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Der Fluch der Akribik, Teil 163
SKANDAL IM SPERRBEZIRK – EIN TRAKTOR IM STUMMIFORUM!!!
„A klasa Trakta“, meinte der Toni anerkennend. „Und goa nit teia. So an kaf i ma hiaz a. Lei a bisle futuristisch isa holt.“ „A wos isn dos, ‚futaristisch‘“, wollte die Mitzi wissen. „Futuristisch haßt, dosa nua so tuat, wia wonna hiazan schon do steahn tatat. In Wirklichkeit gips ihn eascht nexts Joa!“
[Ein hervorragender Ackerschlepper. Und durchaus erschwinglich, wenn man genug schlägerungsreifen Forst besitzt. Einen solchen gedenke auch ich in naher Zukunft zu erwerben. Bloß ein wenig futuristisch mutet er an. – Was ist denn das, „futaristisch“? – „Futuristisch“ bedeutet, dass er lediglich den Anschein erzeugt, als befände er sich schon jetzt hier vor uns. Tatsächlich wird er erst im kommenden Jahr produziert!]
Tatsächlich, wir befinden uns im Jahr 1955, und die Mo-Miniatur-Packung gibt 1956 als Baujahr an. Sind Mitzi und Toni zum Zwecke grässlicher Experimente am lebenden Preiser von Aliens in die ferne Zukunft entführt worden?
Wie auch immer, ich kann diese Jahreszahl für mein Projekt getrost ignorieren. Diese Steyr-Traktoren wurden schon etliche Jahre früher gebaut, ohne dass sie wesentlich verändert wurden.
Aber was hat dieser kleine Traktor mit meinen Waggons zu tun? Nun, der Anlass für die Beschaffung dieses Modelles war folgendes Bild:
Foto: ÖBB-Archiv, Sammlung Thomas Daxbeck, www.leobersdorferbahn.net
Der vordere Wagen hat Bordwände aus Holz, der hintere hingegen solche aus Metall. Demnach könnte der hintere Wagen ein Tipo P von 1937 oder von 1942 sein, ein Exemplar „senza garitta“, also ohne Bremserhaus – beide Wagen sind offensichtlich Leitungswagen.
Auf den ersten Blick sehen die Traktoren auf diesem Foto wie Steyr 80 aus. Ich gelange aber schließlich zur der Auffassung, dass es sich zumindest bei den vorderen eher um 80a handeln müsste.
Rund 60.000 Stück des Steyr 80 wurden gebaut, etwa ein Viertel davon als 80a, eine Hackfrucht-Variante mit deutlich mehr Bodenfreiheit als die Standardversion. Der 80a hatte wesentlich höhere und schmälere Hinterräder als der 80er und charakteristische, ganz anders aussehende Felgen. Vorbildfotos und Grafiken, die den Unterschied verdeutlichen, gibt es auf www.zuckerfabrik24.de.
Ein Großteil dieser Traktoren ging in den Export. Nicht wenige davon nach Italien, weil Steyr und Fiat eng kooperierten und mangels Devisen regen Tauschhandel betrieben – zum Beispiel Traktoren gegen Komponenten für in Österreich in Lizenz gebaute Fiat-Automobile.
Also: es müssen Steyr 80a sein, die über meinen Taggenbrunn-Viadukt nach Italien in den Export gehen.
Ein nicht ganz billiges Unterfangen, denn auf einen Carro tipo P ohne Bremserhaus lud man dazumal 5 Stück quer, auf einen Wagen mit Bremserhaus passten 4 Stück. Den Steyr 80a bekam man bis vor kurzem als phantastisch detailliertes Modell bei MO-Miniatur, und weil niemand so ein Idiot ist, dass er stundenlang ohne Entgelt arbeitet, nur weil irgendein anderer sich ein möglichst billiges Modell wünscht, hatte diese exzellente Detaillierung selbstverständlich ihren Preis.
Angesichts der hervorragenden Detaillierung blieb da jedenfalls nicht mehr viel zu tun: MO-Miniatur-Trecker auf den Wagen draufstellen, ein paar Holzkeile anbringen und fertig!
Dachte ich. Indes, so einfach geht das in der Akribik selbst mit einem so brillanten Modell nicht.
Es musste natürlich zuerst einmal das weiße Vöcklabrucker Kennzeichen weg, das es in dieser Ausführung erst ab 1988 gab. Vor 1988 waren österreichische Kennzeichen bekanntlich schwarz. Vielleicht wollte man bei MO-Miniatur jüngeres Publikum ansprechen, indem man das Fahrzeug als wunderschön restaurierten Oldtimer anbot? - Weg muss auch die österreichische 15km-Tafel, die ebenfalls nicht so recht zu einem für den Italien-Export vorgesehenen Traktor von 1955 passen will:
Wie man am besten unpassende Decals auf einem Traktorkotflügel entfernt? Darfür gibt es z.B. bei Andreas Nothaft eine sehr gute Anleitung.
Ich habe es mir allerdings viiiieeel einfacher gemacht: ich habe kurzerhand die Kotflügel weggeschnitten!
Bei genauerer Betrachtung des Vorbildfotos sieht man, dass nur Schutzbügel montiert sind, aber keine Kotflügel. Und dann die Ackerschiene des Modells: sie steht unzulässig weit über die Bordwand. Es ist also wahrscheinlich, dass die frühen, zu Gunsten eines erschwinglichen Preises sehr spartanisch ausgestatteten Steyr-Traktoren ohne Ackerschiene ausgeliefert wurden. Daher muss auch die Ackerschiene weg. Und Rückspiegel waren so etwas wie Science Fiction, denn sie zählten damals ganz offensichtlich ebenfalls noch nicht zum Lieferumfang der Basismodelle. Also muss auch der Rückspiegel des Modells weg.
Es ist äußerste Vorsicht angesagt, denn das Modell ist aus Resin und entsprechend spröde. Bei jeder unvorsichtigen Berührung fällt ein kleines Teil ab – und meistens genau nicht dasjenige, das man gerade entfernen möchte. Bei mir sind es das linke Hinterrad, ein Pedal und das Lenkrad, welche sich außerplanmäßig verflüchtigen. Die in der Folge hergerichteten weiteren Modelle habe ich deshalb auf der schwarzen Kunststoffplatte, auf der sie für den Versand festgeschraubt waren, belassen. So musste ich sie nicht mehr direkt anfassen und so gingen meine weiteren Arbeiten weitgehend beschädigungsfrei voran.
Nun schneide ich die Ackerschiene und die Kotflügel weg. „Schneiden“ ist allerdings ein Ausdruck, der dieser Fizzelei nicht recht entsprechen will. Es ist eher ein wenig so, als ob man einem Floh eine Pudelfrisur schert…
Im Bereich der Hinterachse sind nun Nacharbeiten mit dem Messer notwendig:
Wie winzig und filigran der kleine Trecker ist, verdeutlicht der Cutter rechts im Bild. - Mit viel Geduld bringe ich diesen „mikrochirurgischen Eingriff“ zu einem guten Ende.
An den Sitz kommt noch ein Blech für die Nummerntafel. Die Säule des Lenkrades war mir etwas zu dick geraten. Das Lenkrad wurde gegen ein geätztes aus dem Weinert-Programm ausgetauscht, die Lenksäule durch 0,4mm MS-Draht ersetzt. Das Blech an der Vorderachse wurde geglättet und angebohrt. In das Bohrloch wurde eine Starterkurbel gesteckt – genau wie auf dem Foto.
Allerdings: so unglaublich detailliert das MO-Miniatur-Modell auch gelungen ist, einen schweren Mangel hat es dennoch, und zwar sogar einen geradezu lebensgefährlichen - das Auspuffrohr ist nämlich an seinem Ende verschlossen!!!
Weil gerade ein 0,6mm-MS-Mikroröhrchen herumlag, hat das Modell nun ein richtiges Auspuffrohr - oben offen, wie es sich gehört. Jetzt müsste Seuthe bloß noch einen Mikro-Rauchgenerator bauen, dann könnte man es auch noch richtig rauchen lassen…
Das abgegangen Pedal und die Hinterräder konnten jetzt wieder angeklebt werden.
Abschließend habe ich noch ein paar kleine Lackschäden an der Hinterachse und an den Ätzteilen mit Revell 36143 Mittelgrau ausgebessert. Der Umbau in eine frühe Spar-Version eines Steyr 80a sieht jetzt für meine Begriffe schon recht überzeugend aus:
Die aus einem dünnen Holzbrettchen bewusst unregelmäßig geschnitzten Keile klebe ich übrigens nicht an den Boden des Waggons, sondern nur an die Reifen des Traktors. So kann man den Traktor bei Bedarf jederzeit wieder abnehmen. Sollte sich das im Betrieb nicht bewähren, kann man die Traktoren immer noch mit winzigen Sekundenkleber-Tröpfchen fixieren. Eine Verzurrung vermag ich auf dem Vorbildfoto nicht zu erkennen. Die Keile müssen genügen.
Der Rest ist für „gestandene Mobaner“ keine große Neuigkeit. Es werden zwei weitere Traktoren gleichartig hergerichtet. Anschließend kommt der Tipo P der FS mit seiner Traktoren-Ladung zu meinem endgültigen Fuhrpark:
Aber halt - wieso nur zwei weitere Steyr? Was schreibt der Karl da? Da passen doch weitere drei drauf? Ist er insgeheim vielleicht dyskalkul? Oder fällt er vorzeitig der Demenz anheim?
Nun, der Steyr 80a ist bei Mo-Miniatur derzeit ausverkauft und ich habe insgesamt nur noch drei Stück ergattert. Bleibt nur zu hoffen, dass das Modell vielleicht wieder aufgelegt wird...
Einem eventuell überzähligen Exemplar würde ich gerne schon jetzt ein neues, freundliches Zuhause mit garantiert biologischer Bodenhaltung anbieten. Selbstverständlich gegen einen angemessenen Preis. Angebote bitte per PN .
Übrigens: auch andere kleine Traktoren transportierte man auf diese Weise quergestellt. Wem also das heutige Thema gar zu grauslich ausländisch-exotisch-fremd vorkam, der stellt einfach statt der Steyr 80a z.B. kleine Allgaier-Porsche-Traktormodelle auf passende Wagen. Nicht genug Traktoren einer Bauart vorhanden? Macht nichts, auch „gemischte“ Ladungen gab es, z.B. auf einem Rungenwagen vier kleine Traktoren quer, ein großer längs.
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Schluss jetzt mit dem außerbahnmäßigen Traktorenzeug. Nächsten Freitag gibt’s wieder Waggons.
@ Andreas, Rene und Jörg: vielen Dank für eure netten Kommentare!
Liebe Grüße aus dem jetzt recht frostigen Kärnten
Euer Karl