„Toni, magst mit? Samstag 3:00 Abfahrt in Reuthin! Wir kommen am spätnachmittag wieder zurück." Ja, das konnte ich mir einrichten. Wohin fahren wir und was tun wir?
„Wir fahren mit dem feuerroten Spielmobil in die Schweiz und holen da was nettes in einem Museum ab. Du weißt doch, der SNCB arbeitet in seiner Werkstatt auch Schienenfahrzeuge befreundeter Betriebe auf. Und da gibt es einen Auftrag, was abzuholen.“ klärte mich Simon Simmeringer, der 1. Vorsitzende des Schmal- und Normalspur-Clubs Bodensee auf. „Ok."
„Und was ist das für ein Spielmobil?“ Das war wohl schon dort.
Früh am Samstagmorgen holte er mich mit seinem PKW ab. So früh mochte keine viel reden. Im Radio sangen Kinder „Kri-Kra-Krokodil, wir fahren mit dem Spielmobil “, und mich beschäftigte, was wir da wohl zu sehen bekommen würden.
Als wir in Kerzers in der Zentralschweiz ankamen, stand da schon ein Gespann aus einer blutorangen Pausbacke des ÖBB Kraftverkehrsdienstes (aha, so kommt er aufs „feuerrote Spielmobil“ und einem beladenen Straßenroller mit einem grünen Triebwagen der BMB. Die Polizei stand schon bereit und nach letzten Absprachen gings los. Leider immer noch zu dunkel zum Bilder machen. Mit maximal 50 km/h ging es über eine vorher ausgeklügelte Route Richtung Autobahn. Wir voraus, dann der Polizeiwagen, dann das Spielmobil mit Ladung.
"Die zwischen Biel und Meinisberg verkehrende BMB war eine total innovative Schweizer Schmalspurbahn", klärte mich der Simmeringer auf, der nach zwei starken Kaffees und ebenso vielen Nussgipflelis etwas gesprächiger geworden war. "Der Triebwagen landete nach der Einstellung der Bahn 1923 zunächst im Garten des letzten Direktors als Pavillon, später nach dessen Tod nach einer Zwischenstation im Luzerner Verkehrshaus als Leihgabe beim hiesigen privaten Eisenbahnmuseum in Kerzers. Der Wagen stand dort in gutem Zustand in einer Halle und gehört mittlerweile dem TDCE (Tramwaydampfclub Emschertal). Jetzt geht es um eine Befundung und Prüfung, ob man den nicht gar betriebsfähig aufarbeiten kann…“
Ja, die Werkstatt des SNCB hat sich im Lauf der Zeit schon einen Namen in der Szene gemacht, dachte ich mir. Inzwischen dämmerte es. Wir gaben Vollgas und entfernten uns vom Konvoi, weil der Simmeringer (und ich natürlich mit) ein paar Bilder des Gespanns machen wollten – er für die Vereinschronik, ich halt so.
Das Gespann sieht irgendwie schon cool aus. „Pi-Pa-Pelikan, Spielmobil geht ran." – ja, jetzt verstand ich den Spitznamen des Straßenrollergespanns schon. Und wollte noch etwas mehr zum Triebwagen wissen. Seine irgendwie filigrane Bauart, die die elegante Lackierung in zweierlei Grüntönen unterstreicht,gefällt mir recht gut.
„Na ja, das ist ein 1913 in 2 Exemplaren gebauter Dampftriebwagen der Bauart Liechty. Weil die Strecke der BMB in der Bieler Innenstadt Straßenbahngleise mit ziemlich engen Kurven mitbenutzen sollte, brauchte es eine Sonderbauart. Liechty plante also ein vierachsiges Fahrzeug, das mit einem Triebdrehgestell mit radial einstellbaren Achsen versehen war.
Der Antrieb erfolgte über eine unter dem Wagenboden liegende Zweizylinder-Dampfmaschine, die eine Vorgelegewelle antrieb. Diese trieb wiederum über ein Getriebe eine Hohlwelle an, welche die Kraft im Innern über ein mittig angeordnetes kardanisches Kugelgelenk auf die Achse einer Blindwelle übertrug, welche über Kuppelstangen die beiden Radsätze antrieb. Die Anordnung der Hohlwelle mit der darin liegenden Blindwelle entsprach der einer Klien-Lindner-Hohlachse, nur war dies keine Achse eines Radsatzes, sondern war am Kasten angebracht, wo sie für die Bewegungsfreiheit des Drehgestells gegenüber dem Wagenkasten sorgte. Bei der Bevölkerung waren die beiden Wagen recht beliebt und trugen den Spitznamen „Graswürmer“, weil sie grasgrün lackiert waren.
Der einschlägigen Literatur nach sollte auch dieser hier nicht mehr existieren“, lachte der Simmeringer, „aber wir wissens ja besser, oder?“
"Ri-Ra-Regenwurm, Spielmobil fährt auch bei Sturm" summte ich leise vor mich hin, als unsere Fuhre dann langsam am Bahnhof ankam. Inzwischen war gutes Fotografierlicht, auch die Abladecrew war schon da. Unsere Fahrt war problemlos verlaufen.
Als die Rampe vorbereitet war, stand die schmalspurige Reuthiner Rangierlok schon bereit. Sie setzte sich an den Triebwagen und ruckte ganz vorsichtig an.
Der Triebwagen neigte sich zuerst bedenklich auf die Seite
stabilisierte sich aber schnell wieder
Währenddessen hatten gute Seelen in der Aufenthaltsbude der Rangierer (dem ehemaligen Reuthiner Wärterstellwerk3) ein zweites (oder war's schon das dritte?) Frühstück besorgt, was grossen Zuspruch erfuhr.
Die freundlichen Polizisten verabschiedeten sich, während der Triebwagen nun auf dem Nachbargleis wieder gut auf eigenen Rädern stand.
„Man könnte doch für ein paar Bilder… “, murmelte einer aus dem Verein dem Simmeringer ins Ohr. Gesagt, getan:
Ein paar Minuten später
standen einträchtig beide Dampftriebwagen nebeneinander. Zwar kalt, aber immerhin.
Der Simmeringer verabschiedete sich von seinen anderen Mannen und brachte mich heim.
„Wannst willst, Toni, schau morgen gegen 10 nach Doren auf den Bahnhof“, sagte er. Er weiß doch, dass ich auf solche Andeutungen immer reagiere!
Und so stand ich da. Und er war schon da, der CFm 2/4
Auf Laufprobefahrt. Natürlich kalt, die Zuglok war schon abgezogen worden, so waren noch ein paar Bilder solo möglich. Ob der sich mal mit eigener Kraft hierher bewegen wird?
Schön! Also, man muss immer nur die richtigen Freunde haben, dachte ich mir und der Sonntag war gerettet.
Euer Toni