Am 18. Januar 1911 wurde der elektrischen Versuchsbetrieb auf der Strecke Dessau - Bitterfeld aufgenommen, damit verfügte Preußen über zwei Versuchsnetze: Elektrischer Stadtbahnbetrieb in Hamburg und Flachlandbetrieb in Mitteldeutschland. Um mehr über die Möglichkeiten unter extremen Bedingungen zu erfahren, war ein Versuchsbetrieb in bergigem Gelände nötig. Die Elektrifizierung der Eifelstrecke verbat sich das Militär, zu groß war das Risiko, bei einem Krieg mit Frankreich bei Störungen mit Truppentransporten Probleme zu bekommen.
Gute Voraussetzungen boten die schlesischen Strecken. Zwar lagen das Versuchsgebiet auch an der Grenze, aber hier zu einer befreundeten Macht. Auf der Hauptbahn zwischen Lauban und Königszelt gab es Kurvenradien bis zu 180 m und Neigungen zwischen 10 und 20 ‰. Diese Gebirgsbahn bot zudem reichhaltige Steinkohleflöze im Waldenburger Kohlenrevier und hohes Personen- und Güterverkehrsaufkommen. Im Berufsverkehr waren die Strecken oft verstopft, wenn die langsamen Dampfloks mit Vorspann geteilte Züge nur mit 15 km/h befördern konnten. Hier versprach die Elektrifizierung eine deutliche Verbesserung und Entlastung der Strecken.
Versuchsweise rüsteten die Firmen AEG, BEW und SSW im Herbst 1911 einen 1500 m langen Streckenabschnitt auf der Paßhöhe bei Jakobsthal (Strecke Hirschberg - Grünthal/Polaun) mit Kettenwerken ihrer Firmenbauart aus um Erfahrungen mit extremer Witterung, wie Schneestürmen, Raureifbildung, Eislasten und Seitenwinden zu sammeln. Als die Versuche erfolgreich waren, begann der Bau und am 01. Juni 1914 wurde der Betrieb auf der Strecke Nieder Salzbrunn - Halbstadt mit Triebwagen aufgenommen.
Modell von Trix.
Bereits 1912 hatte die Direktion Breslau 20 Lokomotiven für den schweren Güterverkehr bestellt. Eine überaus mutige Entscheidung, wenn man sich das elend mit der schweren Personenzulokomotive ansieht (Dazu später etwas.). Das Betriebsprogramm sah u.a. die Beförderung von 1200-t-Güterzügen auf 6‰ Steigung mit 20 km/h vor. Unklar war man sich noch über die Durchgestaltung der Fahrwerke, erst 2 Jahre zuvor war mit der G 10 eine fünfach gekuppelte Dampflok in Serie gegangen. Da die besagte Halbmesser von 180 m für jedes mehrachsige Fahrzeug eine Herausforderung darstelllen, entschied man sich für ein dreigeteiltes Fahrzeug, mit dem eine gute Kurvenbeweglichkeit zu erwarten war. Der Krieg verzögerte den Bau, 1915 erschien ein Baumuster, erst 1920 begann die Serienfertigung. Der Bogenlauf war einigermaßen, die Fahreigenschaften aber insgesamt so katastrophal, daß die 50 km/h nur unter starken Schlingerbewegungen zu erreichen waren. Aber sie konnte Lasten schleppen und war mit 25 bis 30 km/h auf den Rampen ohne Vorspann doppelt so schnell.
Modell von Metropolitan, beschriftet als EG 538, technisch aber eine EG 541. Abenteuerliche Farbgebung nach dem Forschungsstand der 70er, Beleuchtung nachgerüstet. Ein Zentralmotor im Mittelteil, Antrieb auf die Endgestelle.
Bausatzmodell von Westmodel, umgebautes Fahrwerk mit Rädern der E 89 von Roco, ein Faulhabermotor in jedem Triebgestell.
Für die Hauptstrecken sah man 1912 eine zweiteilige Lok vor, wieder sechsachsig und auch mit Hallschen Kurbeln. Stangen waren den Konstrukteuren von der Dampflok bekannt und zuverlässig, reine Zahnradantriebe kannte man zwar von der Straßenbahn, aber so richtig vertrauen mochte man noch nicht. Die Lok sollte 1200 t mit 40 km/ auf einer 6%igen Steigung ziehen können und wurde erst 1919 bis 1922 geliefert. Sie lief bei 50 km/h deutlich ruhiger und wurde am Mitte der 20er durch die E 91 auf die Nebenstrecken verdrängt.
Bausatzmodell von Westmodel, Ein Faulhaber in jeder Lokhälfte, Antrieb auf die Blindwellen.
1913 wurde zum Vergleich dann doch der von der Straßenbahn abgeleitete Tatzlagerantrieb für 9 Maschinen bestellt. Wieder zweiteilig, sechs Achsen, das Betriebsprogramm der EG 551/552 galt auch hier. Kriegsbedingt kamen die Loks erst 1923 auf die schlesischen Strecken und bewährten sich unerwartet gut. Später wurde die Geschwindigkeit auf 60 km/h erhöht. Von der Konstruktion stand die EG 579 Pate für die E 95.
Fertigmodell von Scholz, Auftragsfertigung von Westmodel mit Märklinfahrwerk, eine Lokhälfte angetrieben. Umgebaut auf DCC, überarbeiteter Aufbau. Neubau der Fahrwerke geplant.
Das einheitliche Typenprogramm von Wechmann sah für Mitteldeutschland, Bayern und Schlesien gemeinsame Konstruktionen vor, die Direktion Breslau bekam aber aus diesen Lieferungen nur die EG 581ff alias E 91. Die Lok ist für Schlesien eher untypisch, der Schrägstangenantrieb kam hier nur einmal zum Einsatz. Das Leistungsprogramm sah die Beförderung von 1200-t-Güterzügen auf 10‰ Steigung mit 35 km/h vor. 14 Loks wurden gebaut, alle erschienen vor ihren bayerischen Schwestern, die Siemens wegen zahlloser Kinderkrankheiten erst spät zum Laufen bekam.
Modell von Roco mit Teilen von Reitz, Faulhabermotor, Getriebe im Urzustand.
1927 erschien dann der größte Brocken, die E 95! Achtachsig, 65 km/h Höchstgeschwindigkeit und wieder Tatzantzrieb. 2500 t zog sie im Versuchsbetrieb und kostete über eine halbe Million Reichsmark, dafür bekam die Reichsbahn schon zwei Lok der BR 01.
Bausatzmodell von Günther, eine Lokhälfte angetrieben, vergrößerte Schwungmasse. Fahrwerksumbau auf RP 25 im Gange.
Weil durch den zunehmenden Güterverkehr 1928 akuter Lokmangel entstand und die E 95 zwar kraftvoll, aber arg teuer war, bestellte die Deutsche Reichsbahn noch einmal 12 Loks der Baureihe E 91 nach. Die technische Entwicklung wurde berücksichtigt und die Konstruktion gründlich überarbeitet. Es war die letzte Stangenellok die 1929 geliefert wurde, die E 44 stand schon in den Startlöchern und erschien 1930.
Modell von Märklin/HAMO, SB-Umbausatz, Umbau der Fenster im mittleren Gehäuse.
Mit dieser Lok endet die rein schlesische Ahnenreihe, die folgenden Güterzugloks wurden für alle Netze im Reich einheitlich beschafft.
Als die E 95 erschien, konnte der Dampfbetrieb auf den elektrischen Strecken endlich eingestellt werden, ab Mitte 1928 wurden alle Züge elektrisch gezogen und das blieb bis in den 2. Weltkrieg, als Turbinenschäden in Mittelsteine Einschränkungen und Lokumsetzungen nach Bayern verursachten, auch so.
Lediglich die E 95 wurde bei der DR, die E 91 bei der DB wieder in Betrieb genommen, die anderen Fahrzeuge wurden verschrottet.
Zu den Personenzug- und Schnellzugloks gibt es irgendwann später mal was.
Andreas