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Der Fluch der Akribik, Teil 187
GEBRAUCHSSPUREN AUF GÜTERWAGEN – TEIL 3: WAGENKÄSTEN STREICHEN
Exklusiv für Wolfgang 44, Tina Pa und Luigi Colorani
Zunächst richte ich alle benötigten Zutaten her:
- 1 Balkon an einem schönen Sommertag mit gutem Licht (muss nicht unbedingt sein, beschert aber eine Menge Endorphine)
- Leuchtlupe, Farben und Zubehör wie in Teil 1 beschrieben
Vorab vermeide ich Dispute mit meiner Schwiegermutter, Kaffee, sexuelle Enthaltsamkeit und überhaupt alles, was zittrig macht.
Meine Hände sind gründlich mit Lysoform gewaschen, ich sondere für eine Weile kaum Fett ab.
Ich habe nun drei G10 von Brawa vorbereitet:
Die Dächer sind abgenommen, die Räder sind entfernt und sorgsam verwahrt, ebenso eine Feder, die beim Herausnehmen der Räder abfiel. Sie wird erst zum Schluss wieder eingebaut:
Die Dächer sind bereits nach der in Folge 159 beschriebenen Methode gestrichen, eines davon ist etwas fleckig.
Die letzten Farbschichten wurden mit einem flachen Pinsel quer aufgetragen, um Regenwasser-Streifen anzudeuten. Der Auftrag war bis zuletzt lasierend, daher kann man bei den linken beiden Dächern noch den von der ursprünglichen Lackierung herrührenden mittigen Rußstreifen erkennen.
Meine inzwischen erworbene Routine erlaubt es mir, die Fahrgestelle während der Lackierung der Wagenkästen weder abzuschrauben noch abzukleben. Wer keine Übung hat und befürchten muss, dass er die Fahrgestelle ankleckert, kann sie abkleben oder zwei Schrauben im Inneren des Wagens lösen und sie abnehmen.
Nun geht es an die Wagenkästen. Ich habe meinen „DB-Mix“ vorbereitet - Revell Aqua Ziegelrot und Lederbraun 2:1 gemischt und, wie in der vorletzten Folge dieser Serie beschrieben, verdünnt. Von der Farbe rühre ich so viel an, dass ich mindestens einen Wagenkasten damit streichen kann, ohne meine Arbeit unterbrechen zu müssen. Die Farbe ist ganz dünnflüssig angerührt, dennoch legt sie sich an den Wänden des glatten Kunststoffbehälters an und perlt nicht ab, wie man hier hoffentlich etwas besser sehen kann als auf dem gleichartigen Foto vor 14 Tagen:
Die Farbe trage ich so HAUCHDÜNN auf, wie man das einst in einer Magirus-Werbung vom idealen Eierkuchen erwartete. Sinngemäß lautete diese Radio-Werbung etwa so: „Was ich mag? Meine Freundin Anni, Palatschinken HAUCHDÜNN, die Großglockner Hochalm-Strecke bei jedem Wetter, und meinen Magirus Deutz.“
Der Wagen steht nicht, er liegt stabil auf einem Stück Küchenrolle auf. Da der Wagen liegt und ich daher auf einer horizontalen Fläche male, fließt mir kaum Farbe davon. Die Pinselhand liegt ebenfalls fest auf der Unterlage auf.
Ich beginne rechts oben. Einfach so - weil mir das Arbeiten von rechts nach links angenehm ist. Wenn du eine andere Ecke bevorzugst, fang einfach mit deiner persönlichen Lieblingsecke an.
Die Farbe trage ich in schnellen Strichen Brett für Brett in den Ecken auf und ziehe sie zur Mitte hin. Auf diese Weise lagert sich in den Ecken nirgends Farbe ab. Auf den folgenden Fotos sind die beiden Felder rechts außen zwischen den senkrechten Profilen bereits bemalt:
Überall, wo der Lack plastisch wirkt, wird er sofort mit dem Pinsel abgetragen - bis auf eine ganz dünne, glatte Schicht. Der Farbauftrag wird auf diese Weise HAUCHDÜNN wie Annis Magirus-Deutz-Palatschinken auf der Großglockner-Hochalpenstraße.
Habe ich zu viel Farbe im Pinsel, streife ich ihn sofort aus. Habe ich zu viel Farbe auf einem Brett des Wagens, streife ich den Pinsel aus und sauge damit die überschüssige Farbe ab. Das Abtragen der überschüssigen Farbe erfolgt wieder mit schnellen Pinselstrichen in Brettrichtung und von den Ecken weg - genau so, wie ich sie aufgetragen habe. Zügiges Arbeiten ist angesagt, denn an heißen Sommertagen können Farbkleckse binnen Sekunden so weit trocknen, dass sie beim Absaugen unschöne Ränder hinterlassen.
Dass der Lack so schnell trocknet, ist nicht ohne Vorteil. Man kann den Wagen auch an frisch bemalten Stellen sehr bald angreifen, ohne dass man Fingerabdrücke hinterlässt.
Die vom Pinsel aufgesogene Farbe wasche ich nicht aus, sondern ich trage sie gleich aufs nächste Brett auf.
Diagonale und vertikale Profile bemale ich ebenfalls in Längsrichtung:
Die zwei rechten Felder sind, wie erwähnt, bereits bemalt. Man sieht keine dennoch keine Patzer und keine Pinselhiebe.
Das RIV-Zeichen und die Bremsecken wurden mit schnellen Strichen ausgespart. Ich setze den Pinsel daneben auf und ziehe die Farbe von dem Aufdruck weg:
Anschließend male ich an der Unterseite des RIV-Symbols entlang,...
... und zwar wieder von den Rändern zur Mitte, damit sich keine Farbe an den Rändern anlegt.
Seitlich und unterhalb von Bedruckungselementen kann ich den Pinsel recht genau steuern. Oberhalb von Schriften und Symbolen schaffe ich das nicht. Ich würde mit hoher Wahrscheinlichkeit kleckern. Ich male daher niemals über Schriften und Symbole hinweg, sondern ich drehe das Fahrzeug immer sofort um 180°, sodass die Schrift oder das Symbol links, rechts oder vor der Pinselspitze liegt:
Auf den beiden Test-Feldern werdet ihr kleine schlampig bemalte Flecken bemerkt haben, die aber beim zweiten Farbauftrag verschwunden sein werden.
Und was ist mit dem Entfetten? Wie schon früher einmal erwähnt, entfette ich meine Fahrzeuge nicht. Beim Auftrag mit dem Pinsel scheint sich das ohnehin nur in homöopathischen Mengen vorhandene Fett mit der Farbe zu vermischen und die Haftung der Farbe wird dadurch nicht beeinträchtigt.
Anders bei der Airbrush: trage ich Farbe mit dem Luftpinsel auf eine fettige Oberfläche auf, bleibt der Fettfilm unbeschädigt, die Farbe haftet darauf schlecht und kann sich wieder lösen. Flächen, die ich mit der Airbrush lackieren will, reinige ich daher gründlich.
Meine Farbe habe ich nur ungefähr gemischt – dennoch sieht man auf den Fotos deutlich, dass sich die beiden rechten Felder kaum von der Originalfarbe des Modells unterscheiden. Bei gutem Licht wird der so behandelte Wagen matter wirken als bei einer Lackierung mit der Airbrush und die Bretterfugen werden schmäler aussehen.
Da könnte man doch gleich mit dem Dry Brush-Verfahren arbeiten?
Nun, ich trage die Farbe auf, sauge ab, was zu viel ist, und verstreiche die aufgesogene überschüssige Farbe gleich wieder. Es wird wenig Farbe vergeudet und es kommt auch Farbe in die Fugen, die dadurch kleiner wirken werden.
Beim Dry-Brush-Verfahren dagegen wird der Pinsel eingetaucht, die Farbe wird bis auf einen kleinen Rest aus dem Pinsel gewischt, und dann erst wird die Farbe auf den Brettern aufgetragen. Es gelangt also kaum Farbe in die Fugen und es geht durch das ständige Auswischen des Pinsels auch mehr Farbe verloren.
In The Summertime, When The Weather Is Fine
Im Hochsommer auf dem Balkon trocknet die Farbe sehr rasch. Ich kann das Modell schon wenige Minuten nach dem Farbauftrag an den frisch gestrichenen Stellen anfassen.
Im Hochsommer auf dem Balkon wird die Farbe aber auch nach recht kurzer Zeit merklich zäher. Ich setze nun keinesfalls mit dieser zähen Brühe fort. Kurze Unterbrechung, ein oder zwei Tropfen Wasser mit der Pipette zugeben, gut umrühren, und schon habe ich wieder eine recht flüssige und trotzdem gut haftende Farbe.
So, das war's für heute.
Liebe Grüße
Euer Karl