Interessante Beiträge, die mir zeigen, daß die Menschen hier nicht anders ticken als im wahren Leben außerhalb des Forums.
Für die, die den ÖPNV regelmäßig nutzen oder nutzen müssen ist das 9-Euro-Ticket zumindest für die nächsten 3 Monate eine gute Sache. Für die, die die Zeit haben und nun ausgiebig Bahn fahren und ihren subventionierten Spaß haben wollen, ebenso. Ohne Frage. Und auch der Kostenvergleich mit PKW und Bahn. Wenn das alles so einfach wäre und nur die Kosten das einzige wäre, die jeder unmittelbar selbst trägt.
Es gibt Menschen die fahren mit dem Auto, selbst wenn ÖPNV kostenlos wäre. Weil ÖPNV eben ganz einfach für viele keine praktikable Lösung darstellt. Das sind nicht nur die, die beispielsweise irgendwo in der hintersten und gottverlassensten Ecke von Mc Pomm wohnen (stellvertretend für viele ähnliche ländliche Bereiche), sondern es sind auch die, die in Ballungsgebieten leben, bei denen die Nutzung von ÖPNV allerdings mit erheblichem zeitlichen Mehraufwand und damit auch mit erheblichem Einschränkungen und Unbequemlichkeiten verbunden sind.
Beispiel: ich wohne in einem Vorort von Darmstadt, hervorragend mit ÖPNV angebunden. Innerstädtisch als auch in die Metropolen Richtung Frankfurt und Richtung Süden Mannheim und Heidelberg. Ich arbeite in Seligenstadt, gehört auch noch zum Rhein-Main-Gebiet. Mit PKW 45 km einfache Strecke benötige ich ca. 45 Minuten und kann fahren wann ich will. Kaum Stau, weil da fährt ja sonst auch niemand hin. Mit ÖPNV benötige ich Minimum 2 h mit 3 x Umsteigen. Verspätungen und Ausfälle nicht eingerechnet. Pro Tag sind das für hin und zurück 2 1/2 h, die ich für die An- und Abreise zur Arbeitsstelle länger benötige. Gesamtfahrzeit ca. 4 h für 90 km hin und zurück. Macht 50 % der regulären Arbeitszeit aus. Umziehen? Ja, sicherlich, das wäre eine Lösung, verschärft aber nur das bereits bestehende Problem der "Landflucht". Wobei es bei mir eigentlich eher umgekehrt ist, ich wohne in der Stadt und arbeite auf dem Land.
Es ist immer sehr einfach zu sagen man müsse mehr ÖPNV nutzen. Jobticket, Jahreskarten, kostenlose Nutzung und letztlich Ausbau. Es ändert aber nichts daran, daß man nicht jede noch so kleine Stadt oder Gemeinde an das Fernverkehrs- oder S-Bahnnetz anschließen kann. Irgendjemand muß das auch bezahlen. Auch die Kosten für das 9-Euro-Ticket fallen nicht vom Himmel. Geschätzte Kosten für die Länder ca. 2.5 Mrd. Euro. Wo die wohl herkommen? Wirkung, mehr als ungewiß. Zudem verpufft die Entlastung, spätestens dann, wenn nach der Testphase die Preise erhöht werden, weil der Bund eben doch nicht alle Kosten übernommen hat wie versprochen. Wobei, auch der Bund druckt sich sein Geld nicht selbst.
Um jetzt nicht den Eindruck zu erwecken ich würde nur auf das 9-Euro-Ticket schimpfen. Auch den "Tankrabatt" halte ich für daneben. Dafür dürften die Kosten auch so bei 1,5 - 2 Mrd. Euro liegen, den Wert hatte ich irgendwo gelesen. Was das bewirkt kann man ja jetzt schon an den Spritpreisen sehen. Die steigen. Wir subventionieren damit in erster Linie die Ölkonzerne. Und das auch noch unnötigerweise.
Seit der der Finanzkrise 2008 stelle ich eine zunehmende Inflation beim Schuldenmachen fest. 100 Mrd., 30 Mrd., 150 Mrd, das sind die Beträge die heute geradezu bereitwillig für Hilfsmaßnahmen ausgegeben werden. Da sind die 3,5 - 4 Mrd. für dieses verordnete 3 Monats-Wohfühl-Paket geradezu läppisch. Die berühmten Peanuts halt. Macht sich, bei all vermeintlichen persönlichen Vorteilen die der eine oder andere für sich sieht, mal jemand Gedanken um das Ganze? Mir wird jedenfalls Angst und Bange wenn ich die Zahlenwerte höre. Und ich schüttele nur den Kopf, wenn ich die Argumente höre, die mantraartig immer wieder genannt werden, die Maßnahmen zu begründen. Hier haben sich Berufsideologen einerseits und Fahrzeuglobbyisten andererseits durchsetzt. Nicht nur auf Kosten der Steuerzahler. Alles hat seinen Preis.
Deswegen reagiere ich verwundert bis verärgert darüber, wie manche (auch) hier meinen das meiste aus dem 9-Euro-Ticket rauszuholen. Oder solche, die sich jetzt darüber beschweren, daß der geforderte Preisnachlaß beim Sprit nur teilweise bei Ihnen ankommt. Wer hätte das gedacht!
Was kommt denn als nächstes, wenn im Herbst die Abrechnungen für die Heizkosten kommen. Da reden wir dann über ganz andere Dimensionen.
Wie bereits weiter vorne geschrieben, hätte ich, wenn überhaupt, Zeitkarten subventioniert. Mit 50 % oder meinetwegen auch mit einer geringen Tagespauschale. Da hätten die jetzigen Zeitkarteninhaber etwas davon aber auch die, die testweise auch notwendige Fahrten mit ÖPNV hätten unternehmen können. Statt dem Tankrabatt hätte ich eine werbungs- und eine umgekehrt einkommensbezogene Kilometerpauschale vorgesehen. Damit wären die steigenden Fahrtkosten der Pendler zumindest etwas abgefedert worden. Und zwar zielgerecht und nicht nach dem Gießkannenprinzip wie dies momentan der Fall ist.
Und der Auslastungsgrad der Züge wäre dabei vorhersehbar auch noch überschaubar.
Grüße Thomas