Guten Abend,
tut mir Leid für die späte Antwort, vielleicht muss ich doch weiter ausholen, um es vielleicht in einen Kontext einzuordnen.
Ich möchte noch einmal betonen: Es wurde bisher kein Beweis erbracht, dass die Messstation am Neckartor am falschen Standort stehen würde. Der Standort einer Messstation wird nicht nach politischen Wünschen ausgesucht, sondern steht im Einklang mit den Vorgaben der EU und des Bundes. Und auch das Bundesumweltministerium, das die Rechtsgrundlage verantwortet, hat in Vergangenheit mehrfach bestätigt, dass der Standort rechtskonform sei. Bestünden Zweifel am Standort, hätte die CDU dies sicherlich im Koalitionsausschuss angesprochen.
Denn nur weil man die Messstation an einen anderen Standort verlegt, wird die Luft nicht besser, auch wenn die Messergebnisse etwas anderes suggerieren würden. Da kann die AfD sich noch sehr mit Händen und Füßen gegen die Vernunft und gegen Fakten wehren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg baute man viele Städte nach den Prinzipien einer „autogerechten Stadt“ auf. Aus unserer Heimat sind Pforzheim und Stuttgart Beispiele für dieses Konzept, aber auch die Kriegstraße in Karlsruhe: Man hat die gesamte Stadt- und Verkehrsplanung auf das Auto zugeschnitten. Alles wurde dem Auto unterworfen, man baute breite Schneisen mitten durch die Stadt, man nahm keinerlei Rücksicht auf historisch bedingte Stadtstrukturen. Alle anderen Verkehrsträger wurden dem Auto untergeordnet, man riss sogar die Schienen der Straßenbahn aus den Straßen, schließlich galt die Straßenbahn als veraltet.
Die Zeit zeigte, dass das Konzept auf ganzer Linie scheiterte. Es gibt natürlich Städte, die das nicht ei sehen wollen, wie zum Beispiel Hamburg, wiederum haben andere Städte mit sehr viel Geld ihre Straßenbahn wiederaufbauen müssen (zum Beispiel Heilbronn). Es hat sich gezeigt, dass der Verkehr mitnichten flüssiger lief; denn mehr Straßen bedeuten mehr Verkehr.
Was es braucht, sind moderne Verkehrkonzepte. Große Teile der FDP fordern „intelligente Verkehrsleitsysteme“ – diese Forderung muss allerdings zwangsläufig davon ausgehen, dass Verkehrsingenieure grundsätzlich unfähig sind. Jede bessere Lichtsignalanlage (wie Ampeln eigentlich heißen) in Stuttgart ist mit der Integrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) verbunden, dennoch ist der Einfluss der IVLZ auf den Verkehr begrenzt. Die Tätigkeit der IVLZ beschränkt sich lediglich auf die Wirkung des Verkehrs, nicht jedoch auf die Ursachen der Verkehrsprobleme. Bemerkenswerterweise hat die FDP im Regionalrat erkannt, dass nur ein massiver Ausbau des ÖPNV Fahrverbote verhindern kann.
Ich kenne mich mit Thermodynamik kaum aus – ich wage aber zu behaupten, dass die Schadstoffemissionen am Neckartor nicht durch das Restmüllheizkraftwerk in Stuttgart-Münster verursacht werden, sondern durch die Autos, die an der Messstation vorbeirollen. Im Übrigen halten Industrieanlagen im Gegensatz zu Autos die Grenzwerte auch ein, Du glaubst gar nicht, wie emissionsarm z.B. Block 9 des Großkraftwerks Mannheim ist. Natürlich tragen Industrie und Privathaushalte nicht unerheblich zur Luftverschmutzung bei, allerdings trägt der Autoverkehr in einem besonderen Maße zu den lokalen Emissionen bei und genau hier liegt der Hase begraben.
Natürlich sorgen gerade Heizöfen privater Haushalte für erhebliche Emissionen, allerdings hat man sich im Sinne des Abwägungsgebots dafür entschieden, den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu beschränken. Ein Verbot von Heizungen käme einer Enteignung gleich, außerdem stünden Betroffenen keine Alternativen zur Verfügung. Führt man hingegen Fahrverbote ein, handelt es sich strenggenommen nur um Nutzungsbeschränkungen, die im Straßenverkehr üblich sind, schließlich darf ich mit einem Trecker nicht über eine Autobahn tuckern oder außerhalb der Lieferzeiten mit dem Auto durch Fußgängerzonen fahren.
Ich kann mich nur wiederholen, der Autoverkehr schafft nicht nur für Umweltprobleme, sondern verschärft die Platznot in Städten. Zu behaupten, es gäbe genug Tiefgaragenstellplätze, ist schlichtweg falsch. Im Stadtbezirk Stuttgart beträgt die Siedlungsdichte 12.158 Einw./km² und dann verrate ich Dir noch, dass im Schnitt jeder zweite Stuttgarter ein Auto besitzt. Selbst in Zonen mit Parkraumbewirtschaftung gibt es ein Mangel an Stellflächen, es wird sehr viel falsch geparkt und zwar derart, dass die Feuerwehr im Brandfall überhaupt nicht durchkäme. Nicht umsonst ist Parken an Kreuzungen verboten.
Das Auto ist das ineffizienteste Verkehrsmittel in der Stadt. Es steht 23 Stunden am Tag nutzlos herum und verbraucht wertvollen Raum – und wenn es denn mal bewegt wird, dann sitzen nur 1,2 Personen im Auto. Ein Bus oder eine Stadtbahn sind in jeder Hinsicht raumsparender, schon alleine weil sie von morgens bis abends rollen. Ein 18 m langer Gelenkbus verbraucht innerorts im hügeligen Stuttgarter Talkessel etwa 40 l Diesel auf 100 Kilometer. Bei einer durchschnittlichen Auslastung von 12 % ergibt sich daraus ein Verbrauch von 2,2 l pro 100 Personenkilometer. Selbst wenn die Stadtbahnen in Stuttgart mit dem dreckigsten Strom aus einem veralteten Braunkohlekraftwerk in Ostdeutschland betrieben werden würden, sind sie umweltfreundlicher unterwegs als jedes Auto. Darüber hinaus ist die Stadtbahn in jedem Fall lokal emissionsfrei. Die Kunden der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), aber genauso Kunden der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) oder Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) leisten einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende: Die genannten Verkehrsunternehmen aus unserer Region bezahlen 100 % Ökostrom.
Aus verschiedenen Gründen muss der Autoverkehr reduziert oder beschränkt werden, im Übrigen bedeutet weniger Autoverkehr auch mehr Lebensqualität. Wenn ich den Karlsruher Hauptbahnhof verlasse, stehe ich auf dem Bahnhofsvorplatz, dort fahren Bahnen, Busse und Taxen ab, es ist nur ein Katzensprung zum Zoo. Wenn ich das in Stuttgart täte, würde ich überfahren werden.
Wir brauchen in der Stadt ein integriertes Verkehrsangebot, das alle Verkehrsträger, auch das Auto, miteinbezieht, um Mobilität umweltverträglich zu gestalten.
Dazu müssen eben auch Fahrspuren für den Autoverkehr reduziert werden und umgewandelt werden. Das reduziert den Autoverkehr und eröffnet Möglichkeiten, Raum umzuverteilen, eben um den Fahrrad- und Fußgängerverkehr zu fördern.
Es ist schade, dass Du Deine Argumentation ausschließlich auf die Schadstoffemissionen versteifst. Du vergisst, dass das Auto in der Stadt weitaus mehr Probleme verursacht. Wären Autofahrer nicht so egoistisch, müsste man sicher nicht über Fahrverbote nachdenken. Aber wer nicht hören will, muss fühlen. Wie gesagt, nach Großveranstaltungen im Stuttgarter Neckarpark sehe ich die Kennzeichen der Autos, die im Stau stehen und Probleme verursachen. 90 % der Autofahrer könnten mit ihrem Auto zur nächsten S-Bahn-Station fahren, dort parken und kostenlos mit der S-Bahn in den Neckarpark fahren. Das ist eben die kommunale Verkehrspolitik mit der Brechstange. Ich bin auch der Meinung, dass man über die Einführung einer Stadtmaut nachdenken sollte, wenn Fahrverbote nicht den gewünschten Effekt erzielen sollten, auch wenn eine Maut kaum sozialverträglich ausgestaltet werden kann.
Ich möchte auch noch einmal betonen, dass immer mehr Menschen Bahn und Bus nutzen. Ich betone stets: So scheiße kann die moderne Eisenbahn nicht sein, wenn sie mehr denn je genutzt wird.
Grüße aus dem autogeplagten Feinstaubkessel
Viet