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Der Fluch der Akribik, Teil 248
HELDENSCHICKSALE
Zwischenzeitlich wurde auf einer Seite des Wagenkastens ein Fenster verschlossen (links) und ein zusätzliches neues Fenster eingefügt (rechts). Als man bei den ÖBB die Dachkanzeln der ehemaligen DRG-Gepäckwagen entfernte, setzte man einen durchgehenden, niveaugleichen Boden ein und spendierte dem Zugführer ein weiteres Seitenfenster. Zudem waren die kleinen Fenster an den Stirnseiten zu schließen. Auch das Dach ist erfolgreich verschlossen. Klingt cool, der Anblick ist derzeit dennoch ein grausiger. Seht nicht zu genau hin, Ihr verderbt euch die Augen ob des grob verkleckerten Zeugs:
Und das kam so:
Die beiden größeren Flächen an den Seitenwänden waren meiner Meinung nach bereits wunderschön glatt und somit fertig für die weitere Detaillierung. Bei den übrigen Flächen sah ich nach dem Trocknen mit meinen drei Dioptrien recht gut, wo ich mit der Spachtel allerhöchstens noch eine einzige weitere Schicht aufzutragen hatte.
Meinte ich.
Dann besuchte mich Adrian.
Adrian ist ein wahrer Held. Adrian würde beispielsweise ohne zu zögern Heiratspapiere aus einer saudiarabischen Botschaft holen. Erfolgreich, versteht sich. Auch wenn ihm zwei Dutzend Häscher auflauerten. Bei mir hingegen hätte er sich beinahe völlig unerwartet den Heldentod geholt. Er sah sich meinen vermeintlich hundertprozentig glatten, achtfach oder noch öfter gespachtelten Wagenkasten kurz an und meinte dann, er könnte mir die Seitenwände kurzfristig professionell fräsen lassen. In diesem Moment wäre er beinahe gestorben. Dafür hätte ich ganz bestimmt keine zwei Dutzend professionelle Schergen gebraucht. Aber dann überlegte ich mir kurz, dass man sicherlich wusste, dass er bei mir war, und ich hatte kein gutes Alibi. Mittels DNA-Analyse hätten sie vermutlich recht rasch an seinem Hals die großen weißen Spachtelmassepatzen an seinen Würgemalen gefunden. Zu alledem blieb wenig Zeit, um nach Südamerika zu flüchten und sich einer kosmetischen Operation zu unterziehen. Also blieb Adrian am Leben.
Sein Angebot schlug ich natürlich aus. Auch ich bin nämlich ein Held. Einer der letzten wahren Helden der Spachtelmasse. Einer der Allerletzten, die den zahlenmäßig bei weitem überlegenen CNC-Maschinen noch standhaft Widerstand leisten. Einer, der niemals ein minutenschnell gefrästes Seitenteil verbauen würde, wenn er es in wochenlanger Arbeit auch zurechtspachteln könnte.
Acrylfarbe empfehle ich allerdings nicht mehr als Spachtelmasse. Mit ihr bin ich schlicht gescheitert.
Als Vorteile kann ich nur die problemlose Verfügbarkeit und die leichte, geruchlose Verarbeitung nennen. Zeit konnte ich mir nicht wirklich sparen – statt schleifen, schleifen, schleifen, schleifen, schleifen, schleifen hieß es bei mir halt spachteln, spachteln, spachteln, kurz nachdenken, ob ich Adrian ermorde, spachteln, spachteln, spachteln usw. In vielen ganz dünnen Schichten.
Die Nachteile überwiegen bei weitem. Acrylfarbe hält nämlich nicht wirklich gut, weil sie den Kunststoff nicht im mindesten anlöst. Und sie bleibt weich und flexibel, sodass man eventuelle Unebenheiten schlecht schleifen kann.
Also habe ich das Acryl-Drama beendet, Revell Plasto samt all seinen bekannten Nachteilen hervorgeholt, das Zeug hat sich stinkend ins Plastik gefressen, ließ sich schwer spachteln und bildete Unebenheiten. Aber es hält. Es trocknet jetzt und nach dem Trocknen ist noch eine Menge zu tun – Fenster sorgfältig nachschneiden und schleifen, schleifen, schleifen. Ein typisches Plasto-Helden-Schicksal eben.
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Zitat
das ist aber jetzt die Untertreibung des Jahres du und kein Ausnahmekönner
Lieber Chris, das ist deinerseits die ÜBERtreibung des Jahres – da gibt’s noch ganz andere – wirkliche - Könner!
@ Wolfgang: Vielen Dank für deinen netten Kommentar!
Liebe Grüße
Euer Karl