Hallo zusammen,
aus gegebenem Anlaß brauchte ich eine Lok mit Glockenanker-Motor zum Testen des Märklin-Decoders aus der BR23 ohne Sound (aka 39235). Dieser Decoder sollte unter Beweis stellen dürfen, dass er neben SDS und HLA auch solch einen Motor antreiben kann.
Zu diesem Zweck hatte ich mir eine Märklin BR 191 auserkoren. Ich konnte eine mit 4 Haftreifen bekommen, die als 3629.3 noch mit c80-Decoder ausgerüstet war. Und digitalen Glühlampen. Und silbernen Kuppelachsen. Aber schon mit KK-Schacht.
Bestellt habe ich bei sb-Modellbau den entsprechenden Umbausatz. Diesem lag auch eine sehr gut bebilderte Anleitung bei. Zunächst mußte ich festsstellen, dass man mir wohl offensichtlich einen falsch montierten Motor geliefert hatte. Das Antriebszahnrad saß auf der falschen Seite. Telefonische Rücksprache ergab: "Sie dürfen das Zahnrad selber umsetzen, es ist aber nicht ganz einfach. Sie dürfen aber gerne auch die Lieferung an uns zurück schicken."
Ich habe selber das Zahnrad herausgeklopft. Gefahr dabei ist, dass man sich die Motorhalterung aus Messing verbiegt. Das innenliegende (rote) Kunststoffzahnrad klemmt anschließend möglicherweise und der Motor kann nicht mehr frei drehen. Also bitte dieses nicht nachmachen. Ich habe anschließend den Messingblock an der offenen Seite etwas aufgedehnt, jetzt geht es wieder:
Der Motor soll in dieses Treibgestell der BR 191:
Zunächst muß der Motor und dann das oberste große Zahnrad demontiert werden. Den Haltestift dieses Zahnrades beim Herausklopfen nicht verbiegen, sondern aufheben, er wird später zum Fixieren des nächst-tiefer liegenden Zahnrades benötigt. Außerdem kann die oberste Motorschild-Befestigungsschraube weiter verwendet werden als Kabelhalter, wenn man "etwas geschickter" sägt als in der Umbauanleitung angegeben.
Als erste Fräsarbeit muß ein Teil der Motorraumabdeckung Richtung Führerstand weggefräst werden. Mit der Säge ging das nicht so gut, ich habe für den ersten Einsatz des Dremels gleich eine große Fräse genommen. Man muß nicht ganz soviel wegfräsen, wie in der Umbauanleitung angegeben:
Für die Heraustrennung der gegenüberliegenden Wand des Treibgestells habe ich dann eine Säge verwendet. Dazu ist es erfoderlich, das Gestänge, die seitliche Plastikverkleidung, die mittlere Treibachse und das nun lose pendelnde obere Zahnrad zu demontieren:
Dabei geht man sinnigerweise so vor, dass das oberste Bohrloch zur Aufnahme der Motorschild-Befestigungsschraube nicht beschädigt wird. Es bleibt dann immer noch genug Platz für den Umbausatz. Eine erste Anprobe des Messingfüllstücks zeigt, wo man noch nachfeilen muß:
Die Stellprobe muß unbedingt durchgeführt werden. Auch mit dem Motor. Auch mit montierter Pufferbohle! Ich hatte dies nicht gemacht und somit übersehen, dass mein Umbausatz wegen des zu großen Schwungrades (Flywheel too large) nicht paßt:
Doch dazu später mehr. Zunächst muß aber nun eine Modifikation vorgenommen werden, die in der Umbauanleitung nicht angegeben ist. Das verbleibende oberste Zahnrad pendelt auf seinem Befestigungsbolzen lose hin und her:
Der Bolzen wird von der Rückseite vorsichtig ausgetrieben…
…und durch den Bolzen mit Halteniet aus der Demontage des ersten großen Zahnrades ersetzt:
Nun kann dieses Zahnrad nicht mehr zur Seite pendeln und der Messingblock mit dem Motor anprobiert werden. Als nächstes habe ich die Schnitt- und Schliffstellen farblich in schwarz abgedeckt:
Einkleben des Messingfüllstücks:
Aufkleben des Motorblocks:
Ich habe leichtsinnigerweise wieder Sekundenkleber genommen, der auch in diesem Fall innerhalb einer halben Sekunde fest wurde. Man muß also schon sofort die richtige Position treffen, das Zahnrad des neuen Motorblocks darf nicht seitenverschoben montiert werden (sonst schleift es am Treibgestell) und auch nicht zu eng auf das Getriebezahnrad des Treibgestells drücken:
Probemontage der Treibachse und des neuen, brünierten Gestänges (ich hatte die Kunststoffabdeckung des Treibgestells vergessen…):
Und Einbau des Treibgestells in die Lok. Alten Decoder ausgebaut, aber seine alte Halteplatte belassen. Der Masselötpunkt befindet sich gut zugänglich auf der Rückseite der Decoder-Halteplatte.
(über die Notwendigkeit der Masseverbindung an beiden Treibgestellen siehe viewtopic.php?t=44197,-ruckeln-nach-umbau-einer-e91-auf-digital-mit-esu-lokpilot3-0.html )
Kabel vom Schleifer an die Verteilerplatine anlöten:
Zwei Drosseln mit 2,2 µH an den Motor anlöten:
Und ESU-21pol-mtc-Trägerplatine (ESU Art.-Nr. 5196 im antriebslosen Gestell anpassen (muß etwas gekürzt werden):
Drossel mit 47 µH in die "Schleiferzuleitung" der Verteilerplatine im mittleren Lokkasten einlöten:
Motor anschließen und mit der mtc-Platine verbinden. Ich habe dabei etwas dickere Kabel verwendet (genauso wie bei den Zuleitungen von Masse und Schleifer). Decoder auf die 21-polige Schnittstelle stecken. Beim Aufsetzen des Decoders muß beachtet werden, dass dieser keinen elektrischen Kontakt zum Treibgestell bekommt! Also ein Stück Isolierband zwischen Decoder und Treibgestell kleben. Nun sollte die erste Testfahrt beginnen:
Dazu hatte ich auch die Pufferbohlen wieder aufgesteckt:
Das Schwungrad ist zu groß! Was habe ich falsch gemacht, was haben die mir überhaupt geliefert. Rien ne va plus. Die Schwungscheibe klemmt mit 1mm Überstand an der Inneneinrichtung. Und alles schon festgeklebt.
Die Inneneinrichtung hätte ich schlachten können, dann wäre es mit dem Beleuchten schwieriger geworden. Aber es keimte etwas Größenwahnsinn in mir: die Säge muß ran. Und die Trennscheibe. Schutzbrille aufsetzen. Keine Zeit für Staubsauger oder sonstige Metallpartikel-Absaugung… ran an die Schwungscheibe. Halbieren! Das dauert. Das wird heiß. Das ruiniert den Motor endgültig. Das gibt Unwucht. In der Mitte ist ein Stahlstift. Den will die Säge nicht sägen:
Dann steht man da wie Pik-7. Also Trennscheibe wieder ran. Risiko für Gesundheit (Finger, Augen) und Modell, aber irgendwann war ich dann durch:
Jetzt paßt es. Metallspäne entfernen. Und es sind viele Späne. Auch im Teppich. Irgendwann ist dann die erste Testfahrt möglich. Decodereinstellungen an der CS1 auf irgendwelche Mittelwerte aus einem ESU-Handbuch. Der Motor brummt um sein Leben. Unwucht, das war klar.
Nagelfeile heraussuchen. Messing ist eine weiche Legierung. Motor abgelötet und stattdessen mit einem Gleichstrom-Netzteil auf dem Rollenprüfstand verbunden. Halbe Fahrt voraus, und immer schön die Nagelfeile quer vor die Schwungscheibe halten. Gibt ganz kleine feine Messingspäne. Aber die Scheibe ist vorne nun ganz plan (bis auf eine klitzekleine Macke), und natürlich nur noch halb so groß:
Verdrahtung vervollständigen (Beleuchtung) ist dann weniger problematisch:
Das ist jetzt alles eine Woche her. Das neue brünierte Gestänge sieht m.M.n. besser aus als das Silberne. Anfänglich hatte die Lok überhaupt keine Zugkraft in der Steigung. Dies lag u.a. an der Gestängemontage durch mich: das Gestänge muß leicht beweglich montiert sein. Und die Räder müssen korrekt zum Gestänge passend auf den Achsen sitzen. Dann noch etwas Öl auf die Bereiche, wo das Gestänge mit den Halteschrauben Kontakt bekommen könnte, dann läuft die Lok wesentlich leichter.
Das Brummen vom Motor ist nahezu verschwunden. Nochmal Glück gehabt. Bei Langsamfahrt ist nur das Klackern des langen Schleifer zu hören. Nachwievor brauche ich aber für die Lok eine hohe Anfahrspannung. Das könnte aber auch am gewählten Decoder liegen. Momentan sind folgende Decoderwerte in Verwendung (Werte abgelesen mit CS1):
Beschleunigungszeit 6,5 sec.
Bremszeit 8,0 sec.
Anfahrspannung 36
Maximalgeschwindigkeit 120
Regelungsreferenz 40
Parameter K 30
Parameter I 10
Regelungseinfluß 250
Damit fährt die Lok bei 100% massstäbliche 55 km/h. Mittlerweile habe ich meine Schienen und die Lok geputzt und die alten Haftreifen mit ganz wenig Alkohol entfettet. Das Fahrverhalten wird immer besser. Mittlerweile hat die umgebaute 191 auch meinen längsten Güterzug über die Steigung geschafft.
Fazit: der neue mfx-Decoder von Märklin, so wie er in der 39235 verbaut ist, ist auch für Glockenankermotoren geeignet. Er braucht aber in meinem Fall eine zu hohe Anfahrspannung. Kriechfahrten sind so nicht möglich. Liegt aber möglicherweise nur an meiner rustikalen Vorgehensweise beim Umbau.
Also beim nächsten Mal baue ich lieber wieder eine 221 um.
Im Netz gibt es natürlich zu diesem Modell auch Umbauvorschläge anderer Art, z.B. Umbau auf Doppel HLA des Mist55 und Doppel-HLA bei Chr. Hammann.
Ciao
Diego