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Der Fluch der Akribik, Teil 173
AUSSEN HUI, INNEN SIEHT EH KEINER WAS
Die Farbgebung von Innenseiten älterer offener Güterwagen ist ein Thema, dem in der Modellbahn-Literatur gaaanz wenig Raum geschenkt wird.
Der Grund liegt wohl auf der Hand: Güterwagen wurden in der frühen Epoche 3 kaum gezielt in Farbe abgelichtet, denn Farbfilme waren teuer und wurden daher lieber für Loks verwendet. Wenige Ausnahmen wie Fritz Willke bestätigen, was die Germanen in der Regel für Bärte trugen. Besonders rar sind Aufnahmen von oben, welche Einsicht in die offenen Wagen gewähren. Güterzüge wurden viel seltener fotografiert als Personenzüge. Ich bin daher überwiegend auf Rückschlüsse aus Innenaufnahmen moderner Wagen angewiesen.
Anders ausgedrückt: alles, was ich heute hier zur Farbgebung der Innenseiten offener Güterwagen am Beispiel meines Omm 52 von Brawa zum Besten gebe, ist Kaffeesudlesen aus Acrylfarbenrückständen und kann ruhig kritisch hinterfragt werden.
Hier zur Erinnerung der fertig zugerüstete, aber noch nicht bemalte Wagen:
Das Modell ist mit Bedacht anzufassen, denn die originalen Griffe, Verschlüsse und Signalhalter brechen leicht ab. Wer wenigstens Signalhalter und Griffe gegen solche aus Messing ausgetauscht hat, kann schon etwas beherzter zugreifen.
Da der Pinsel saugstark sein muss, darf er nicht zu klein sein. Ich nehme einen Pinsel der Größe 3.
Zuerst trage ich auf dem Bretterboden drei Schichten Beige (Revell Aqua #36189) 1:1 mit Wasser verdünnt hauchdünn mit dem Pinsel auf. Wie schon beschrieben, streiche ich immer in Brettrichtung. Die Fugen lasse ich nicht zulaufen, überschüssige Farbe entferne ich immer sofort mit dem auf einem Blatt Küchenrolle trocken gewischten Pinsel. Die letzte Schicht ist ausreichend deckend. – Ich lasse den Wagen über Nacht gut trocknen.
Im nächsten Schritt trage ich eine dünne Schicht Wasser auf. Wichtig ist mir, dass der Wagenboden nicht „schwimmt“. Er soll bloß gleichmäßig dünn eingenässt sein. Mit ganz wenig mattem Schwarz bemale ich die Bretter unterschiedlich stark Nass-in-Nass, wiederum ausschließlich in Brettrichtung. Im Zweifel gilt: weniger ist mehr. Bilden sich wolkige schwarze Flecken über mehrere Bretter hinweg, ist zu viel Wasser vorhanden. Wasser mit dem trockenen Pinsel absaugen, Vorgang wiederholen. - Gut trocknen lassen.
Hier der Omm 52 mit drei Anstrichen Beige und einer Schicht Schwarz. Eine weitere Schicht Schwarz wurde rundum an den Brettern aufgetragen, um geringfügig dunklere Brett-Enden zu erhalten, und wieder wurde gewartet, bis die Farbe gut trocken war:
Die Blechränder des Bodens dürfen ein wenig angekleckert werden, sie werden sowieso noch nachbehandelt.
Neuerlich benetze ich den Bretterboden mit Wasser und trage anschließend ein mit Weiß und mit Spuren von Schwarz gemischtes ganz helles Grau auf:
Die Grundierung hölzerner Böden und Innenseiten von Bordwänden in Beige-Beige-Beige-Schwarz-Hellgrau ist bei mir jetzt immer gleich. Egal ob ich letztlich dunkles oder helles Holz daraus mache - diese gleichartige Grundierung sorgt dafür, dass alle meine offenen Wagen farblich miteinander harmonieren.
Der Wasserauftrag vor dem Bemalen hat zwei Funktionen: erstens dringt wenig Farbe in die Rillen ein, der Raum ist ja mit Wasser besetzt. Die Farbbrühe verteilt sich nicht unkontrolliert gleichmäßig in allen Rillen, sondern nur dort, wo man die Rillen bewusst betonen will. Zweitens kann man mit der Nass-in-Nass-Malerei holzähnliche Strukturen erzeugen, wie man das aus der Aquarellmalerei kennt.
Das Holz ist nun unregelmäßig grau geworden und sieht ein wenig stärker benutzt aus, was bei einem bloß zwei, drei Jahre alten Fahrzeug durchaus schon zutreffen dürfte. Aber fertig ist das noch nicht.
Als der Boden trocken ist, male ich die Innenseite des Omm 52 nach und beginne mit dem verblechten Bereich des Bodens. Die Bretter decke ich nicht ab, ich ziehe den Rand freihändig. Gerate ich durch Ungeschick auf die Bretter, wird die Farbe einfach mit viel Wasser verdünnt und schnell wieder abgewischt. Geht nur, weil die Farben des Bodens gut durchgetrocknet sind. Trocknen lassen, Vorgang wiederholen.
Mein Gemisch aus zwei Teilen Ziegelrot und einem Teil Lederbraun, 1:1 mit Wasser verdünnt, ist ein wenig heller als der Originallack des Wagens. Das kommt meiner Absicht entgegen, den Wagen außen recht neu aussehen zu lassen, innen aber doch schon deutliche Gebrauchsspuren zu zeigen.
Mit schwarzen, beigen und grauen Schichten – immer stark verdünnt Nass-in-Nass - altert die Bordwand innen mehr und mehr. Abschließend kommen am Boden kleine Rostflecken aus verschiedenen Brauntönen, Schwarz und Orange hinzu, und schließlich staube ich noch echten fein gestampften Roststaub auf (Pulverfarbe tut’s natürlich auch).
So sieht der Wagen in fertigem Zustand aus:
Außen habe ich die Bordwand kaum behandelt, denn der Wagen ist ab Werk sehr schön matt und gibt einen an Jahren noch nicht alten Wagen glaubhaft wieder. Das Fahrgestell habe ich vollständig neu gestrichen und dezent gealtert:
Ähnlich ging ich mit dem alten O Halle von Sachsenmodelle vor. Hier war lediglich darauf zu achten, dass die Farbe der Innenseiten der Bordwände nicht auf den Boden fließen durfte. Um dies zu verhindern, wurden die Innenseiten ausschließlich bei liegendem Fahrzeug bemalt:
Das Bild oben zeigt die Situation nach dem Aufbringen der dritten beigen Schicht auf die Seitenwände. Der früher einmal mit untauglichen Methoden gealterte Boden der Ladefläche und der Bremserbühne sowie die Trittbretterwurden wurden danach gründlich überarbeitet, der Wagen wurde außen komplett neu gestrichen. Während auch dieser Wagen innen deutliche Spuren aller erdenklichen Ladegüter trägt, habe ich ihn außen nur dezent gealtert. Hier nun der fertige O Halle:
Wieder kann ich zwei Wagen in meinen endgültigen Wagenpark einreihen.
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@ Ermel, Jochen, Loki 01, Christof, Randolf und Steffen: Vielen Dank für euren Beifall - das spornt mächtig an!
@ Ralf: Man kann natürlich auch moderne Wagen farblich überarbeiten und mit Ladungen versehen. Das Wichtigste dabei ist aber, man muss es gern tun. Selbstverständlich ist hier auch ein jeder gerne willkommen, der das aus gutem Grund nicht macht. Außerdem habe ich deine seinerzeitigen super Beiträge zu Themen, bei denen DU der Experte bist, noch sehr gut in Erinnerung. Nochmals vielen Dank dafür!
Liebe Grüße
Euer Karl