Pappkamerad
Zwei Fotos, aus der Sammlung von Jean-Georges Trouillet, waren Anlass für mich, einen Plattformwagen der Reichseisenbahnen zu bauen. Vor allem die Art der Ladung und der heruntergekommene Eindruck den das in die Jahre gekommene Wägelchen machte reizten mich zum Nachbau.
Großen Spaß machte dabei mit Modellbahnkollegen über die Art der Ladung zu rätseln. Die Leser sind herzlich eingeladen ihre Vermutungen zu äußern, was der Wagen auf dem Vorbildfoto wohl geladen habe.
Das Vorbild:
De Dietrich & Cie in Reichshofen baute den Wagen 1875 für die Reichseisenbahnen in Elsass-Lothringen. Die Serie umfasst 26 Wagen des Nummernkreises 13001 bis 13026. Schon zuvor, zwischen 1873 und 1875, wurden 250 Wagen in den gleichen Abmessungen, von verschiedenen Herstellern geliefert.
Der Wagen hatte einen Achsstand von 4,00m, ein Ladegewicht von 12500 kg und abnehmbare Bordwände.
Die Fotos zeigen leider keine Bauartbezeichnung. Laut Wolfgang Diener müsste er nur das Hauptgattungsbezeichnung S tragen. Zumindest ab 1910. Ab dieser Zeit ist für das Nebengattungszeichen l eine Länge von 8m erforderlich, davor reichten noch 7m aus. Unser Plattformwagen hat eine Länge von 7,80m und fällt damit genau dazwischen. Will man den Wagen richtig beschriften muss man sich also für einen bestimmten Zeitraum entscheiden.
Das Modell
Wagenkasten:
Durch gute Erfahrungen mit dem Werkstoff Karton ermutigt, sollte auch dieser Wagen wieder ein „Pappkamerad“ werden.
Es beginnt mir dem Wagenboden. Er wird aus drei Schichten zusammengelebt. Die untere Schicht ist aus 240g Fotokarton. Auf ihr werden die Lage der Achsen und der Abstand der Langträger aufgezeichnet. In die Mitte kommt 0,5mm starker Bristolkarton um dem ganzen etwas Stabilität zu geben. Als Deckschicht erhält der Boden nun den Ausdruck eines Bretterbodens in den zuvor die Bretterfugen vorsichtig eingedrückt wurden.
Der Clou ist, dass der Bretterboden gleich mit einer alten Bretterstruktur bedruckt wird. Mit einer Lackierung kann diese feine Textur in dem schwer zu treffenden Farbton nur mühsam imitiert werden.
In gleicher Weise entstehen die seitlichen Bordwände.
Auf den Fotos des Vorbilds ist von einer Lackierung kaum mehr etwas zu erahnen. Es scheint als wenn die Farbe schon so ausgebleicht und ausgewaschen sei, dass im Grunde das rohe Holz zu sehen ist (dies zum Thema „gepflegte Fahrzeuge in Epoche I“).
Wenn aber die Darstellung der Holzwände schon aufgedruckt ist kann man die Beschriftung auch gleich mit aufdrucken. Wem das nicht genügt, der kopiert sich das schöne Anschriftenfeld, mit Zettel und Kreideanschriftresten und druckt dieses auch noch mit auf die Außenseite der Wagenwand. Wie dauerhaft ein Ausdruck mit einem Tintenstrahldrucker sein wird, muss sich natürlich erst noch zeigen.
Also, Außen: Ein Ausdruck der Bretterstruktur auf Fotokarton, (vorsichtig!)eindrückte Bretterfugen. Mitte: Eine Schicht Fotokarton ohne die Metalleinfassung des Wagenbodens, aufgesetzt auf den Wagenboden. Innen: Gleiche Abmessung wie die mittlere Schicht, aber der innere Schenkel des Winkelprofils für den Obergurt wird mit der Bretterstruktur aufgedruckt. Die Seitenwände erhalten nun noch den fehlenden Schenkel des Obergurts aus einem feinen Kartonstreifen. Zusammengeklebt wird alles aufbauend auf dem Wagenboden.
De Stirnwände werden genau so hergestellt, können aber als separates Teil zusammengeklebt werden.
Der Wagenboden erhält noch aus, in doppelter Stärke aufgeklebtem, Karton Ladeschwellen.
Die Kastenstützen werden wie beim Vorbild aus Holzleistchen 1x1mm hergestellt.
Möchte man die Ladung des Wagens vorbildgerecht verzurren, sollten an der Einfassung des Wagenbodens noch Binderinge aus dem Weinertätzblech eingesetzt werden.
Jetzt können auch die noch fehlenden Rungen angebracht werden und entsprechende Rungentaschen aus Kartonstreifen. Sind diese in einem Grauton dem Wagenkasten angeglichen und die weißen Kanten des Kartons ebenfalls eingefärbt, kann das ganze Wagenoberteil noch mit Öl- und Pulverfarbe patiniert werden. Wagen aus Elsass-Lothringen waren grau lackiert. Auf den Eisenteilen sollte dies auch noch sichtbar sein, es sei denn Rost tritt an die Stelle der Lackierung.
Fahrgestell:
Das Fahrgestell entsteht aus Messing. Um es als extra Baugruppe aufbauen und später auch lackieren zu können werden zwischen die Langträger 1mm Kartonstücke geklebt. Die Langträger sind 2,5x1mm U-Profile, die Pufferbohlen entstammen dem Weinert Güterwagenätzblech und werden mit den Weinertschen Stangenpuffern und Doppelhakenkupplung komplettiert.
Die Achshalter sind aus der Grabbelkiste am Messestand bei Bavaria. Aus der gleichen Bezugsquelle stammen auch die Federn, deren Halter und Schaken und die Achslager. Man kann aber auch welche von Makette oder Klaus-Dieter Pfennig (D.I.T. Modell) nehmen oder man passt ein Großserienfahrgestell den Abmessungen an. Schmale Finescale Räder bietet Luck an. Zwar nur mit einfachen Speichen, aber sehr fein und mit sehr guten Rolleigenschaften.
Bremsen habe ich keine nachgebildet. Die Wagen gab es auch ungebremst und der 13014 war einer von ihnen.
Wer es ganz genau nehmen möchte kann den Wagenboden von unten mit allen Trägern, Zugstange und einer Bretterstruktur nachbilden. Dann muss aber das Fahrgestell, ohne die Distanzstücke, direkt auf dem Wagenboden aufgebaut werden.
Jetzt bleibt nur noch das Fahrgestell zu lackieren und dieses mit Wasserschiebern zu beschriften. Mein Plattformwagen wird nach den Vorschriften von nach 1910 beschriftet. Er heißt daher ganz schlicht „S“.
Um den Karton vor Feuchtigkeit zu schützen, ein allzu schnelles Ausbleichen der Tintenstrahlausdrucke zu vermeiden und um die Beschriftung am Fahrgestell zu schützen, wird der ganze Wagen mit mattem Klarlack versiegelt.
Die Fotos fordern es ja geradezu heraus. Was noch fehlt ist die dubiose Ladung.
Ich habe das Foto so interpretiert, dass die Ladung, eine Kiste mit Maschinenteilen, die Ladefläche überragt. Dies war möglich, laut einer preußischen Vorschrift aus dem Jahr 1919.
„Die Ladung darf die Kopfschwelle des Wagens nur soweit überragen, dass zwischen den Scheiben der nicht eingedrückten Puffer und der Ladung ein Zwischenraum verbleibt, der in der Höhe bis 2m über Schienenoberkante mindestens 0,4m darüber mindesten 0,2m betragen muss…“
Man darf also!
Die Ladung:
Aus Northeastern-Profilplatten wird eine Kiste gebastelt, die die Ladefläche knapp überragt. Eben gerade so, dass sich eine Stirnwand nicht mehr einsetzen lässt. In der Kiste kann auch etwas Gewicht untergebracht werden, wenn einem der Wagen etwas leicht vorkommt.
Aus Backpapier habe ich die Abdeckung der Kiste ausgeschnitten, aufgeklebt und mit feinen Holzleisten an der Kiste angeheftet. Mit feinem Zwirn, in der Farbe eines Seils, wird, über die Binderinge, die Ladung niedergebunden und am Verrutschen, vor allem in Richtung der offenen Seite gehindert. Aufgenagelte Hölzer an der Seite der Kiste und zur geschlossenen Stirnseite hin, sichern die Kiste zusätzlich. Die Seile haben die Abdeckung der Kiste durchgescheuert. Das ist durch leichtes Einreißen des Packpapiers sehr schön darstellbar.
Nun kann der schwäbische Trikotagenfabrikant Heberle in Friedrichshafen, seine Maschinenteile aus Lothringen in Empfang nehmen. Über die Art der Verladung und die beschädigte Abdeckung der empfindlichen Maschinenteile wird es allerdings sicherlich noch zu einem Schriftwechsel zwischen Absender und Empfänger kommen.
Gruß
Aristoteles
http://hafenbahnhof.de