12.000 Antworten. Thorsten, herzlichen Glückwunsch! Und das als "Newby"!
Meine Fresse. Wer hätte das 2013 gedacht. "Kultig" ist ein arg strapaziertes Wort, aber es ist doch schon erstaunlich, was dieser Thread in diesen neun Jahren alles bewegt und hervorgebracht hat, und wo er offensichtlich überall gelesen wird. Und zielstrebig bewegen wir uns auf die 3-Millionen-Klicks-Marke zu. Na, mal sehen, ob uns jemand zur 3. Million mit etwas Spektakulärem überrascht.
Auch die 12.000 will, so dachte ich mir, gefeiert werden. Aber wie? Da bietet sich natürlich eine kleine Zahlenspielerei an. Eine 12 mit drei Nullen, eine Baureihe 12 mit Ordnungszahl 1000, eine "12 1001" sozusagen, gab's das?
Eine Baureihe 12 gab es sehr wohl, und die letzte Überlebende der BBÖ-Reihe 214 trägt sogar die Nummer 12.10 und steht heute im Museum in Wien. Was mir aber vorschwebte war eine "12 Index 10" nach dem Vorbild von 01.10, 03.10 oder 19.10. Und die hätte es - wir sind ja hier bei "What if" - sehr wohl geben können.
Zur Spurensuche müssen wir zurückgehen bis in das Jahr 1935, als die Reichsbahn anfing sich Gedanken zu machen über einen schweren Vierkuppler für den schweren Schnellzugdienst, der eine "gemeinsame Oberstufe der Reihen 01 und 03" bilden sollte - die 06.
Einer der eingereichten Entwürfe, stammend aus dem Hause Borsig, war höchst bemerkenswert, zeigt dieser doch einen Berkshire-Verbund-Vierling, der in mancher Hinsicht französische Züge trug. Offensichtlich war man endlich im Reichsbahn-Zentralamt, im Versuchsamt - vertreten durch Prof. Nordmann - und insbesondere bei der deutschen Lokomotivbauindustrie zu der Erkenntnis gelangt, dass die Normen des Einheitslokomotivbaus zu einem Korsett geworden waren, das die Weiterentwicklung der Dampflokomotive in Deutschland behinderte und durch das man gegenüber dem Ausland ins Hintertreffen zu geraten drohte. Spätestens die berühmte Studienfahrt nach Frankreich vom März 1935 dürfte für die Verantwortlichen ein Weckruf gewesen sein.
Für Richard Paul Wagner war das ein Unding. Er verriss den Borsig-Entwurf in den Vorbesprechungen total, wobei die Vertreter der Lokomotivindustrie nicht einmal Gelegenheit zur Disputation eingeräumt wurde. Der Rest ist Geschichte, die 06 wurde nach Wagners Vorstellungen gebaut, ihr Misserfolg ist sattsam bekannt und muss an dieser Stelle nicht noch einmal neu erzählt werden.
Nun, erst vor Kurzem schrieb ich in diesem Thread wie sehr es zu bedauern wäre, dass bei manch einer Lokomotivbaureihe nicht einer der Alternativentwürfe zur Ausführung gekommen sei. Wie sieht es in diesem Falle aus? Was für eine Lokomotive hätte man bekommen - unser sehr geschätzter "Tegernseer" hat sie uns in verkleidetem Zustand bereits hier im Thread gezeigt - , wenn die 1'D2'h4v anstatt der 2'D2'h3 zum Zuge gekommen wäre?
Erstmal keine 06. Für siebenachsige, vierfach gekuppelte Schnellzugdampflokomotiven hatte der Reichsbahn-Nummernplan die Baureihenbezeichnung 12 vorgesehen. Die 12.0 war die ehemalige BBÖ-Reihe 214 (die damit als Einheitslok und damit eigentlich völlig falsch eingruppiert wurde, da sie mit diesen konstruktiv absolut nichts gemein hat), die 12.1 die ex-BBÖ-114, und die 12.2 die PKP-Pu29. Da "12.3" eine Bezeichnung für eine Länderbahntype gewesen wäre und Einheitsloks die Indexziffer 0 vorbehalten war, bliebe nur - nach dem Vorbild der 01.10 und der 03.10 - die "Flucht" in die Hochzahl 10. Damit hätten wir sie, unsere "12 hoch 10"!
Wie bereits ausgeführt, zeigte der Entwurf manches innovative Merkmal ausländischen Lokomotivbaues. Völlig abweichend zu Wagners Plänen waren vor allen Dingen die Rohraufteilung im Kessel und das Vierzylinder-Verbundtriebwerk nach französischem Vorbild. Durchgerechnet war die Maschine, obwohl etwa 13% leichter als Wagners Mammute, für 3400PS - gegenüber den 3000PS der 06! Als sauber durchgebildete Verbundmaschine wäre sie in mancher Hinsicht der unglücklichen 06 überlegen gewesen, von deren Problemen - Stichwort Bogenlauf und Langrohrkessel - überhaupt nicht zu reden.
So lasse ich mich zu der Aussage hinreissen, dass die 12.10, wenn sie denn gekommen wäre, im Unterschied zur realen 06 den Erfolg gehabt hätte, der dieser verwehrt blieb. Vielleicht wären 40, 50 Maschinen gebaut worden; die Kriegsereignisse hätten dem dann ein Ende bereitet. Nach dem Krieg wäre die 12 1001 - und ihre angenommenen Schwestermaschinen - vielleicht in dem Outfit gelaufen, wie es meine Illustration zeigt:
Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Gebr. Märklin & Cie. GmbH
Die Stromlinienverkleidung ist entfernt und lässt die großen Zwei-Meter-Treibräder erst richtig zur Geltung kommen. Das Nachlaufgestell trägt, nach dem Vorbild desselben bei der 05 001 und 002, einen Außenrahmen zur besseren Luftzufuhr zur Feuerbüchse. An der Front sind, sieht man genau hin, die beiden Kolbenstangenschutzrohre der Innenzylinder zu erkennen.
Die Maschine trägt einen Neubaukessel baugleich mit dem der nach dem Krieg ebenfalls neu bekesselten Maschinen der Reihe 45; und wie diese haben sie trotz neuen Dampferzeugers die alte Front behalten. Der Grund für die Neubekesselung ist offensichtlich: Es dauerte bis 1962, bis die Bundesbahn eine Diesellokomotive in der gleichen Leistungsklasse für den schweren Schnell- und Reisezugdienst auf nichtelektrifizierten Strecken aufbieten konnte. Die Boliden wären - genauso wie in Wirklichkeit die 01.10 - auf Jahrzehnte hinaus unersetzlich gewesen! Eine Ölfeuerung, die die Lokomotiven wahrscheinlich noch über die 3500PS-Grenze gehievt hätte, hätte ein Übriges dazu beigetragen.
"01.10" ist allerdings ein gutes Stichwort. Spielen wir das Gedankenspiel "12.10" durch, lassen wir einfach die Option zu, in unserem Paralleluniversum hätte es ab ca. 1936 eine erfolgreiche 1'D2'h4v gegeben - mit über 3000PS Leistung, einem Reibungsgewicht von 72 bzw. 80t flexibel einsetzbar und der Betriebsdiensttauglichkeit einer S3/6. Dann hätte es keine 01.10 gegeben, keine 03.10 und keine 10. Wozu auch? Deren "Nischen" wären ja durch eine in genügend großer Anzahl vorhandenen Type abgedeckt gewesen. Und die Bezeichnung ist auch falsch. Denn 1936 war die "12.0" natürlich noch frei und nicht durch die BBÖ-Lok belegt. So what...
Paralleluniversen haben also auch Nachteile. Trotzdem, ein beeidruckendes Stück Lok wäre Borsigs Verbund-Bolide trotzdem gewesen. Als Blumenstrauß zum Jubiläum taugt der Brummer allemal...!
Grüße!
Christian