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Der Fluch der Akribik, Teil 295
DIE DREHSCHEIBE – DRAMA MIT FRÖHLICHEM ENDE, ERSTER AKT
Ungewöhnlich, aber so lautet nun mal der Plan: in meinen Schattenbahnhof kommt in den Vordergrund – an gut erreichbarer Stelle – eine Drehscheibe, damit ich Dampfloks auf unterirdischen Heizhaus-Gleisen [österreichisch für BW-Gleise] abstellen und gelegentlich vorbildgerecht wenden kann. Ich möchte später nicht ausschließlich mit fertigen Garnituren Automatik-Betrieb machen, ich will meine Wagen ab und zu auch ein wenig rangieren können. Dazu gehört auch, dass ich Loks wechseln und drehen können will.
Zu diesem Zweck habe in der „Bucht“ günstig eine Drehscheibe erstanden. Verdächtig günstig. Eine Roco-Drehscheibe. Wechselstromausführung. Diese Drehscheibe wollte ich schnell mal für Gleichstrom-Betrieb herrichten und zunächst (analog) mit dem beigepackten Roco-Steuergerät bedienen.
Wie nämlich jedermann weiß, kann man Roco-Drehscheiben mit wenigen Handgriffen beliebig für Wechselstrom- oder Gleichstrom-Anlagen einsetzen. Laut Betriebsanleitung ist die Wechselstrom-Drehscheibe baugleich mit der Gleichstrom-Variante. Es sind lediglich folgende kleine Maßnahmen zu setzen:
Gleichstrom-Zufahrgleise Artikel 42616 verwenden.
Kleinen Schalter an der Unterseite der Drehscheibe von Wechselstrom auf Gleichstrom umstellen.
Kleinen Schalter auf der Unterseite des Handsteuergerätes von Wechselstrom auf Gleichstrom umstellen.
Fertig, das war’s.
Aber nicht bei meinem Exemplar!!!Beigepackt waren die Dreileiter-Wechselstrom-Zufahrtsgleise Artikel Nr. 42617. Also Zweileiter-Gleichstrom-Zufahrgleise Artikel 42616 in der Bucht bestellen und austauschen. Keine Hexerei, das war rasch erledigt.
Links: Wechselstrom-Gleis, rechts Gleichstrom-Gleis. - Bis hierher alles kein Problem.
Nächster Schritt: den kleinen Schalter an der Unterseite der Drehscheibe umschalten:
Ups. Keiner da.
Gerade auf Mittagspause? Auf ein Schwätzchen bei der Mitzi? Oder hat ihn bloß der Vorbesitzer der mir als neu angepriesenen Drehscheibe ausgebaut, um mir DAU [Dümmster anzunehmender User] die schröcklichen Folgen eines irrtümlichen Umschaltens zu ersparen? Kann fast nicht sein… Sieht ungewöhnlich sauber aus für eine Stelle, an der man einen Schalter ausgelötet hat.
Als sehe ich mir das Steuergerät näher an. Ups. Noch schlimmer. Ich sehe schwarz. Hier fehlt der in der Anleitung beschriebene Umschalter völlig, hier ist nicht einmal die entsprechende Öffnung im Gehäuse ausgeschnitten:
Der Zufall schanzte mir mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million offensichtlich etwas zu, was es eigentlich gar nicht gibt. Denn alle aktuellen Beschreibungen der Roco Drehscheibe behaupten, sie sei umschaltbar. Meine ist es nicht. Ich habe offensichtlich mit dem sensationellen Glück eines Gustav Gans des Modellbaus eine Version ergattert, die ausschließlich für Wechselstrom-Betrieb gebaut wurde.
Zunächst halte ich einen schnellen Umbau für möglich. Während beim Steuergerät voraussichtlich nur ein Lötpunkt zu ändern sein wird und die Platine zu diesem Zweck leicht ausgebaut werden kann, wird die Sache bei der Drehscheibe allerdings schon wesentlich spannender.
Nachdem ich das bloß eingerastete Gehäuse der Drehscheibe abgenommen habe, stellt sich folgendes heraus:
Um die Lötverbindung zu ändern, die hier den Schalter ersetzt, muss man die Platine ausbauen. Anders kommt man an die Leiterbahnen auf ihrer Rückseite nicht heran:
Um die Platine auszubauen, muss man sechs Litzen ablöten.
Sechs? Ja, sechs. Obwohl die Roco-Drehscheibenbühne normalerweise mit sieben Litzen gespeist wird, sind es hier nur sechs.
Sehr wahrscheinlich hat man die beiden Schienenprofile ab Werk elektrisch verbunden und mit einer Litze statt mit zwei mit Strom versorgt. Es ist sehr wahrscheinlich auch die Verdrahtung der Drehscheiben-Bühne Gleichstrom-tauglich zu adaptieren.
Ich bin zunächst aber guten Mutes, dass ich das alles richtig hinkriege, denn die Löt-Ösen an der Unterseite der Drehscheibe sind vorbildlich beschriftet und - anders als auf dem folgenden Foto - gut lesbar:
http://www.salbrechter.eu/stummiforum/2019-12-20_06.jpg" border=0>
GE steht offensichtlich für gelb, R für rot, W für weiß und so weiter. Man sieht auf dem Original auch schön, dass die fehlende Litze grau sein müsste. Irrtum ausgeschlossen, man hat GRAU sogar ausgeschrieben.
Die Standardbelegung des Fahrstroms der Roco-Drehscheibenbühne dürfte sein:
Schiene 1 - schwarz
Schiene 2 - grau (fehlt hier, die zweite Schiene ist sicherlich ebenfalls mit schwarz verbunden)
Mittelleiter - rot (benötige ich natürlich nicht)
Bisher alles keine Hexerei. Hat man aber die Litzen abgelötet, muss man noch das Zahnrad abziehen. Erst dann kommt man an die Rückseite der Platine heran.
Und hier ist dann endgültig Schluss. Nach dem Studium etlicher einschlägiger Quellen im Internet sehe ich endgültig vom Umbau ab.
Das Antriebsritzel ist nämlich offenbar recht schwer von der Bühne herunterzukriegen. Selbst wenn man – anders als ich – eine passende Ringzange besitzt, um den Splint zu entfernen, bedarf es offenbar einiges Geschickes, um die Bühne beschädigungsfrei abzuziehen und zu öffnen.
Dann muss man noch die Bühne öffnen und die Verdrahtung ändern. Es ist jedoch nicht gesichert, dass sich die in der Bühne vereinte Stromversorgung der Bühnengleise problemlos trennen und neu verdrahten lässt.
Auch fehlt ein siebenter Schleifer, sodass auch hier Modifikationen drohen. Und nein, diesmal wollte ich es eben nicht gaaaanz genau wissen, diesmal gab es genug andere Dinge zu tun, als mit hohem Zeitaufwand eine Drei-Leiter-Wechselstrom-Drehscheibe für Zwei-Leiter-Betrieb herzurichten.
Ich beschloss also, die Wechselstromdrehscheibe wieder zu verkaufen und stattdessen eine schaltbare Gleichstrom-Wechselstrom-Drehscheibe zu erwerben.
Die „reine“ Wechselstrom-Drehscheibe hat übrigens die Artikelnummer 42614. Der Packung liegt die gleiche Anleitung bei wie der umschaltbaren Variante mit der Artikelnummer 42615. Nur ein Beiblatt verrät, dass die 42614 eben nicht umschaltbar ist, weil ihr die entsprechenden Schalter fehlen und ab Werk auch sonst Veränderungen vorgenommen wurden.
Roco-Drehscheiben müssen also offensichtlich nicht zwangsläufig für beide Systeme geeignet sein - egal, mit welcher Inbrunst manche „Experten“ darauf beharren, dass Roco-Drehscheiben generell ganz leicht umgeschaltet werden können…
Wie sich’s in der Vorweihnachtszeit gehört, habe ich inzwischen ein Paket bekommen. Darin befand sich, welche Überraschung, eine etwas andere Roco-Drehscheibe. Die reine Wechselstromversion gibt’s demnächst günstig in der Bucht zu kaufen. Es sei denn, jemand von euch will sie haben und schreibt mir eine PN.
Nächste Woche geht’s dann mit der umschaltbaren Variante weiter.
Bis dahin bekommt – ein kleiner Vorgriff auf die nächsten Folgen – Gottfried ein Foto des inzwischen weitgehend fertiggestellten Schattenverschubbahnhofs mit Schattendrehscheibe und Schattenlokabstellgleisen:
Irgendwas fehlt nun noch... Ach ja:
Euer Karl