Hallo Vinc,
ich bin durch Zufall hier auf dein Thema gestoßen und hoffe dir mit meinem Bericht eine weit objektivere Sicht auf Digitalsteuerungen geben zu könne. Vor allem auch welche Möglichkeiten diese mit welchem Aufwand mitbringen – automatische Zugbeeinflussung.
Zunächst einmal möchte ich dir etwas mit auf den Weg geben:
Alle Fragen/Threads die das automatische Halten vor Signalen oder eben Langsamfahrt-Strecken in irgend einer Form zum Thema hatten, endeten immer mit dem Verweis auf Softwaresteuerung als Universalllösung. Zum einen weil es keine wirklichen Alternative zu geben scheint, - die es gibt zu teuer, zu aufwändig oder zu unsicher im Betrieb sind.
Ganz nach dem Motto: Willst du es „richtig“ machen, braucht deine Anlage eine Softwaresteuerung.
Der Aufwand hält sich da doch in Grenzen oder ist bestenfalls sogar etwas geringer als bei den Alternativmöglichkeiten ohne Software. Außerdem werden auch die Vorteile für zusätzliche Features die eine Softwaresteuerung mit sich bringt betont.
Bis hierhin wäre für mich auch alles in Ordnung, dem stimme ich auch größtenteils zu, auch wenn durch das Verschieben des Fokus auf zusätzliche Features einer Softwaresteuerung in gewisser Weise auch vom Thema abgelenkt wird. Was ist aber wenn der Fragesteller wirklich nur an der einer oder den zwei Funktionen interessiert ist?
Weigert sich der Fragensteller aber nun seine Anlage mit Software zu steuern – aus oft sehr berechtigten und nachvollziehbaren Gründen, oder äußert sich kritisch und skeptisch gegenüber dieser Möglichkeit, so gehen einige schnell auf die Barrikaden. Sie fühlen sich teilweise persönlich angegriffen, wenn man nicht so begeistert von deren Universallösung ist. Dann kommt es zu teilweise abstrusen Behauptungen und Rechtfertigungen für so eine Softwaresteuerung. Von dem Ein- oder Anderen wird man als Software-„Hasser“, Software-„Verteufler“ hingestellt.
Teilweise ist sogar von einem „digitalen Konzept“ die Reden, das eben angeblich schon seit jeher auf Softwaresteuerung setzt, wodurch man versucht die Softwaresteuerung als Universallösung zu rechtfertigen und deren Einsatz als fast schon grundlegende Sache zu etablieren. Digital- und Softwaresteuerung einer Anlage praktisch unzertrennbar!?
In anderen Threads habe ich gelesen, wie Modellbahner immer wieder kritisiert werden, wenn sie eine simple, betriebssichere, der Digitaltechnik entsprechende, preislich angemessene Lösung für - aus ihrer Sicht – grundlegen Funktionalität einer Modellbahnsteuerung fordern.
Angeblich gehöre das nicht grundlegend dazu, oder es wird zynisch auf die Stromlosabschnitte aus der Analogzeit verwiesen auch wenn das einer Digitalsteuerung nun wahrlich überhaupt nicht gerecht wird.
Ich möchte dir hiermit einfach etwas Mut zusprechen, die Dinge die dir erzählt werden durchaus kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen. Oft ist es so, dass man an etwas sehr wahrem oder grundlegenden Problem dran ist, je mehr „Gegenwind“ einem entgegenbläst.
Du musst dich auch nicht davon abbringen lassen, das automatische digitale Halten vor Signalen oder andere Zugbeeinflussung als eine Grundfunktionalität des Hobbys Modelleisenbahn anzusehen und dies auch von einer Digitalsteuerung zu fordern. (zumindest von einer zeitgemäßen Digitalsteuerung)
Mit Themen die die automatische Zugbeeinflussung betreffen, ebenso wie solche die bidirektionale Kommunikation mit Decodern betreffen, legt man immer ein wenig den Finger in die Wunde.
(*mit Softwaresteuerungen meine ich übrigens jene, die auf PCs, embedded PCs, Tabletts, o.ä. laufen (siehe Rocrail, iTrain, Train Controller, Win-Digipet, Z21-App, … und nicht solche die im Mikrocontroller eines Decoders oder als Firmware eines Handreglers etc. für dessen Funktion sorgt.)
Zum eigentlichen Thema:
Hierzu ein lesenswerter Artikel zu den verschiedenen Systemen aus der MIBA-EXTRA (Modellbahn digital 6)
http://www.zimo.at/web2010/aboutus/miba_extra0510b.pdf
Man sollte sich mal vor Augen halten, dass die Technik, die bei der Informationsübertragung ALLER bekannteren Digitalsysteme (DCC, MM, mfx, SX) aus den 70ern, frühen 80ern des letzten Jahrhunderts stammt – also mindestens 40 Jahre alt ist. Diese ist bis auf ein paar Anpassungen und Erweiterungen bis heute praktisch unverändert.
Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen, sofern es die Anforderungen (auch aktuellere) erfüllt. Tut es das? Ich denke nein. Grundlage meines Eindrucks: Forderungen und Vorstellungen die auch in diesem Forum regelmäßig geäußert werden, aber enttäuscht werden müssen. Ich nenne es nicht zeitgemäß aber noch viel schlimmer, den geforderten Aufgabe nicht genügend.
Und um gleich noch etwas klar zu stellen, das Argument, man dürfe aufgrund von Kompatibilitätsproblemen hieran nichts ändern, weil alles zueinander kompatibel (Stichwort Multiprotokoll) sein muss, ist in diesem Fall zumindest geradezu lächerlich. Es gibt genug Rollmaterial 40 Jahre und älter, was auf heutigen, modernen Schienen (Gleissystemen) nicht mehr läuft. Und noch viel wichtiger, es bleibt ja unbenommen, auch heute eine Anlage mit der Technik von vor 20, 30, 40 oder mehr Jahren aufzubauen, worauf dann natürlich auch altes Material und Technik zum Einsatz kommt.
Für neue Anlagen bleibt ja auch fast immer die Möglichkeit des Umbaus (Modernisierung) alter Modelle mit getauschten Radsätzen und neuen Decodern.
Ich habe schon gesehen/gelesen, dass ich auch durchaus nicht der einzige bin, der sich daran stört, wie verbissen an der 30 Jahre alten Norm des DCC-Protokolls festgehalten wird, deren technische Errungenschaft ja - wie erwähnt, noch einmal 10, 20 Jahre älter ist.
Ich finde es durchaus gut, wie hier der ein oder andere seine Sicht der Dinge, oder ganz nüchtern nur die ihm bekannten Möglichkeiten das Thema betreffend schildert.
Aber Vorsicht: Der Grad zwischen Beschreibung, Erklärung und Verklärung ist oft schmal.
Das sind dann die Situationen, wie sie du schon erkannt und hier geschildert hast, wo man das Gefühl hat es wird einem nicht die ganze Wahrheit gesagt und erst wenn man anfängt und dann nach z.B. einem einfachen digitalen automatischen Halt fragt, heißt es eben: „Ja, dafür brauchen sie Modul/Baustein XY und Decoder XY oder Software mit Rückmeldemodulen etc.“
Ich habe dir ja letztes Jahr gezeigt, dass sich vieles auch deutlich einfacher und viel viel kostengünstiger realisieren lässt und eine Software – zumindest für diesen Zweck – auch überhaupt nicht zwingend notwendig ist. Nur weil es die breite Masse nicht kennt oder nicht weiß, heißt das nicht, dass es weder technisch nicht möglich noch nicht existent wäre.
Man muss halt immer auch bereit sein, über den Tellerrand zu schauen und sich von seinen festgefahrenen Einstellungen lösen und etwas nüchtern betrachten.
Johannes Einwurf finde ich da sehr treffend:
Die Frage danach, wie ein Digitalist, ohne Ahnung von Analog, [Ergänzung von mir: aber auch ohne Ahnung bestehender Systeme] eine Forderung (hier Langsamfahrt) umsetzten würde.
Ich käme da bspw. niemals einfach oder direkt zu der Lösung: Überwachte Anlage mit einer Softwaresteuerung dahinter.
Ein schönen Tag wünsche ich dir!