Kurven.

Mir ist allerdings aufgefallen, dass in engen Kurven nicht immer alle Räder der Lok auf dem Gleis aufliegen, vor allem wenn schwere Züge am Haken hängen. Auf kleinen Kreisradien kam es dann ab und zu zu einer Entgleisung. Um es gleich zu betonen: meine Lok ist technisch zu 100 % in Ordnung, und vom Werk wurde alles völlig korrekt montiert. Kein Fall für den Service also.

An den beiden Drehgestellauflagern habe ich geringfügige Änderungen vorgenommen, reversibel wie bei allen meinen Umbauten. Ich denke, dass sich dadurch das Kurvenverhalten der Lok und die Schienenlage an Steigungen verbessert hat. Erste Versuche waren sehr vielversprechend. Aber die weitere Erfahrung muss noch zeigen, ob sich das "Tuning" insgesamt bewährt. Werde berichten.

Zunächst zum hinteren Drehgestell. Dieses ist mit einer Zylinderschraube am Rahmen befestigt. Die Schraube ist, wenn man das Gehäuse öffnet, unter der hinteren Kardanwelle zwischen dem Zentralmotor und dem Schneckengetriebe gelegen. Schnecke und Kardanwelle muss man ausbauen, um an diese Schraube zu gelangen.



Die Schraube trägt auf ihrem Schaft eine Spiralfeder. Sie sorgt dafür, dass das Drehgestell von unten fest gegen den Rahmen gedrückt wird. Nicht anders als bei den meisten anderen Drehgestell-Loks.

Ich habe diese Spiralfeder nun durch ein schwächeres Exemplar ersetzt, das ich von einer Kulifeder abgeschnitten habe. Die neue Feder habe ich so geschnitten und gebogen, dass sie, wenn man die Lok leicht über das Gleis anhebt, unter dem Eigengewicht des hinteren Drehgestells zusammengedrückt wird. Bei der Originalfeder ist das nicht so. Die hält das Drehgestell dann weiterhin fest am Rahmen. Links die neue Feder, rechts das Original:



Der Vorteil der neuen Feder besteht darin, dass das Drehgestell vorne vom Rahmen um maximal einen Millimeter abkippen kann. Die Gefahr des seitlichen Kippens besteht aufgrund der besonderen Lagerkonstruktion nicht. Wenn nun die Lok z.B. durch eine leichte Mulde fährt, dann kann das Drehgestell nunmehr dem Steigungsverlauf des Gleises folgen. Die Räder bleiben mit dem Gleis auch in der Mulde in Kontakt. Die Gefahr, dass die beiden vorderen Treibachsen dieses Drehgestells bei unebenem Gleisverlauf von den Schienen springen, ist beseitigt.


Etwas Ähnliches habe ich auch am vorderen Drehgestell versucht. Hier kommt noch dazu, dass die vordere Treibachse einschließlich des Vorläufers manchmal den Kontakt zum Gleis verliert, wenn die Lok eine große Zugkraft aufbringen muss. Die Ursache besteht darin, dass das Auflager des Rahmens nahezu direkt über der hinteren Treibachse des vorderen Treibgestells liegt. Da diese Achse auch noch zwei Haftreifen hat, drückt sie durch ihren großen Beitrag zum Vorschub die vor ihr liegenden Achsen einfach vom Gleis ab. Auch eine noch so stramme Feder unter der Befestigungsschraube (die unter der vorderen Kardanachse gelegen ist) könnte das nicht verhindern. Also habe ich eine andere Tuning-Lösung probiert: ein zusätzliches Federblech, das das vordere Drehgestell am Abheben hindern soll. Der Umbau ist nicht einmal kompliziert, aber erforderte wegen der notwendigen Demontage und des anschließenden Zusammenbaus von Antrieb und Drehgestell eine OP von 1 1/2 Stunden. Ein Satz Uhrmacher-Schraubenzieher und eine spitze Pinzette sind überaus nützlich. Beim nächsten Mal geht es bestimmt schneller, aber ich musste zuerst einmal Schraube für Schraube und an Hand der Explosionszeichnung die Gesamtkonstruktion verstehen lernen.

Zunächst die Blattfeder: die habe ich aus einer alten Kontaktfeder aus einem Wagenbeleuchtungsset 73150 herausgeschnitten. Die Kontakfeder besteht aus dünnem Federkupfer und ist mit der Schere leicht zu schneiden. Zwei 2-mm-Löcher habe ich zwecks Befestigung am Treibgestell hineingestanzt.



Hier das vordere Treibgestell nach dem Ausbau. Antriebsschnecke und Kardanwelle entfernen, Befestigungsschraube lösen. Auch diverse kleine Platinen habe ich ausgebaut, damit mir dort kein Drähtchen abreißt. Die Dampfleitungsimitationen musste ich auch vom Rahmen ablösen. Bei der Mittleren ist ein Sprengring zu entfernen. Die beiden Äußeren habe ich an den Gelenken mit einer schmalen Schraubenzieherklinge vorsichtig ausgeklipst.



So, das Federblech ist drin. Es wird von den beiden kleinen Schrauben, die auch den Träger für das Stangengetriebe halten, einfach mitbefestigt. Nicht vergessen: Masseleitung wieder unterklemmen.



Einige Versuche musste ich machen, um das Federblech in die richtige Form zu bringen. Es soll ja von unten leicht gegen den Kessel drücken, wenn dieser aufgesetzt ist und das Treibgestell gerade ausgerichtet ist:



Geschafft! Jetzt nach und nach alle Teile wieder einbauen und festschrauben. Das geht einfach und ohne irgendwelche bruchgefährdeten Plastik-Rastnasen biegen zu müssen.





Das Schneckengetriebe. Die beiden Messinglager vor und hinter der Schnecke müssen genau in die richtige Stellung gedreht werden, wie es das Bild zeigt. Sonst geht der Deckel nicht drauf:



Ich habe darauf verzichtet, die Kuppelstangen des vorderen und des hinteren Treibgestells wieder in die gleiche Stellung zu bringen. Werksseitig war das so eingestellt (vielleicht auch Zufall). Bei einer großen Duplex-Lok ist das sowieso beliebig.

Probefahrt. Alles o.k.



Hier noch ein Foto von der neuen Feder. Das schräge spiegelnde Blech unter dem Kessel über der ersten Treibachse. Kaum zu erkennen.



Jetzt heißt es einfach nur fahren. Im Automatikbetrieb auf meiner Anlage war bisher nichts zu bemerken. Ein Abheben der Räder konnte ich bis jetzt nicht mehr feststellen. Die Kurvengängigkeit hat nicht gelitten und es klemmt auch nichts. Da ist die Lok war auch nur mit leichten Zügen unterwegs.


Grüße

Hans Martin


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RE: Märklin-Challenger 39912 mit verbesserter Kurvenlage

#2 von Mercutius , 02.09.2018 18:56

Ich mag diese dicken Amis ja auch irgentwie . Als damals das erste mal der Big Boy angekündigt wurde, wurde ich nur dafür ein Insider-Mitglied, habe den Trumm dann aber doch nicht gekauft *lach*.

Aber Dein Umbau gefällt mir! Gerade was die Druckverteilung der Achsen angeht, musste ich ja auch einiges experimentieren, von daher fand ich Deinen Umbau besonders spannend!

Gruß

Peter


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RE: Märklin-Challenger 39912 mit verbesserter Kurvenlage

#3 von shaddowcanyon , 08.09.2018 16:39

Hallo Peter,

Ja, diese dicken Brummer sind schon beeindruckend. Gerade auch der Challenger macht sich auf meiner eher kleinen Anlage sehr gut. Ich hatte vergangenes Wochenende auch schon wieder einen langen Güterzug eine Zeit lang über alle Gleise und Weichenstraßen meiner Anlage kreisen lassen. Dabei hatte ich immer eine starke LED-Taschenlampe in der Hand und einen kritischen Blick auf die Räder.

Fazit: die Gleislage ist bei hoher Zugbelastung in der Tat deutlich besser als vor dem Umbau. Speziell der Umbau des vorderen Treibgestells hat einiges gebracht. Die Vorläuferachsen heben nicht mehr vom Gleis ab. Ich hatte einige wacklige Stellen in manchen Kurven, wo so ein langer Kohlezug nochmals mehr Reibung hat als auf der geraden Strecke. Jetzt liegen alle Räder der Lok auch hier sauber auf den Schienen auf. Man merkt deutlich, wie die Radkränze der Antriebsräder in der Kurve innen gegen die Schienen drücken. Trotzdem läuft die Lok sehr ruhig.

Der Umbau ist natürlich kein Allheilmittel gegen jegliche Entgleisung auf uneben verlegten Gleisen. Da stellt so eine lange, vielachsige Lok doch höhere Anforderungen als eine einfache vierachige Drehgestelllok. Aber trotzdem hat sich der Umbau gelohnt, und der lange Zug darf jetzt auch mal unbeaufsichtigt über die hohen Abgründe an meiner Anlage kreisen.

Grüße

Hans Martin


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RE: Märklin-Challenger 39912 mit verbesserter Kurvenlage

#4 von jerdenberg , 18.09.2018 19:02

Hallo Hans Martin,

Danke vielmals für dieses Bericht! Gut zu wissen wenn ich mich einmal ein Challenger erlauben kann!

Jeroen


 
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