RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#1 von Jürgen , 23.02.2012 11:48

Hallo Kolleginnen und Kollegen,

angeregt duch die Anlage von Bernd "Irgendwo in Preußen" in der Ruhmeshalle und meinen derzeitigen Bemühungen um eine Epoche 1 Anlage im Schwäbischen habe ich mich entschlossen, hier einen eigenen Fred aufzumachen, um die Frage zu erörtern, was denn aus modellbauerischer Sicht notwendig ist, um eine Epoche 1 Szene überzeugend darzustellen. Dazu kopiere ich ein paar Beiträge hier her:

Jürgen schrieb:

Zitat
Hallo Bernd,

ausgezeichnete Arbeit. Vielen Dank, dass Du sie uns hier zeigst.

Wie Du schreibst, stellst Du den Zustand Ende der Zwanziger Jahre dar. Mich beschäftigt die Frage, was denn die Zwanziger (oder früher) gestaltungsmäßig ausmacht, so dass man sie direkt der richtigen Zeit zuordnet. rollendes Material, Personen, Fahrzeuge ist ja klar. Aber was macht die Zeit darüber hinaus aus ? Einige Hinweise haben wir ja schon, z.B. Schriftart.

Leider ist die ganz große Masse der Bilder schwarz-weiß. Das macht die Farbgestaltung schwierig. Aber viele zeitgenössische Fotos haben einen ganz eindeutigen Flair, der, wie ich finde, sehr schwer auf die Anlage zu transportieren ist. Hast Du hierzu Ideen ?

Ich könnte mir vorstellen, dass gerade in ländlichen Bereichen viele Wegeinfasungen nicht äußerst akurat ausgeführt wurden bzw. entsprechend bewachsen waren. Zum einen fehlte wahrscheinlich das Geld für Randsteine und zum anderen machte das Arbeit und die Leute hatten sicher viel weniger Zeit, sich um solche Details zu kümmern.

Ein anderer Gedanke ist, dass je nach Wochenentag die Leute viel mehr Arbeit hatten und entsprechend Tätigkeiten ausführten bzw. gekleidet waren. Freizeit hatte ja einen anderen Stellenwert.

Hättest Du noch mehr Ideen ?



Bernd schrieb:

Zitat
Hallo Jürgen,

schön, dass dir meine kleine Anlage gefällt.

Bei der Farbgestaltung sehe ich persönlich keine großen Probleme. Wie du schon schreibst, kann man auf den schwarz-weißen Bildern nur hell und dunkel unterscheiden. Es gibt aber auch so gut wie keine Zeitzeugen mehr, also gestalte ich es so wie ich es mir vorstelle. Da ich Jahrgang 49 bin, besteht wohl etwas Ähnlichkeit mit den Farben meiner Kindheit.
Natürlich hatten die Wege und Straßen keine Einfassungen, meistens gab es neben der gepflasterten Fahrbahn noch einen Sommerweg. Hier hilft aber Google und Co.
Das Angebot an entsprechend gekleideten Preiserlein ist auch sehr begrenzt, aber man kann ja mit Farbe (grau und schwarz) die kleinen Leutchen „umkleiden“.
Ich will alles so dezent wie möglich gestalten, damit es ein für mich stimmiges Bild ergibt.



Dirk antwortete:

Zitat
Ich klink mich hier mal ein, da ich mit meinen Epoche I "Büttenwarder"-Segmenten auch mit der Thematik u.a. der "Farbigkeit" (der Kleidung) früherer Epochen beschäftige. Mein Haupthobby analoge Fotografie hat mir da etwas den Horizont erweitert, dass die Welt auch damals nicht so monochrom war, wie wir uns (unbewußt) durch die hauptsächlich bekannte Schwarzweißfotografie glauben machen.

Immer wieder stolpert man auch in früheren Zeiten über farbige Aufnahmen, die es schon damals sehr wohl gab, nur natürlich nicht in "Großserie" und für jeden verfügbar. So ist in Deutschland vor allem die Fotografin Käthe Buchler bekannt, die in den Jahren 1913 bis 1930 farbige Autochromeplatten fotografierte (eine frühe Form des Dias) und insgesamt 175 farbige Aufnahmen aus jener Zeit der Nachwelt hinterließ, heute im Museum für Photografie, Braunschweig, erhalten. 2006 erschien ein Büchlein mit einer Auswahl ihrer Aufnahmen (Die Welt in Farbe, Käthe Buchler - Autochrome 1913-1930, Hrsg. Miriam Jung & Franziska Schmidt, Appelhans Verlag, Braunschweig). Anhand der hauptsächlich fotografierten Natur lässt sich die 'Richtigkeit' der Farben auch heute noch gut kontrollieren, die mehr oder weniger zufällig auf diesen Aufnahmen fotografierten Menschen sind durchaus farbig gekleidet, wenn auch nicht pink oder neongrün.
Man sollte als Anhänger früherer Epochen also seine Preiserlein nicht alle grau und schwarz anmalen, das wird der Zeit nicht gerecht!



Zuerst einmal: Danke für den Literaturtip. Es gab auch einmal einen mehrteiligen Beitrag in ARTE über einen Mäzen, der, ich glaube um die Jahrhundertwende, Fotografen in die Welt schickte, um sie farbig zu dokumentieren. Vielleicht finde ich noch etwas zum Thema.

Was mir an alten Bildern oft auffällt, ist die Tatsache, das im ländlichen Raum wenig Menschen zu sehen sind. Ich nehme an, sie waren i.d.R. bei der Arbeit. Auf dem Feld und im Haushalt gab es ja nur wenige bzw. sehr einfache Maschinen. Vieles wurde mit der Hand erledigt. D.h. Figuren gehören einfach gekleidet auf das Feld. Wer konnte (und wollte) sich eine Fahrkarte in die Stadt leisten. Das waren wahrscheinlich nur wenige. Ich vermute, tagsüber war nicht so viel los. Andererseits gab es teilweise dichte Zugfolgen. Pendlerverkehre waren sicher in der damaligen Zeit (ich meine vor allem Ende Epoche 1) schon vorhanden. Aber längere Strecken wurden noch nicht durchgeführt, oder ?

Ich würde mich freuen, wenn es hier noch mehr sachdienliche Hinweise gäbe.

Viele Grüße
Jürgen


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#2 von Redundant , 23.02.2012 14:05

Moin Jürgen,

die Epoche I ist sehr interessant, aber auch sehr schwierig. Was heute die Konkurrenz zwischen China und Europa ist, war damals die Konkurrenz zwischen Städten und ersten industriellen Zentren, die heute kaum zehn Autominuten voneinander entfernt liegen!

Die regionalen Unterschiede waren damals schon in ähnlichen Dimensionen merklich ausgeprägt. Erschwerend kam ja auch damals noch die deutsche Kleinstaaterei bzw. deren Nachwehen hinzu. Schwaben gehörte glaub ich nicht zu Bismarcks deutschem Bund. Von daher sind Informationen aus dem preußischen Hoheitsgebiet vermutlich nur sehr begrenzt auf die gewünschte Region übertragbar.

Aus meiner Recherche zur Hanauer Kleinbahn (1896 - 1931) weiß ich, dass Informationen von örtlichen Geschichtsvereinen oder Kontakte, die man durch sie bekommt, sehr hilfreich sein können. Auch Archive von alten Tageszeitungen oder lange bestehende Büchereien können sehr hilfreich sein.

Grade in ländlichen Bereichen war es zumindest in Hessen so, dass die Straßen oft ungepflastert waren.

Für deine Region könnte die Schwarzwaldanlage von Josef Brandl eine Orientierung sein. Die ist zwar Epoche II, aber als gedanklicher Wegweise ist die sicher zu gebrauchen.

Viele Grüße und viel Erfolg bei der weiteren Recherche,
Thorsten


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#3 von Instandsetzung , 23.02.2012 16:32

Hallo Jürgen,

mal meine Gedanken dazu:

Ich fragte mal einen Bekannten, warum er genau den Anfang der braunen Epoche darstellen würde:
Antwort: Hätte überhaupt nichts mit seiner politischen Einstellung zu tun, aber just zu der Zeit fingen genau diese Gruppierungen mit dem systematischen Fotografieren an und ihm würden dadurch mehr Bildnachweise zur Verfügung stehen.

In der Epoche 1 war das Fotografieren ja noch etwas besonderes. Meist waren die Fotos gestellt und oft sind Kanibalengerichte äh Menschaufläufe auf den Fotos zu sehen. Oft mussten die Fotos aufgrund der langen Belichtungszeit auch sehr statisch sein.

Außerdem ist die Epoche 1 so gesehen sehr sehr lang. Wenn man Pferde und Kohlenbahnen mit einbezieht so gesehen ja ein Jahrhundert.
Und da hat sich doch vieles mit der Zeit verändert.
Daher sollte man sich so gesehen nicht auf die Epoche 1, sondern eher auf ein Jahrzehnt, eine bestimmte Zeitenwende oder einen bestimmten politischen oder eisenbahntechnischen Zeitrahmen festlegen.

Politische Wendepunkte wurden ja schon genannt.
Dazu vielleicht noch folgender Gedanken:
So gab es ja auch in dieser Zeit, je nach Herrscher, mehr oder weniger Zensur.
Vor allem bei Fotos. Interessanter Weise durfte trotz strenger Fotozensur unter Kaiser Wilhelm frei gefilmt werden, da der Kaiser dieser Technik sehr aufgeschlossen war. Am meisten hat mich ein Farbfilm aus dieser Zeit überrascht.
Vor allem die Farben haben mich eben überrascht. Z.B. weil die Straßen gelblich waren. Ich vermute daher, daß die Straßen eben überhaupt noch nicht gepflastert waren und der “örtliche“ Straßenbelag ( um Berlin herum ) eben gelber Sand war.

Es ist natürlich klar, daß in diesem Film eine Militärparade zu sehen war. Diese Epoche war eben noch sehr militärisch geprägt. Die zeigte sich natürlich auch in den Uniformen der Eisenbahner. Natürlich zeigte dieser Film keine Alltagssituation. Die Menschen die zu sehen waren, waren natürlich – man würde es heute aufgebrezelt nennen.

Und zu guter letzt noch ein paar Gedanken zur Motorisierung:
Ein längst verstorbener Onkel (Jahrgang1900 und ein paar zerquetschte ) berichtete mal aus vergangenen Zeiten: Selbst bei uns in der Großstadt gab es bis in die 30er Jahre ( was ja schon Epoche 2 ist ) keine nennenswerte Motorisierung. Der Sohn eines reichen Fuhrunternehmers aus dem Viertel hatte als erstes ein Motorrad.
Autos waren zu der Zeit etwas für die Superreichen.

Ich selbst halte die Zeit für superinteressant und habe so bis in die 90er die Epochen 1, 3 und 4 gesammelt. Mit dem Anfang der Epoche 5 habe ich mich jedoch dann auf die Epoche 3 festgelegt, zu der Zeit als der Pott noch kochte.
Die Epoche 4 Sachen gab und gebe ich ab, während ich die Epoche 1 Sachen noch für die Vitrine behalte.

Oliver


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#4 von Dirk Frielingsdorf , 23.02.2012 16:46

Moin Jürgen,

natürlich war damals die Arbeit zeitaufwändiger, weil noch lange nicht so automatisiert wie heute. Insofern waren die Menschen täglich länger beschäftigt, "Konsum" auch im Sinne von Freizeitbeschäftigung wie heute gab es so noch nicht. Andererseits waren auf dem Land mehr Leute beschäftigt als heute. Die Höfe und ihre bewirtschafteten Flächen waren kleiner als heute, die Mannkosten machten nur einen Bruchteil des heutigen aus. Und man traf sich zu den Markttagen, dann aber geballt... (Das tägliche Einkaufen im Supermarkt war damals noch undenkbar.)

Aber: Ausflugsverkehr von der Stadt aufs Land und umgekehrt fand schon statt, sobald die Möglichkeit dazu bestand. Als Beispiel nenne ich aus meinem norddeutschen Kenntnisbereich die Kleinbahn Bremen-Tarmstedt, besser als "Jan Reiners" bekannt. Diese Bahn erschloss von Bremen aus das Teufelsmoor, neben dem landwirtschaftlichen Verkehr gab es auch sofort mit der Eröffnung regen Ausflugsverkehr sowohl von Bremen aufs Land als auch von den Dörfern in die große Stadt, weil es eben nun deutlich einfacher war als zuvor (unbefestigte Straßen mit Viehwagen, Torfkanäle mit Segelkähnen). Diese Kleinbahn musste an den Wochenenden Züge in Überlänge oder gar Mehrfachzüge führen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Entlang der Strecke entstanden Ausflugslokale für die Städter (meist nicht sehr weit von den Haltestellen entfernt, häufig genug auch direkt an diesen), Güter aus der großen weiten Welt (Hafenstadt Bremen) fanden deutlich einfacher ihren Weg aufs Land ( > Kolonialwarenhandel).
In noch viel stärkerem Ausmaße gab es "freizeitbedingten" Reiseverkehr an den Seebädern, die mit dem Aufkommen der Eisenbahn ihre Kapazitäten vervielfachten.

Aus meinem bremischen Familienteil eine Geschichte über das freizeitbedingte Reisen in den 20ern:
Damals machte man sich Sonntags häufiger mal auf den Weg von Bremen nach Esens (Ostfr.), über Oldenburg und Wilhelmshaven immerhin runde 140km einfache Fahrt. Man reiste 3. Klasse (so dicke hatte man es auch nicht) und Ziel des Ganzen war eigentlich nur ein Ausflugslokal und der anschließende Spaziergang bzw. "Mittagsruhe" in der freien Natur. (Warum man nicht die letzten Kilometer bis zur Nordseeküste, z.B. nach Bensersiel, auch zurücklegte, um ein wenig Seeluft zu schnuppern, konnte mir keiner der Altvorderen je schlüssig beantworten. Das war halt so...)

Ob das jetzt alles 1 zu 1 auf die schwäbische Provinz jener Zeit übertragbar ist, kann ich schwer einschätzen. Damals war das Nordsüdgefälle andersherum, die Industriereviere und die Hafenstädte zogen das Land nach vorne, der damals wohl noch weitgehend agrarische Süden stand da wohl mehr hintenan. Aber wenn es Literatur zum Thema gibt (das muss nicht unbedingt was mit Eisenbahn zu tun haben), lohnt sich sowas auf jeden Fall, ich habe zur Vorbildrecherche zu den Büttenwardersegmenten so manches literarische Kleinod gefunden und mit Vergnügen (und nicht nur zur Faktensammlung) gelesen.

Z.B. helfen auch Veröffentlichungen zu Museumsdörfern, die es ja auch im Süden, z.B. im Hohenlohischen, gibt, neben den schon erwähnten Archiven von Heimatvereinen, Lokalzeitungen und Büchereien mit Lokalkolorit.


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#5 von Jürgen , 23.02.2012 17:10

Danke für die Hinweise. Die historischen Hintergrundinfo sammle ich auch. Es erwitert meinen Horizont beträchtlich. So z.B. das Geo-Epocheheft Deutschland 1900.

Aus Bibliotheken und Archiven habe ich auch schon geeignetes Hintergrundmaterial gesammelt. So liegen mir Pläne aller Gebäude die gebaut werden sollen vor. Reichliches Studium von historischem Bildmaterial inklusive. Trotzdem habe ich noch Schwierigkeiten das Flair dieser Epoche umzusetzen. Übrigens ist für mich der Zeitraum 1900 bis 1925 von Interesse. Ich gehe davon aus, dass sich auf dem Land nicht viel geändert hat. Sogar durch die Gründung der DRG würfte sich in den ersten Jahren fahrzeugseitig auch noch nicht viel geändert haben.

Kurzes Intermezzo zur Geschichte:

Bismark war ja nicht für das deutsche Reich, da er es nicht verhindern konnte, strebte er wenigstens die preussische Führung an. Dafür führte er drei Kriege: den deutsch-dänischen Krieg 1864, hier war Österreich an der Seite Preussens, aber schon der deutsch-österreichische Krieg von 1866 ließ sie als Gegner gegenüberstehen. Da Baden, Württemberg und Bayern auf der Seite Österreichs kämpften, hatten sie unter dem siegreichen Preussen heftig zu leiden. Im Frieden von Prag wurde die Bündnispflicht mit Preussen im Kriegsfalle festgeschrieben. Diese trat im Krieg von 1870/71 in Kraft, die ja bekanntlich mit dem Aufgehen im Deutschen Reich und der Kaiserausrufung im Spiegelsaal von Versailles endete.

Ich sag's ja: Modellbau bildet

In einem Miba-Sonderheft zu den Dioramen von Brawa gibt es auch ein paar, die sich auf die Epoche 1 (wenn auch mit Fehlern) beziehen. Wenn man Fahrzeuge und Figuren entfernt, bleibt fast keine Möglichkeit der Zuordnung zu einer Epoche. Mir erscheint vieles zu "geleckt". Es sind jede Menge Pferdekutschen unterwegs, aber wo sind die Pferdeäpfel ? Oder wurden diese schnell als Dünger für den Garten entfernt. Wenn es keine Pflasterung gab, was ist mit dem entstehenden Staub, der müsste sich doch farbdämpfend auswirken. Da Straßen relativ viel befahren wurden, mussten ja auch Spuren im größeren Maß als heute auf den Feldwegen zu finden sein.

Oder denke ich hier falsch ?

Grüße
Jürgen

P.S. @Dirk: Da haben sich unsere Beiträge überschnitten. Tolle Infos für mein "Sittengemälde" Danke Ich denke, die Darstellung von eher ärmlichen Verhältnissen trifft das ganz gut. Andererseits, gab es Ende der 20er und Beginn der 30er relativ viel Verkehr. Nach dem ersten Weltkrieg war das noch eingeschränkter.


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#6 von Dirk Frielingsdorf , 23.02.2012 17:56

Hallo Jürgen,

mit dem Staub, der aufgewirbelt ja seine Spuren hinterlässt, liegst Du nicht grundsätzlich falsch, aber: Wie hoch war diese "Staubbelastung" damals wirklich im Vergleich zu heute? Natürlich muss es auf unbefestigten Wegen Spuren gegeben haben, allerdings wurden diese unbefestigten Wege damals ungewohnt häufig gewalzt, sprich verdichtet, und mit Wasser gesprengt, zumindest dort, wo diese häufiger beansprucht wurden, also z.B. in und um Siedlungen. Und wie häufig fuhren nun Fuhrwerke über diese Wege, wie 'dicht' war der Verkehr, wie schwer die einzelnen Fuhrwerke? Eher dünn im Vergleich zu heute, es wurde wirklich nur angespannt, wenn auch was zu erledigen war.

Meine norddeutsche Recherche (und auch die oben schon angesprochenen Autochrome-Fotografien) bestätigen ein eher 'relativ sauberes' Umfeld. Anders in den Industrierevieren, dort hinterließ vor allem der Kohlenstaub seine Spuren, gleichwohl waren selbst solche Reviere um 1900 noch sauberer als 40 Jahre später, einfach weil über die Jahrzehnte immer mehr Dreck hinzukam. Und in Kriegs- und Nachkriegszeiten war vieles verwahrloster als davor, weil die Manpower zum in Ordnung halten schlicht fehlte.
Anders sah es bei nasser Witterung aus, da wurden die unbefestigten Wege auch mal zu Schlammkuhlen, je nachdem, wie diese zusammengesetzt waren.

Mein Fazit: Die Staubbelastung war damals eine andere, aber nicht unbedingt größere als heute. So ist z.B. bei den gelben gesandeten Wegen damit zu rechnen, das im Fundamentbereich angrenzender Bebauung dieser gelbe Sand seine gelben Staubspuren hinterlässt. Heute wäre es da vor allem wegen der Abgase (Verkehr und Hausbrand) eher braunschwarz.
Ich denke, man sollte da je nach nachgestelltem Untergrund die Nachbarschaft patinieren, so wie ich alles, was in der Nähe meines moorigsandigen braunen Untergrundes steht, kreucht und fleucht mit einer leichten braunen Patina mehr oder wenig intensiv einsaue.

Achso, und Pferdeäpfel waren hochbegehrt, als Dünger, Brennstoff und Lausbuben-Wurfgeschosse, die blieben in der Tat nicht lange liegen... (Anders Kuhfladen: Viele Fuhrwerke waren von diesen gezogen, gerade im ländlichen Raum, und deren Hinterlassenschaft ließ sich nicht so einfach einsammeln wie Pferdeäppel, wurden aber auch als willkommener kostenloser Dünger genutzt. Viele Fuhrwerke führten auch Kotschaufeln mit und sammelten zumindest innerhalb der Ortschaften ihre Hinterlassenschaften selbst ein.)


Noch ein Hinweis, auch wenn jetzt wieder norddeutsch: In dem ländlichen Orsteil von Bremen, in dem ich meine Jugend verbrachte, gibt es bis heute viele unbefestigte (im Sinne von ungepflasterte, ungeteerte) Wege und die Einwohner dort wollen das auch unbedingt erhalten: Das Umfeld wirkt dadurch nicht schmutziger, im Gegenteil, obwohl diese Wege (heute vor allem Rad- und Fußwege, aber auch noch landwirtschaftliche Wirtschaftswege) nach wie vor aus dem dunklen sandig-torfigen Gemisch bestehen, wie sie es vermutlich seit der Trockenlegung vor hunderten von Jahren durch holländische Fachleute waren. Das macht den Charme der Gegend aus, lässt aber auch einen guten Einblick in frühere Zeiten zu. Ich vermute, dass dieser Untergrund nicht nur Schmutz abgibt, sondern gleichfalls aufnimmt und bindet, und dies wesentlich besser als "versiegelte" Flächen.


Beste Grüße!

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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#7 von Redundant , 23.02.2012 18:01

Moin,

die Straßen sind so eine Sache: Die wichtigen innerörtlichen Straßen in wohlhabenden Gemeinden waren durchaus öfter gepflastert. In weniger wohlhabenden Gemeinden sah das vermutlich eher anders aus. Da die Zeiteinteilung auf dem Land nur selten durch die Uhr bestimmt war, würften auch die Geschwindigkeiten so gewesen sein, dass Staub eher weniger (als heute angenommen) das Problem war. Die Farben von Autos, Kutschen u. ä. waren eher gedämpfter, weil die Farbherstellung damals noch wesentlich aufwendiger/eingeschränkter war. Zumindest glänzende Kutschen- und Autolacke hatten eine Trockenzeit zwischen zwei und drei Wochen! Die Gebrauchsgegenstände des Alltags dürften also etwas matter und weniger kostbar gewesen sein.

Was wich in dieser Zeit auf dem Land geändert haben könnte, sind Dinge wie elektrischer Strom (natürlich mit oberirdisch verlegten Leitungen) und Kanalisation. Aber das kommt halt sehr stark auf das konkrete Vorbild an.

Zumindest in Mittelhessen war auch oft eines meiner Lieblingsmotive anzufreffen: Die Bahnlinie im Straßenplanum – bei der Staatsbahn oft nur bei Ortsdurchfahrten. Bei Kleinbahnen auch oft so lang wie möglich. Bei der Hanauer Kleinbahn beispielsweise wurde der Bahngesellschaft das Land zum Trassenbau kostenlos zur Verfügung gestellt. Der damalige Verkehr ließ es problemlos zu, dass sich Bahn und Straßenverkehr eine Trasse teilten ... selbst auf Fernhandelswegen wie der Straße zwischen Frankfurt/Main und Leipzig (gemeint ist die Straße durch das Kinzigtal – es gab wohl zwei)!

Viele Grüße,
Thorsten


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#8 von Dirk Frielingsdorf , 24.02.2012 01:43

Nochmal zum Thema Autochrome: Ich habe da einen Bildband gefunden, der thematisch in etwa Deinem geschilderten ARTE-Beitrag entsprechen dürfte:

Weltreise 1900 in farbigen Bildern bei amazon


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#9 von ThomasausBerlin ( gelöscht ) , 24.02.2012 09:53

Hallo Jürgen,

ich bin ja noch nicht sooooo alt (obwohl, wenn ich manchmal morgends in den Spiegel kucke.... ), aber trotz "Altzheimerrisiko" (hat man ab 50...) habe ich die Erzählungen meiner Grosseltern noch gut in Erinnerung:

Väterlicherseits stammen meine Grosseltern aus Frankfurt/Main, mütterlicherseits aus Burg/Dillkreis (heute: Herborn-Burg). Der eine Grossvater wurde 1888 geboren (Dillkreis), der andere1898 (Frankfurt).

Im ländlichen Raum um Burg herum waren die Orte eigentlich erst ab 1910 flächendeckend mit der Bahn erschlossen. Und obwohl die Bahn den Bauern theoretisch die Möglichkeit eröffnete, ihre Waren auf den Markt zur Kreisstadt zu bringen und "die weite Welt" kennen zu lernen - zogen die aus Kostengründen das Pferdefuhrwerk vor. Und um "die weite Welt" kennen zu lernen - blieb einfach keine Zeit. Der Tag war von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit Feld- und Hausarbeit angefüllt, man fuhr allenfalls einmal im Jahr mit der Bahn zu einem Jubiläum oder einer Hochzeit oder einem Sterbefall ausserhalb der Reichweite des Pferdefuhrwerkes. Die Bahn im Dillkreis hatte primär die Aufgabe für die Abfuhr von Eisenerz und Holz zu sorgen und übernahm darüber hinaus den Versand der industriellen Fertigprodukte - der Dillkreis ist und war bekannt für seine Ofenbauer ("Buderus", gibt's heute noch, die Hüttenwerke und Erzminen dagegen sind längst stillgelegt).

Anders die Situation in Frankfurt am Main: Hier gab es wesentlich mehr "Reiche", die sich die Bahn zum Ausflug nach Kronberg/Taunus einmal im Monat leisten konnten. Hier diente die Bahn auch zum Geschäftsverkehr; wer als "Händler" oder Unternehmer auf Warentransfer von "weit draussen" angewiesen war, reiste in der Regel 2. oder gar 1. Klasse mit der Bahn in's "Ausland" - nach München oder Bremen, sogar nach Basel oder Paris.... Schwerpunkt des Bahnverkehrs war aber auch hier der Gütertransport: Die Stadt musste versorgt werden, und die in der Stadt erzeugten Waren mussten zu den Aufkäufern ausserhalb gebracht werden.

Auf dem Land gab es mehr "GmP-Züge" als "reine" Personenzüge, im Umkreis der Stadt dagegen gab es recht viele Personenzüge mit Wagen dritter und vierter Klasse, die ja auch Arbeiter in die entstehenden industriellen Ballungszentren beförderten (Ruhrgebiet). Von der Stadt ausgehend wurde auch schon ein innerkontinentaler Fernverkehr angeboten; es war um 1910 möglich, von Paris über Köln, Frankfurt, Dresden bis nach Prag zu reisen, Freilich nicht am Stück...., da gab es an jeder Landesgrenze Lokwechsel und Passkontrolle, die Dampfer mussten unterwegs auch mit Kohle und Wasser versorgt werden, steigungsreiche Strecken erforderten Vorspann und Schiebebetrieb, Frankfurt-Hamburg dauerte 22 Stunden Reisezeit....(da biste mit den heutigen RB und RE-Zügen schneller).

Bis weit in die Epoche II hinein war auch der innerstädtische Güterverkehr interessant: Die Reichspost übergab zum Beispiel die Postwagen mit Postgut an die Strassenbahn, die diese Wagen der Staatsbahn zustellte und von dort auch wieder Postwagen der Länder/Reichsbahn abholte. Die "Farbenfabrik Hoechst" erhielt ihre Chemikalien über die "Kurhessische Landesbahn", die die Säuretopfwagen der "Hoechster Strassenbahngesellschaft" übergab, die diese dann zustellte.Nach dem Zusammenschluss der Städte "Hoechst/Höchst" und Frankfurt/Main stellten halt die nun auch zusammengeschlossenen Strabbetriebe diesen Güterverkehr sicher, allerdings nicht mehr vom alten Bahnhof "Höchst" ausgehend, sondern von Frankfurt/West aus.


ThomasausBerlin

RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#10 von Jürgen , 24.02.2012 11:31

Vielen Dank an Alle,

ich dachte schon, ich hätte mich mit der Zeit beschäftigt, aber es kommen immer wieder neue Aspekte und Gedanken auf, die meine Ideen beflügeln. Dass die Pferdeäfel auf solche Resonanz stoßen, hätte ich nicht dedacht. Besonderen Dank auch für die persönlichen Geschichten. Sie machen die Zeit für mich greifbarer.

Übrigens bin ich auch "alzheimergefährdet"

Grüße
Jürgen


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#11 von Redundant , 26.02.2012 14:51

Moin,

es ist zwar eher frühe Epoche II, aber da der Ziel-Zeitraum ja bis 1925 erwähnt wurde, ist eventuell die neunteilige Filmreportage "Die Zwanziger Jahre" eine hilfreiche Einführung in das Thema. Es gibt viele Interviews mit Zeitzeugen, aber auch viele (größtenteils bewegte) Bilder, die einen die Atmosphäre und die Probleme der Zeit zwischen 1915 und 1925 schnuppern lassen.

Interessant ist auch dieser Film über einen Tankstellenbetrieb in den 1930ern. In Epoche I wird es vergleichbare Szenen zwar nur in wohlhabenden Ballungszentren gegeben haben. Aber Opel nahm 1924 die Fließbandproduktion des 4-PS-Wagens auf und auch die schon weiter verbreiteten Motorräder konnten sich vermutlich ihren Treibstoff auch nicht mehr in der Dorfapotheke kaufen. Vergleichbare Szenen könnte es also auch schon früher gegeben haben (müsste man halt noch genauer recherchieren).

Viele Grüße,
Thorsten

PS: Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass dies ein wirklich interessanter Thread ist? Danke für die Eröffnung dieses Themengebiets.


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#12 von rayman , 26.02.2012 18:34

Hallo Jürgen!
Ich verlinke Dir mal ein Fotoarchiv. Hier findest Du historische Aufnahmen aus allen Lebensbereichen Amerikas von 1864 bis in die 1970er Jahre. Da es viele Parallelen zur europäischen Bauweisen und technischen Entwicklungen gab, ist die Seite einen gute Informationsquelle für die Epoche 1.
Shorpy Historic Archiv


Grüße Ray.
Mein Diorama: Hillbilly Junction


 
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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#13 von Jürgen , 28.02.2012 09:55

Ja super ! Vielen Dank für die Hinweise. Es wird immer spannender. In die Filme habe ich einen Blick geworfen. Die neunteilige Serie fängt ja vielversprechend an ... und auch das Bildarchiv lässt mich staunen.

Am Wochenende war ich auf der Ausstellung in Lahnstein, auf der ein Dorf, das heute nicht mehr existiert, maßstäblich im Stil der 30er Jahre nachgebaut. Ich habe einmal ein Bild hier eingestellt. Dort hatte ich auch Gepräche mit verschiedenen Modellbauern mit interessanten Aspekten. Z.B. schlug Patrice Hamm vor, am Wegesrand verlorene Heureste zu berücksichtigen. Vieles war ja auch nicht wie geleckt. Zum einen wegen ärmlichen Verhältnissen und zweitens wegen viel Arbeit. Ich werde hierzu sicher noch das ein oder andere Museum besuchen.

Das Buch "Weltreise 1900 in farbigen Bildern " habe ich mittlererweile erhalten und bin auch hier ganz begeistert. Weitere sind auf dem Weg.

Grüße
Jürgen


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#14 von Dirk Frielingsdorf , 09.03.2012 01:55

Da ich diesen Thread auch für mich sehr spannend finde, möchte ich gerne etwas "Neues Altes" beitragen. Beim Durchforsten der Länderbahnforum (LBF)-yahoo-group stieß ich auf einen Beitrag, der eigentlich nur einen weiteren historischen Beleg schwarzweiß-gestrichener preußischer Bahnschranken zum Thema hatte. Verlinkt wurde ein Bild des Berliner Malers Hans Baluschek, der 1898 sein Bild "Die Schranke" malte.
Ich finde aber, dass diesem zeitgenössischen Abbild eine Menge mehr entnommen werden kann.

Zunächst der Link zum Bild "in groß":
http://images.zeno.org/Kunstwerke/I/big/78s186a.jpg

Das Bild hängt im Märkischen Museum in Berlin und ich binde es hier mal in klein ein:



Zu sehen sind neben den zweifarbigen Schranken (mit Behang!) z.B. die quer zu den Schienen angeordneten Bohlen des Überganges. Ich kannte diese bisher nur parallel zum Schienenstrang. Des Weiteren erkennt man die Landschaft und offensichtlich auch den diesen Schienenstrang kreuzenden Weg aus märkischem Sand, der sich unmittelbar dies- wie jenseits der Bohlen anschließt. Wohl hat es im Motiv vor kurzem geregnet, der Himmel reißt gerade auf. Der sandige Weg zeigt Pfützen, die wassergefüllt den blau-grauen Himmel wiederspiegeln. Diese sind längs des Weges gefurcht, das lässt auf Fuhrwerkverkehr schließen.
Interessant auch die Wegbegrenzung jenseits des Überganges aus hellen (oder geweißten?) behauenen Steinen, ein Verbotsschild gebietet im Hintergrund "Halt!", ohne dass man den weiteren Text entziffern könnte.
Zwei Laternen erleuchten diesen Übergang, ohne dass man in dem engen Bildausschnitt irgendeine Bebauung oder sonstige "Zivilisationsspuren" entdecken könnte. Für einen (mutmaßlich) ländlichen Überweg einer eingleisigen Strecke finde ich diese Bahnübergangsausstattung schon recht üppig und hätte dies in jener Zeit nicht zwingend vermutet.
Ein Wanderer/Landstreicher/o.ä. wird mit brauner Hose und braunem Mantel sowie etwas hellerer brauner Tasche am linken Rand dargestellt.

Auch wenn es letztlich weder das schwäbische Thema des TO noch mein Thema wiederspiegelt, finde ich solche Spurensuche und eingehende Betrachtung historischer Abbildungen hochinteressant und auch wichtig für eine stimmige Wiedergabe früherer Zeitszenen, die wir alle ja nicht mehr erlebt haben und mithin immer Kompromisse darstellen (wie ja fast alles in unserem Hobby).


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#15 von Der Localbahner ( gelöscht ) , 09.03.2012 10:27

Hallo,

das ist ja mal ein sehr interessantes Thema.
Auch ich befasse mich mit Epoche I, hauptsächlich um 1910.

In Büchern von Ludwig Thoma oder auch Ludwig Ganghofer finden sich häufig Beschreibungen von Orten, Personen und den damaligen Lebensverhältnissen.
Was einen sehr interessanten Einblick in die Zeit um 1900 widerspiegelt.
In Heimatbüchern von kleineren Gemeinden finden sich auch immer wieder schöne alte Fotos und Beschreibungen vom täglichen Leben vergangener Zeiten.

Ein Buch das ich ganz besonders empfehlen kann ist von Otto Knopf mit dem Titel: Damals
Ein Blick in die Vergangenheit. Der Frankenwald zwischen Saale und Main.
Eine wunderschöne Beschreibung von Land, Leute und Geschichte, mit unzähligen alten Fotographien aus dem alltäglichen Leben.
Es bietet Unmengen an Vorbildsituationen die zum Nachbau anregen. Der alte Holzsteg über den Main, ein Ochsengespann das gerade eine Furt durchquert, den Holzknecht beim entrinden von Baumstämmen, die alte schwerbeladene Postkutsche die sich über den steinigen Weg quält, Frauen die in einer Feldziegelei arbeiten, spielende Kinder am Dorfbrunnen - daneben mit Holzschindeln gedeckte Scheunen, der Ferkelmarkt von Lobenstein um 1900, Mühlsteinhauer bei der Arbeit, Kartoffelernte, Eine Korbflechterfamilie mit Kindern vor dem ärmlichen Haus bei der Arbeit, und viele weitere nachbauenswerte Szenen.
Ein Buch das auch mal die weniger schönen Seiten der Zeit zeigt. Die alten Häuschen, schon fast am verfallen, der ärmsten Bevölkerungsschicht.
Es zeigt den ungeschönten Alltag und vieles mehr.

Viele Grüße,
Christian


Der Localbahner

RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#16 von Dirk Frielingsdorf , 09.03.2012 20:06

Ich habe da nochmal was gefunden, die Reise eines Ingenieurs im Sommer 1904 von Bingen nach Basel. Dieses Dokument ist wieder deutlich eisenbahntechnischer, deswegen aber bestimmt nicht uninteressanter!

Auf folgendem Dokument die Seiten 178 bis 187:
Österreichische Nationalbibliothek ANNO

Dort finden sich auch viele weitere Dokumente zeitgenössischer Eisenbahnliteratur, wenn auch natürlich stark Österreich-lastig.


Edit:
Noch ein weiteres Web-Fundstück aus England: Eine riesige Datenbank mit über 122.000 Fotos von 1870 bis 2000. Mit Hilfe des Dropdownmenüs links oben oder des orangfarbenen Schiebereglers lässt sich der gesuchte Zeitraum eingrenzen. Viel Zeit mitbringen zum Schmökern, auch für andere Epochen als die "I"...

http://www.v-like-vintage.net/en/years/


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#17 von Länderbahnmartin , 10.03.2012 18:28

Hallo Dirk

und herzlichen Dank für Deine Fundstücke, die Du auch noch so genau auswertest (wie das Gemälde aus Preussen) - das sind prima Anregungen - und nebenbei einfachauch ein Stück Bildung

Große Klasse

Schönen Abend

Martin


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#18 von Dirk Frielingsdorf , 11.03.2012 18:09

Und nochmal Autochrome-Bilder vom Beginn der 20er Jahre aus der französischen Besatzungszeit des Rheinlandes (mit Eisenbahnbildern!):

http://albert-kahn.hauts-de-seine.net/ar...rope/Allemagne/
(Interessant: Viele Aufnahmen aus dem Ruhrgebiet, kohleschwarz patiniert )

Hier die Übersicht der Bilder, auch aus allen anderen Teilen der Welt lassen sich farbige Autochromes abrufen, die, von der Stiftung von Albert Kahn finanziert, seinerzeit aufgenommen wurden (mit der Maus auf den Kontient, dann aufs gewünschte Land klicken):

http://albert-kahn.hauts-de-seine.net/ar...ete/mappemonde/


Das Ganze gibt es auch als Buch:

The Wonderful World of Albert Kahn.


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#19 von Derdesinfektor , 13.03.2012 15:23

Hallo,

vielleicht hilft Dir das weiter...
http://www.miba.de/morop/nem806d-d.pdf

LG
Johnny


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#20 von Jürgen , 14.03.2012 13:24

Nochmals Dank an alle. Ich sehe, ich stehe mit meinem Interesse nicht ganz alleine da. Nachdem ich jetzt ein paar Tage Urlaub hatte und mich gar nicht mit Eisenbahn und Epochen beschäftigt habe, bin ich jetzt wieder in ein paar alte Bücher eingestiegen. Aber ich komme gar nicht so schnell hinterher, wie mir Ideen für meine Umsetzung kommen.

Ich sehe das auch mehr als Allgemeinbildung und vor allem als ein Versuch, tiefer in die Zeit einzusteigen und besser zu verstehen, wie die Menschen gelebt haben. In vielerlei Hinsicht bin ich froh, dass ich heute lebe ... Allein der Gedanke, dass seinerzeits Hunger noch immer an der Tagesordnung war. Wer die Serie Schwarzwaldhof 1902 kennt (wenn nicht einfach googlen), weiß was ich meine.

Viele Grüße
Jürgen


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#21 von Redundant , 14.03.2012 13:36

Habe kürzlich eine TV-Sendung gesehen, die sich mit der Haltbarmachung von Lebensmitteln befasste. Über den Winter zu kommen, war noch bis weit ins 20. Jahrhundert eine wirklich verantwortungsvolle Aufgabe für die damaligen Hausfrauen. Wenn sie das Sauerkraut falsch angesetzt haben, war im Winter hungern angesagt!

Je mehr ich mich mit der Zeit beschäftige, desto interessanter wird sie.

Grade fällt mir noch ein: Seit einiger Zeit ist das historische Bildarchiv der Zeitschrift Life auf google zu finden. Da sind auch Bilder aus Europa zu finden. Eventuell sind da auch noch interessante Bilder zu finden.

Viele Grüße,
Thorsten


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#22 von Jürgen , 14.03.2012 13:47

Habe einmal in den Link geschaut. Leider sind die Bilder manchesmal falsch zugeordnet. Aber zum Stöbern ist es interessant.

Die Sendung habe ich auch gesehen. Genau deswegen kam ich auf den Gedanken mit den Hungerzeiten.

Grüße
Jürgen


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#23 von Dirk Frielingsdorf , 14.03.2012 17:18

Ich finde, wir sollten diesen Thread als lockere "Stoffsammlung zur Länderbahnzeit bis 1925" ruhig am Leben halten. Wer immer neues findet, her damit! Neben dem TO bin auch ich dankbarer Abnehmer jeder neuen Quelle zum Thema (und dafür danke ich hier ebenso) und möchte nicht nur Lieferant sein.


Beste Grüße!

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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#24 von Länderbahnmartin , 14.03.2012 21:29

Dann sollte dieser Link nicht fehlen für die Freunde der bad. Eisenbahn

http://diehugs.de/index.html

Viel Spaß beim Stöbern und schönen Abend

Martin


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RE: Was macht die Epoche 1 aus ?

#25 von xv_htv , 15.03.2012 01:13

Das ist ja mal ein interessanter Thread

Zu den Farben finde ich Aufnahmen aus den 30ern und 40ern sehr interessant. So viel hat sich da zwischen 1900 und 1950 nicht geaendert. Freilichtmuseen geben einen Einblick in den Alltag und die besagten Film- und Fotoaufnahmen auf das doerfliche Umfeld. Der Film "Die Heiden von Kummerow" hat bei mir auch einen vielschichtigen Eindruck hinterlassen.

Auffallend waren auch Fahnenmaste in den jeweiligen Landesfarben, z.B. gruen/weiss in Sachsen. Ausserdem war die Landschaft ausgeraeumter, Bahndaemme kahl und Waelder zurueckgedraengt.

Bahnlich fallen die vorhandenen Laenderbahneigenheiten bis in die 30er Jahre auf. Das betrifft z.B. Signalanstriche. Die Anhaenge der Signalbuecher geben einen Einblick in Pfeiftafeln und Co.
Die DRG hatte kein Geld um alles umzustellen. Selbst Laenderbahnuniformen durften noch bis laengstens 1929 mit geaenderten Abzeichen getragen werden.

Was macht fuer mich die Epoche 1 aus? Kleine, alte Fahrzeuge wie es sie von Klein Modellbahn gab und gezogen von einer Rivarossi Bourbonnais
Weniger passend finde ich die Kriegsentwicklungen, welche heute gern mit der Epoche 1 verbunden werden, obwohl sie die kaum noch erlebt haben. Baureihen wie 18.0 und 19.0 wurden erst 1918 ausgeliefert. Die bad. IVh (18.3) ist auch so ein Fall.

VG Nils


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