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Der Fluch der Akribik, Teil 215
SCHNEIZTIACHLBAUANTRAKTA
Alle vier Spantenwagen-Fahrgestelle haben nun Lösezüge, geänderte Bremsumstellhebel und Verbindungsstangen zwischen den Umstellhebeln. Ebenso wurden weitere 12 Steher vorbereitet, die später Dächer und Plattformgeländer verbinden werden. Was an Messing sich’s gefallen ließ, ist brüniert. Viel Arbeit, aber schnell erzählt, und auf einem Vergleichsfoto würde man kaum einen Unterschied bemerken zwischen zwei sehr ähnlichen, rollenden Krankenhausbetten. Ich verzichte daher diesmal auf ein Foto.
Und was hat das alles mit „Schneiztiachlbauan“ und „Trakta“ zu tun?
Nun, ein Schneiztiachlbaua (Schneuztüchleinbauer) ist ein Agronom, dessen Landwirtschaft so klein ist, dass sie fast auf einem Taschentuch Platz hat. Nach dem Krieg gab es ihrer noch viele, und diese kleinen Landwirtschaften reichten immerhin aus, um eine große Familie zu ernähren. Man hatte einen entsprechend groß dimensionierten Garten, Kartoffel, Hühner, Schweine, Ziegen, und ein oder zwei Milchkühe. Für ein Pferd reichten die Mittel häufig nicht, das borgte man sich zur Heuerntezeit von einem größeren Nachbarbetrieb aus.
Und dann kam der Steyr 80. Ein kleiner, billiger Traktor, der prompt zum Verkaufsschlager wurde und 60.000 Mal verkauft werden konnte. Auch viele "Schneiztiachlbauan" wurden in die Lage versetzt, sich so einen kleinen, sprichwörtlich zuverlässigen und robusten "Trakta" zu leisten. Ich habe euch in diesem Zusammenhang schon früher die hervorragende Website www.zuckerfabrik24.de empfohlen, auf welcher unter anderem auch der 80er und seine Varianten ausführlich beschrieben werden.
Und was das mit meiner Anlage zu tun hat?
Nun, auf einer Anlage, die das Jahr 1955 in Kärnten zeigen will, ist er ein unverzichtbares Fahrzeug. Wichtiger als jeder Pkw – nur der VW Käfer ausgenommen. So unverzichtbar ist er, dass ich mich vor über 20 Jahren entschloss, die quälende Vernachlässigung dieses Themas durch die Modellbahnzubehörindustrie nicht mehr hinzunehmen, mich tapfer dagegen aufzulehnen und mir kurzerhand mit Hilfe einer Typenskizze aus einem Zulassungsschein einen 80er selbst zu bauen:
Dieses Fahrzeug wurde gänzlich aus Polystyrol geschnitzt, nur die Räder und die Kotflügel stammten von einem Schlepper aus dem Hause Preiser. Und da mussten Kompromisse eingegangen werden: die Hinterräder waren zu hoch, die Felgen erinnerten nur sehr ungefähr an das Original, und auch sonst entsprechen einige Details nicht mehr meinen heutigen Ansprüchen.
Anlässlich der Gestaltung des Ladegutes meines FS tipo P habe ich im Vorjahr schon einiges zu den 80ern zum Besten gegeben. Warum ich das Thema jetzt dennoch noch einmal aufwärme? Nun, weil mir der Postillion diese Woche diese Box aus dem Hause MO-Miniatur überbrachte:
Der Beschriftung der Bodenplatte nach ist es ein 80a, die Hackfruchtvariante. Ich nehme ihn aus der Packung und stelle fest, MO-Miniatur schummelt mit dieser Beschriftung eindeutig ein wenig. Es ist definitiv kein 80a, sondern der wesentlich häufiger gebaute, mir viel wichtigere 80. Der Unterschied ist leicht erkennbar: der ansonsten weitgehend gleiche 80a hatte viel mehr Bodenfreiheit und wesentlich höhere, schmälere Hinterräder. Hier der eben erworbene 80 (links) und ein von mir im Vorjahr als Ladegut hergerichteter 80a (rechts):
Naja, aber vom 80er gibt es doch schon seit einiger Zeit eh schon ein brauchbares Wiking-Model…?
Voila, hier ist der große 80er-Vergleich der Woche – links MO-Miniatur, rechts Wiking:
Hier zeigt sich deutlich, dass Wiking vermutlich ein ähnliches Problem hatte wie ich vor über 20 Jahren: man fand in der Grabbelkiste keine passenden Räder und baute daher ein, was gerade herumlag, und das war halt ein wenig zu groß und zu dick. Oder wollte man das Modell bewusst robuster gestalten, um es auch Kinderhänden ausliefern zu können? Wie auch immer, ich finde es schade, dass die Räder eindeutig überdimensioniert sind, denn das Wiking-Modell ist ansonsten durchaus sehr schön detailliert und wirkt in allen anderen Abmessungen stimmig. Zudem kostet es einen Bruchteil dessen, was MO-Miniatur für den immensen Zeitaufwand mit den zahlreichen geätzten Kleinteilen kalkulieren muss, um einen angemessenen Gewinn zu erzielen. (Von Farben und Kotflügeln lasst euch bei meinen Fotos bitte nicht irritieren, es gab in dieser Hinsicht beim Vorbild etliche Varianten.)
Nun, diesmal laufe ich Gefahr, mich tatsächlich ein wenig zu verzetteln. Denn so hübsch gelungen der kleine, mir immens wichtige Schlepper ist, und so sehr es mich in allen Fingern juckt, noch ein paar Kleinigkeiten zu verändern, er muss sofort zurück in seine Box, und dort muss er eventuell noch ein paar Jahre warten, bis er endlich an der Reihe ist. Denn zuerst kommt der „Görtschitztal-Express“ und dann das, was einige von euch „Anlage“ nennen.
Nächste Woche fadisiere ich euch daher voraussichtlich wieder mit meinen Spantenwagen. -
Liebe Grüße
Euer Karl