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Der Fluch der Akribik, Teil 74
DER EIERKARTON UNTER DEM SCHWELLENROST
Wer seine Gleise einigermaßen vorbildgerecht einschottern will, muss sich mit dem Gedanken vertraut machen, irgendetwas unter die Gleisroste zu geben, damit das Schotterbett eine realistische Höhe bekommt. Diese Höhe muss bei meinem Projekt nun festgelegt werden, sonst klappt die Anbindung der Gleistrassen an die Brücken der Höhe nach nicht. Theoretisch habe ich das Thema ja schon kurz angerissen, aber was nehme ich für ein Material?
Das Internet gibt zum Thema „Schalldämmung“ nicht viel brauchbare Auskunft, denn dort tobt ein unerbittlicher Glaubenskrieg.
Während die einen verbissen Kork unter die Gleise breiten, verachten andere alle jene, die nicht zu Gummi greifen. Während die einen meinen, Geräuschdämmung sei eine verdammenswerte Sünde, weil sie dem Modell-Zug sein natürliches Laufgeräusch nehme, meinen die anderen, ungedämmte Schienen seien widernatürlich laut und aufs härteste zu verfolgen – bis hin zur schauderhaftesten aller Strafen, der Bier-Wegnahme! Zwischen diesen Fronten tummeln sich noch welche, die mit sorgfältig scharf geschliffener Zunge alternative Methoden wie Boden-Isoliermaterialien oder Untertapeten verteidigen.
Ich beschließe also auch bei diesem Thema, nicht Meinungen zu übernehmen, sondern ein bisschen zu testen.
Wie misst man unermesslichen Radau?
Zunächst habe ich ernsthaft daran gedacht, ein Gerät zur Lärmmessung zu erstehen. Wer mit dem Begriff „Schallpegel-Messgerät“ bei Elektronik-Anbietern sucht, wird feststellen, dass ein solches Vorhaben nicht unbedingt einen Lottogewinn voraussetzt: Es sind bereits Geräte zu Preisen unter Euro 40,00 erhältlich.
Ich habe mir ein solches Gerät dann doch nicht gekauft.
Ich bin nämlich zu der Ansicht gelangt, dass der Lärm meiner Schienenfahrzeuge nicht einem Lärmmessgerät angenehm sein muss und auch niemandem sonst, sondern MIR.
Zunächst einmal habe ich einfach ein Stück Flexgleis genommen, direkt auf die Sperrholzplatte meines Segmentes aufgelegt, einen Waggon draufgestellt, den Wagen ein Stück rollen lassen und gelauscht.
Dann habe ich daneben Korkstreifen aufgelegt und obenauf ein Stück Gleis. Wiederum habe ich dem Rollen des Wagens gelauscht.
Dieser einfache kleine Versuch erbrachte folgendes Ergebnis:
Hört man gut, ist der Unterschied gewaltig. Hört man schlecht, braucht man keine Schalldämmung.
Ich entschied mich für Schalldämmung. Obwohl: das Rauschen der Räder hat was, und ich verstehe, dass manche Modellbahner mit gutem Grund ganz einfach auf die Geräuschdämmung verzichten.
Was legt man nun am besten unter den Zug?
Nein, meine Lieben, nein, nicht die Schwiegermutter. Davon rät der kriminalpolizeiliche Beratungsdienst ab.
Zunächst griff ich zu Kork. Ohne besonderen Grund. Vielleicht, weil das Material gut riecht und sich angenehm anfühlt.
Die Korkpackung, die ich für meinen kleinen Versuch verwendete, war in meinem Moba-Keller schon eine Weile geöffnet herumgelegen. Der Hersteller beschreibt, was zu bezweifeln ich keinen Anlass habe, die Länge seiner Korkstreifen mit 50cm. Dies wird zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Ware sicherlich gestimmt haben. Mein Maßstab zeigt jedoch nicht 50cm, sondern 49,5. Fünf Millimeter Schwund auf nur 50cm Länge.
Auch der Bodenbelag-Handel und die Weinbauern berichten, dass Kork unter bestimmten Voraussetzungen schwindet. Wer mit dem Modellbahn-Budget sparsam umgehen muss, wird zudem feststellen, dass guter Kork nicht billiger ist als andere Dämmmaterialien. Das gezeigte Produkt wurde um Euro 18,40 verkauft, die Packung enthält 3 Laufmeter, das sind Euro 6,13 je Laufmeter.
Man könnte nun testen, ob man den Korkschwund kontrolliert beherrschen kann, indem man den Kork einfach längere Zeit vor dem Einbau geöffnet im Moba-Keller einlagert. Mir ist das zu ungewiss, ich will nicht warten, ich entscheide mich gegen Kork.
Auch Untertapeten und Trittschalldämmungen scheide ich aus reiner Willkür aus meinen Überlegungen aus. Diesen beiden Materialien ist gemeinsam, dass man leicht Dellen hineindrücken kann. Das ist so manchem Modellbau-Kollegen nicht wichtig. Aus dem gleichen Grund, nämlich weil Geschmäcker und Ohrfeigen verschieden sind, entscheide ich mich gegen dieses Material.
Rolf sein Gummi
Heute sind zwei Weinert-Dämmmatten, einige Streifen unterschiedlicher Breite und Dicke, sowie eine Dose Flexkleber eingetroffen.
Eine erste Überraschung bei der Entnahme aus der Packung ist, man kann das Material rollen, ohne dass es anschließend die Rollenform hartnäckig beibehalten will. Das ist eine praktische Eigenschaft. Legt man es in größeren Bögen auf, strebt es nicht in die Ausgangslage zurück, sondern es bleibt liegen, wie man es hingelegt hat. Das gilt auch für die breiten Streifen:
Wie dick muss zuverlässiger Gummi sein?
Wieder wende ich meine höchst subjektiv gefärbte, verlässlich absolut unwissenschaftliche Methodik an. Ich lege vorne einen 3mm-Streifen auf, drauf ein Flexgleis, und lasse einen Wagen darauf rollen. Dahinter liegt ein 6mm hoher Streifen mit einem gleichartigen Flexgleis bereit, auf welchem ich gleich anschließend den selben Wagen rollen lasse.
Das Ergebnis überrascht, ich wiederhole den Versuch mehrmals. Aber es bleibt dabei: Es scheint egal zu sein, ob 3 Millimeter oder 6 Millimeter Stärke – die Geräuschentwicklung erscheint mir völlig gleich, mein nicht ganz unmusikalisches Ohr vermag keinen nennenswerten Unterschied zu entdecken.
Billiger Gummi für geschickte Sparefrohs
Anschließend experimentiere ich noch ein wenig mit der Bearbeitbarkeit der Weinertschen Gummiplatten. Dabei stellt es sich heraus, dass sich die 3mm-Platte entlang eines Stahllineals hervorragend schneiden lässt. Wer also knapp bei Kasse ist, aber immerhin über ein präzises Händchen verfügt oder gar kostenlosen Zugang zu einer großen Schneidemaschine hat, der kann immerhin etwa 29 34-Millimeter-Streifen von einer Platte abschneiden. Das reicht für 29 Laufmeter Schiene und kostet bei einem Straßenpreis der Platte von Euro 20,00 pro Streifen ca. 70 Cent gegenüber einem Straßenpreis je fertig zugeschnittenem Streifen von ca. Euro 1,50.
Wie hoch hinaus fährt die Bahn?
Im Görtschitztal beträgt die Höhe des Schotterbettes beim Original 40 – 50 Zentimeter. Auf der Nebenbahn werde ich 3mm-Material unter 1,8 Millimeter hohe Schwellen legen, das entspricht 42 cm beim Vorbild. Ebenso mit 3- Millimeter-Streifen wird bei mir der gesamte Schattenbahnhof ausgelegt.
Für Hauptbahnen sah die DV820 eine Schotterbett-Höhe von 57 cm vor, das sind in H0 6,5 Millimeter. Wenn man 6,8 Millimeter für die frühe Epoche III nicht als erheblich übertrieben ansieht, bieten sich 5-Millimeter-Streifen als Unterlage an.
Diese beiden Maße für die Höhe des Schotterbetts, also 4,8 und 6,8 Millimeter - entsprechen übrigens auch exakt den in Willy Kosaks HP1, Nummer 42, Seite 42 gezeigten Querschnitten aus KPEV-Zeiten…
Meine „Operation Holzwurm“ kann nun unbekümmert fortgesetzt werden, denn ich weiß jetzt, mit welchem Material ich arbeiten werde, um wieviel die Trassenbretter meiner Hauptstrecke tiefer liegen müssen als jene des Schattenbahnhofs und der Nebenbahn.
Und für kommende Woche ist herrliches Moba-Wetter angesagt!
Liebe Grüße vom Wörthersee
Karl