RE: Gleisplanwirtschaft

#1 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 02.02.2013 23:23

Hallo zusammen,

ich habe hier schon in mehreren Beiträgen auf die Nachteile des (zu frühen) Einsatzes von Software-Werkzeugen mit starrer herstellerbezogener Geometrie aufmerksam gemacht. Stattdessen möchte ich Euch meine altmodische Methode mit Papier und Bleistift näherbringen.

Beim Vorbild erfolgt die Gleisplanung im allgemeinen 1:1000, Weichenstraßen ggf. 1:500, d. h. bei H0 bietet sich 1:10 (entsprechend 1:870) an. Es sei ausdrücklich vor einer „Konstruktion“ mit Zirkel und Winkelmesser gewarnt, weil die unvermeidliche Zeichenungenauigkeit durch schleifende Schnitte beim tatsächlichen Aufbau zu Abweichungen im Bereich von cm führen kann! Vielmehr müssen eingangs ein Ursprung und eine Bezugsrichtung festgelegt werden; hierfür bieten sich Zwangspunkte wie ein Bogen- oder Weichenanfang im durchgehenden Hauptgleis an.

Alle weiteren Konstruktionsschritte erfolgen dann relativ dazu in einem rechtwinkeligen Koordinatensystem unter Anwendung der weiter unten angeführten Berechnungen. Damit wird vermieden, daß sich die Fehler zufolge der Zeichenungenauigkeit schlimmstenfalls addieren, d. h. das dritte Parallelgleis schräg zum bereits schiefen zweiten zu liegen kommt usw.

Eingangs einige grundsätzliche Hinweise zur handwerklichen Ausführung:

Sofern kein Vorbildplan "1:1" übernommen wird, sollte mit Entwürfen in Form von Handskizzen auf Papier gestartet werden. Je öfters die folgenden Schritte durchlaufen werden, umso besser wird das Gefühl für die geometrischen Zusammenhänge und den Platzbedarf. Daher sinkt die Wahrscheinlichkeit für das Skizzieren von Entwürfen, die sich dann bei maßstäblicher Planung nicht ausgehen.

Die "richtige" Konstruktion erfolgt mit Bleistift auf Zeichenkarton, denn es wird viel radiert und jede Menge Hilfsgeraden werden gezogen, die später nicht mehr benötigt werden. Zur Prüfung der Linienführung, besonders bei komplizierter Gleisgeometrie wie Weichenstraßen in Bögen, ist die Betrachtung in einem ganz flachen Winkel zu empfehlen; die Stauchung läßt Knicke und Schlangenlinien nämlich sofort erkennen. Natürlich kann die Konstruktion auch per PC mit geeigneten Graphikprogrammen erfolgen - mit dem angenehmen Nebeneffekt des Einsparens der Arbeit für den letzten Schritt der Reinzeichnung. Diese erfolgt sonst ganz altmodisch mit Durchpausen unter Verwendung von aufgeklebtem Transparentpapier und Faser- oder wegen der dauerhaften Deckung noch besser Tuschestiften.

Spätestens beim Übertragen des Absteckplanes auf die Grundplatte für den tatsächlichen Aufbau stellt sich das Problem des Zeichnens großer Bögen. Vor einem „Hochkopieren“ mit dem Faktor 10 sei ausdrücklich gewarnt, weil die dann zu großen Strichstärken keine exakte Gleisverlegung mehr zulassen würden. Vielmehr sind die Konstruktionsmaße durch Abstecken der bei der Planung ermittelten Werte in einem rechtwinkeligen Koordinatensystem zu übertragen. Bei Kreisen erfolgt ausgehend von den Endtangenten mit Schnittpunkt TP eine fortlaufende Winkelteilung (tan x/2, x/4 usw.) zur Ermittlung weiterer Stützpunkte zwischen Bogenanfang (BA) und -ende (BE).



Trigonometrische Grundlagen


Willkommen zum Matheunterricht – keine Sorge, dauert ohnehin nur einen Absatz. Unabdingbare Voraussetzung für die Gleisgeometrieplanung sind nämlich die Winkelfunktionen: sin, cos und tan(x)=sin(x)/cos(x) sowie deren Umkehrung arcsin, arccos und arctan. Achtung, auf dem Taschenrechner möglicherweise mit sin-1, cos-1 und tan-1 beschriftet! Das Ermitteln der tatsächlichen Längen erfolgt durch Multiplikation mit dem Halbmesser R. Umgekehrt kann der Winkel statt in Grad auch als auf den Radius bezogene Bogenlänge ausgedrückt werden. Der Umfang eines Kreises (360° beträgt bekanntlich 2πR, die Umrechnung in das Bogenmaß erfolgt daher über 180°=πrad. Für sehr kleine Werte von x in [rad] ergibt sich näherungsweise tan(x)=sin(x)=x. Selbst bei der schon recht steilen Weichenneigung tan(x)=1:6,6 beträgt der so erhaltene Winkelfehler nur rund 0,7%. Dieser Ansatz ist daher besonders zur raschen Abschätzung „was sich ausgeht“ geeignet.

Wer beim Vorbild ganz genau auf die Gleislage achtet, wird durch allmähliche Wanderbewegungen im Schotterbett bedingte Unregelmäßigkeiten feststellen können. In allen Grenzwerten sind jedoch erhebliche Reserven eingerechnet, damit der Bahnmeister nicht sofort eine Langsamfahrstelle verhängen und den Bautrupp anfordern muß. Auch soll es ja nicht gleich zur Entgleisung kommen, wenn sich der Lokführer einmal verbremst hat. Das darf jedoch nicht dazu dienen, bei der Umsetzung im Modell zu schummeln und irgendwelche Ecken von Anfang an einzuplanen; vielmehr werden unvermeidliche Abweichungen bei der Gleisverlegung und gewisse Lageveränderungen durch Materialschrumpfung usw. wie beim Vorbild durch diese Toleranzen aufgefangen.

Fortsetzung folgt mit konkreten (DB-)Vorbildgeometrien - Grüße,

Alexander


Carstenhan hat sich bedankt!
DB-IV-Proto87

RE: Gleisplanwirtschaft

#2 von rainerwahnsinn ( gelöscht ) , 03.02.2013 01:21

Zitat von DB-IV-Proto87
Fortsetzung folgt mit konkreten (DB-)Vorbildgeometrien


Hallo Alexander,

die Planung der DB tragen ja erstlinig Faktoren wie bauliche Machbarkeit und finanzielle Erschwinglichkeit, sich verändernde Auftragslage, Interessenpolitik von Bund und Ländern, betriebliche Wirtschaftlichkeit und Betriebssicherheit und technischen Erfordernissen und Grenzen Rechnung... Wie können daraus Vorbildgeometrien für den Hobbyeisenbahner resultieren?

Für eine Modelleisenbahn muss schwerlich Millionen Tonnen Aushub bewältigt werden um z.B. eine Nebenstrecke zu realisieren. Und für sie muss auch keine speziell für die jeweilige Geländegegebenheit angepassten Gleise in Auftrag geben werden. Und eine Lok mit 40 t hat eher andere Materialanforderungen als eine in H0 mit 40g. Und, und und...

Ich denke eher, dass die DB sogar sehr froh darum wäre, wenn sie ebenfalls ein genormtes Gleissystem mit möglichst geringer Zahl an Gleisformen anwenden könnte.

Daher: wie ist das zu verstehen mit Vorbild bzw. Vorbildtreue? Warum sollte ein Modeleisenbahner den Zwangslagen und Einschränkungen der DB nacheifern?

Viele Grüße
Rainer...w


rainerwahnsinn

RE: Gleisplanwirtschaft

#3 von histor , 03.02.2013 10:04

Zitat von rainerwahnsinn

Ich denke eher, dass die DB sogar sehr froh darum wäre, wenn sie ebenfalls ein genormtes Gleissystem mit möglichst geringer Zahl an Gleisformen anwenden könnte.



Nun - die Weichenformen wurden schon 1854 von der Hannoverschen Staatsbahn in 1:8, 1:9, 1:10 und 1:12 genormt. Das also ist ein ganz alter Hut. Auch heute gibt es wohl Standard-Ausführungen.

Davon abgesehen - Zeichnung mit Papier und Bleistift muss nicht kompliziert sein. Ich empfehle allerdings 1:5 auf Zeichenpapier DIN A3 (bekommt man überall preiswert). Dann eben mehrer Bogen zusammenkleben. Wichtig ist nur saubere und genaue Arbeit und frühe Entscheidung für ein Gleissystem, von dem man die Original-Maße abnehmen sollte. Dann ist Cosinus und Kollegen zwar nützlich, aber nicht unbedingt nötig. Das Gleis ist dann 3 mm breit und die Schwellen (3 cm) dann 6 mm. Das langt an Genauigkeit - vor allem, wenn man mit Flexgleisen arbeitet statt mit kleinen Stückelungen.

Weswegen man die Zeichnung dann wieder auf 1:1 vergrößert, habe ich nie begriffen. Beim Anlagenbau werden einfach die Daten wieder 5:1 vergrößert und auf die Anlage übertragen.


Freundliche Grüße
Horst
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RE: Gleisplanwirtschaft

#4 von Roland , 07.02.2013 08:34

Hallo Alexander,

da deine Pläne nun bei mir angekommen sind (vielen Dank dafür), kann es losgehen. Ich bin schon gespannt, wie deine Gleisplanwirtschaft aussieht.


Viele Grüße
Roland

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RE: Gleisplanwirtschaft

#5 von Roland , 28.02.2013 14:12

Hallo Alexander,

ich möchte dich nicht drängen, möchte aber mal fragen, wann es hier weitergeht? Dies Gleisplanung mit Bleistift, Geodreieck und Zirkel interessiert mich sehr.


Viele Grüße
Roland

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RE: Gleisplanwirtschaft

#6 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 28.02.2013 14:19

Hallo Roland,

ich habe schon befürchtet, es würde (nicht nur Dir) zu lange dauern. Am Wochenende sollte ich nach längerer Abwesenheit zurück in Nürnberg sein, dann habe ich mir die Fortsetzung fest vorgenommen.

Grüße aus der Ferne,

Alexander


DB-IV-Proto87

RE: Gleisplanwirtschaft

#7 von Roland , 28.02.2013 15:25

Hallo Alexander,

kein Problem. Ich war jetzt auch ein paar Tage weg (9 Tage auf Island) und habe gedacht, dass es bestimmt weitergegangen ist, wenn wir wieder zurück sind. Darum habe ich jetzt einfach mal gefragt.


Viele Grüße
Roland

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RE: Gleisplanwirtschaft

#8 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 09.03.2013 22:23

Hallo zusammen, jetzt geht es endlich weiter - und zwar mit viel Text.

Für alle Größengleichungen gilt sofern nicht ausdrücklich anders angegeben:
Längen l, Radien R usw. in [m], Überhöhungen ü in [mm], Geschwindigkeiten v in [km/h]

Die folgenden Ausführungen stützen sich in wesentlichen Teilen auf die „Eisenbahnbau- und Betriebsordnung“ (EBO) vom Mai 1967 (DS 300 der DB, Ausgabe 1982) sowie das Taschenbuch für den Ingenieurbau „Eisenbahntechnik“ (Band V B, 1. Abschnitt, Hütte-Verlag, 28. Auflage 1954).

Die Schienen sind 1:20 nach innen geneigt entsprechend der kegelstumpfförmigen Ausprägung der Räder, die in Kurven der Fliehkraft folgend nach außen gedrückt werden. Der sich auf der Außenseite einstellende größere Radius und somit Abrollweg verhindert das Längsgleiten. In Geraden ergibt sich hingegen ein erwünschter Sinuslauf: Das auf kleinerem Durchmesser drehende „langsamere“ Rad gelangt nach außen und zieht das gegenüberliegende nach innen und umgekehrt. Dadurch werden die Radreifen auf ihrer gesamten Breite gleichmäßig abgenutzt und die Bildung von Rillen vermieden. Das ist übrigens der Grund, warum bei Niederflurfahrzeugen mit Einzelradantrieb (z. B. modernen Straßenbahnen) die fehlende Achse von der Steuerungselektronik der Motoren als „künstlicher Sinuslauf“ nachgebildet wird.

Wegen der Herzstücke und der gemeinsamen Nutzung einer Schiene für zwei Zweige z. B. bei der DKW 190-1:6,6 ist eine Querneigung bei Weichen und Kreuzungen jedoch unerwünscht. Unter Zwischenschaltung einer Rippenplatte mit 1:40 erfolgt daher auf den drei vorgelagerten Schwellen der Übergang auf senkrechte Stellung der Schienen. Diese wird in durchgehenden Weichenstraßen beibehalten.

Zwischen zwei entgegengesetzte Bögen ist eine Zwischengerade mit einer Länge von:
6m einzusetzen, wenn (1) 1/R1+1/R2>1/100 wegen der sonstigen Gefahr der Überpufferung
v/10 einzusetzen, wenn (2) 1/R1+1/R2>9/v^2 wegen des Rucks.

So wie es sich bei der Geschwindigkeit um die auf die Zeit bezogene Ortsänderung (Weg), und bei der Beschleunigung um ein Maß für die Zu- bzw. Abnahme der Geschwindigkeit handelt, ist der Ruck wiederum die (plötzliche) Änderung der Beschleunigung, die der Fahrgast nicht nur beim Anfahren oder Erreichen des Stillstandes sondern auch beim unvermittelten Beginn einer Kurve als unangenehm empfindet.

Wenn wir nun in (1) einen der beiden Radien gegen unendlich bzw. die Krümmung gegen 0 gehen lassen, erhalten wir den Grenzwert für den Anschluß eines Bogens an eine Gerade. 100m ist somit der kleinste mit Hauptbahnfahrzeugen befahrbare Halbmesser, wobei die einzelnen Bauarten durchaus größere (Loks, Reisezugwagen) oder kleinere (Güterwagen; Verschub teilweise von Hand oder durch Zweiwegefahrzeuge) Grenzwerte aufweisen können. Bei den extrem kleinen Radien bis zu 40m herab, wie sie auf manchen Anschlußbahnen zu finden sind, ist außerdem die Verwendung von Kuppelstangen erforderlich, weil die Schraubenkupplung zu kurz wäre.

Kleinster zulässiger Halbmesser in den durchgehenden Hauptgleisen von Hauptbahnen sowie allgemein an Bahnsteigen ist 300m, in den übrigen von Loks befahrenen Gleisen soll bei Neubauten 180m nicht unterschritten werden.
Aus (2) leitet sich weiter ab, daß ein Übergangsbogen erforderlich ist zwischen:
einer Geraden und einem Bogen, wenn (2a) R<v^2/9
zwei gleichgerichteten Bögen, wenn (2b) 1/R1-1/R2>9/v^2, wobei R1<R2 ist.
Zusätzlich sind in Strecken- bzw. durchgehenden Hauptgleisen kurze Gerade zwischen gleichgerichteten Bögen zur Erzielung einer ruhigeren Fahrt durch Kor- oder Übergangsbögen zu ersetzen.

Mit Rücksicht auf die zulässige freie Seitenbeschleunigung von 0,89m/s^2 gilt (3) Rmin=11,8 v^2/(ü+130). Der Überhöhungsfehlbetrag von 130mm statt früher 100mm ist dank des zunehmenden Anteils an Drehgestellfahrzeugen sowie durch verbesserte Gleislagemessung und -unterhaltung seit den Sechzigerjahren möglich geworden. Davor ist der größere Wert nur bei ausschließlich von Rangierfahrten benutzten untertieften Zweiggleisen von Außenbogenweichen (ABW) zulässig gewesen, wobei hier für v mindestens 25km/h einzusetzen sind.

Weichen sollten möglichst nicht in einer Überhöhung liegen, weil sich diese durch das Zweiggleis fortsetzt und somit zu dessen horizontalem Versatz und bei ABW zur oben angeführten Untertiefung führt. Bei Innenbogenweichen (IBW) mit durchlaufendem Bogen im ursprünglichen Zweiggleis können sich für Fahrten im anderen Strang ebenfalls ungünstige Verhältnisse ergeben. Gemäß (2b) ist die zulässige Geschwindigkeit trotz größeren Halbmessers nämlich niedriger, und es stellt sich eine Seitenbeschleunigung nach innen ein, die ggf. 0, 89m/s^2 überschreitet. Das gleiche gilt natürlich bei Stillstand (z. B. vor Signalen) in Bögen mit mehr als 130mm Überhöhung.

Bei Drehscheiben sollen die Gleise im Anschluß 3m bis 15m geradlinig geführt werden, wobei bei schwierigen örtlichen Verhältnissen und folgendem Radius R ein Wert von 15-R/27 noch zulässig ist.

Als die Deutsche Reichsbahn ihr neues Weichenprogramm entwickelt hat, ist mit Rücksicht auf Umbau- und Austauschmaßnahmen in vorhandenen Anlagen die bereits bei einigen Länderbahnverwaltungen (Preußen-Hessen, Bayern, Oldenburg) übliche Abzweig- bzw. Kreuzungsneigung von 1:9 zugrundegelegt worden.

Aber auch andere technische Randbedingungen sprechen für diese Wahl: Flacher als 1:9 geneigte Kreuzungen benötigen zum Entgleisungsschutz bewegliche Doppelherzstückspitzen, und bei einem erforderlichen Aufschlag von 150mm ist eine Kreuzungsweiche mit innerhalb des Kreuzungsvierecks liegenden Zungen für 190m Halbmesser gerade noch herstellbar.

Wichtigster und häufigster Typ ist die einfache Weiche (EW) 190-1:9; die erste Zahl gibt den Radius an, die zweite die Neigung am Weichenende. Der Abzweigwinkel von arctan(1/9)=6,3402° wird dabei bereits vor dem Herzstück erreicht, weshalb dieses gerade ist. Zwischen dem Bogen- und dem Weichenende liegen über 6m, ggf. könnte gemäß (1) sofort ein Gegenbogen anschließen. Die EW 190-1:9 kann auch als ABW Verwendung finden, z. B. als Schutzweiche in mit mehr als 40km/h zu befahrenden Überholgleisen.

Zur rascheren Gleisentwicklung gibt es die EW 190-1:6,6 (8,6156°, am Herzstück 7,0463° sowie ein- oder zweiseitig auf 1:6,6 versteilerte EKW bzw. DKW 190-1:9 mit durchlaufendem Bogen. Bei Radien unterhalb von 215m ist aber eine Spurerweiterung erforderlich und zwar bei 200m 5mm, bei 150m 10mm, bei 120m 15mm und bei 100m 20mm. Die maximal zulässigen Abweichungen von der so vorgeschriebenen Spurweite nach unten beträgt 5mm, umgekehrt dürfen 1465mm auf Haupt- und 1470mm auf Nebenbahnen nicht überschritten werden.

Somit hat die Weiche 190-1:6,6 (ebenso wie die beiden Varianten 1:7,5 und 1:6,284) zwei gravierende Nachteile:
Wegen der bei einem Radius von 190m erforderlichen Spurerweiterung von 6mm muß die Herzstücklücke im geraden Strang vergrößert werden, um ein Anstreifen des Spurkranzes bei Fahrt in den Bogen zu vermeiden. Diese fehlende Überdeckung führt zu einer verstärkten Abnützung, weshalb diese Weiche nur verwendet wird, wenn die Mehrzahl der Fahrten in die Ablenkung führt oder insgesamt wenig Belastung gegeben ist (z. B. auf Nebenbahnen).
Eine Parallelgleisverbindung erfordert wegen der gemäß (1) einzusetzenden Zwischengerade einen Gleisabstand von rund 5,2m.

Aus den genannten Gründen sind diese Weichen vorwiegend auf Nebengleisen eingebaut, auch wenn auf 1:6,6 versteilerte DKW 190-1:9 z. B. in der Ausfahrgruppe von Nürnberg Rbf liegen.

Beim Einsatz der EW 190-1:6,6 sind noch zwei Punkte zu beachten:
Geometrisch gesehen schließt die Weiche mit Erreichen der Endneigung an der letzten durchgehenden Schwelle ab. Beim praktischen Aufbau folgen jedoch im geraden Strang noch 1,415m und im gebogenen 1,418m. Im Abzweig dienen die zwei darin enthaltenen Schwellen dem Übergang auf die Regelspurweite, wobei die Verlängerung auf ggf. erforderliche Zwischengeraden angerechnet wird. Setzt man den Bogen hingegen unverändert fort, ergibt sich eine Endneigung von 1:6,284.
Bei der Verwendung als ABW kann der stärker befahrene Zweig (mit der gemäß der obigen Ausführungen zulässigen Spurerweiterung) frei gewählt werden, wenn sich im ursprünglich geraden Strang mindestens ein Radius von 215m einstellt.

Der Abschnitt zwischen Bogen- und Weichenende ist für EKW, DKW und EW 190-1:9 völlig gleich. Die sogenannten englischen Kreuzungsweichen haben außerdem nur vergleichsweise leichter herstellbare gerade Doppelherzstücke. Die Abzweige mit 190m Radius reichen für Gleisverbindungen im Rangierdienst aus. Die Zugfahrstraßen sollen hingegen so angelegt sein, daß Durchfahrten mit der zulässigen Streckengeschwindigkeit möglich sind. Beträgt diese mehr als 60km/h (80km/h), sind Einfahrstraßen für 50km/h (60km/h) vorzusehen. Ausfahrten sollen mit 50km/h möglich sein. Damit wären die in Ablenkung mit nur 40km/h zu befahrenden Weichen mit 190m Radius bei Verkehr mit einer Streckengeschwindigkeit von über 60km/h ausgeschlossen. Gerade bei großen Bahnhöfen, in denen ohnehin (fast) alle Züge halten (z. B. Kopfbahnhöfe), erfordern die Platzverhältnisse jedoch häufig die Verwendung geringerer Halbmesser und somit das Senken der Geschwindigkeiten unter die Werte der Sollbestimmung. Genauso verhält es sich mit dem Auflösen von Kreuzungsweichen in zwei EW; auch hier scheitert es oft am dafür nicht vorhandenen Raum.

Ist aus Platzgründen eine durchgehend steilere Neigung von 1:6,6 erforderlich, muß zur EKW bzw. DKW 190-1:6,6 mit Drei-/Vierfachherzstücken wegen der außerhalb des Kreuzungsvierecks liegenden Zungen gegriffen werden. Da diese bei einem durchlaufenden Bogen zu wenig Platz hätten und sich die bogenäußeren Schienen der Zweiggleise überschneiden würden, ist in der Mitte ein 6,149m langes gerades Stück eingefügt, das für ausreichende Abrückung sorgt. Bei der DKW wird dabei die (aus zwei abgehobelten Teilen zusammengesetzte) mittlere Schiene von den Zweigleisen gemeinsam genützt. Die durch das gerade Zwischenstück bedingte Verlängerung dieser Kreuzungsweiche gegenüber der Kr 1:6,6 führt zu einer weiteren Vergrößerung des erforderlichen Gleisabstandes bei Parallelgleisverbindungen mit zwei EKW bzw. DKW auf 6,111m.

Noch ein Platzproblem gilt es zu beachten: In dem engen Kreuzungsviereck der EKW/DKW 190-1:9 lassen sich Federschienenzungen gerade noch unterbringen, allerdings muß die Anzahl der Gleitstühle gegenüber der EW von 9 auf 8 verringert werden. Die außen liegenden Zungen der Kreuzungsweichen 190-1:6,6 und 300-1:9 können hingegen nur in Gelenkbauweise realisiert werden, weil der verbleibende bewegliche Teil bis zum starren Drei- bzw. Vierfachherzstück für eine Federung zu kurz ist.

Die Reichsbahn hat zur Reduzierung des Platzbedarfs EKW sowie DKW 190-1:6,6 und 300-1:9 teilweise mit gekürzten Backenschienen und Zungen unter Ausschaltung der Zwischengerade verlegt. Von diesem „Pfusch“ ist aber dringend abzuraten, weil die zwangsläufig unruhige Fahrt zu einer Herabsetzung der zulässigen Geschwindigkeit und zum Verbot von Zugfahrten in der Ablenkung führt. Die Verwendung der Weichen mit 300m Halbmesser ist dann völlig absurd, wenn nicht zumindest ein „unbeschnittener“ Abzweig verbleibt.

Die erst von der DB entwickelte und vorwiegend zur steilen Auffächerung von Gleisharfen etwa für Richtgleisgruppen im Anschluß an Ablaufberge eingesetzte symmetrische ABW 215-1:4,8 (Herzstückwinkel 9° 21‘ 52“ vermeidet die Nachteile der EW 190-1:6,6. Weder sind eine Spurerweiterung und damit eine größere Herzstücklücke noch ist gemäß (1) für einen 190m Gegenbogen eine 6m-Zwischengerade erforderlich.

Sehr häufig in Hauptgleisen zu finden sind die EW 300-1:9 und 500-1:12, seltener die 760-1:14 (ebenfalls eine Entwicklung der DB) und die 1200-1:18,5 (Herzstückwinkel 5° 36‘ 23“, 4° 20‘ 31“, 3° 31‘ 17“ bzw. 2° 48‘ 8“,). Alle genannten Weichen haben einen bis zum Ende durchlaufenden Bogen und ermöglichen unter Einschaltung von Zwischengeraden gemäß (2) Parallelgleisverbindungen mit 4,5m Gleisabstand, die 500-1:12 sogar 4m, was bei Abzweig- bzw. Überleitstellen auf freier Strecke von Bedeutung ist. Deshalb sind die entsprechenden Bauformen mit geradem Herzstück 300-1:12, 500-1:14, 760-1:18,5 (DB-Entwicklung) und 1200-1:22,5 auch nicht sehr verbreitet. Um die langen Zungen gegen Aufschneiden zu schützen, haben die Weichen ab 500m Halbmesser Klammermitten-, ab 1200m zusätzlich -endverschlüsse.

Schließlich sind noch die EKW und DKW 300-1:9 sowie 500-1:9 zu nennen. Während bei letzterer der Bogen einfach durchläuft und die Köpfe der bogenäußeren Schienen der DKW einander in der Weichenmitte genau berühren, ist die Lage bei der 300-1:9 komplizierter. Ähnlich wie bei der 190-1:6,6 muß zu einem Trick gegriffen werden: Damit die Zungen weit genug von den Herzstücken entfernt sind, wird zwischen den Gelenken ein 534,3399m Korbogen eingelegt. Da sich bei der DKW die bogenäußeren Schienen der Zweiggleise überschneiden würden, weicht deren Geometrie nochmals von der EKW ab: Erst hinter den Dreifachherzstücken wird der Radius von 300m auf 1087,881m vergrößert. Die gegenüber der Kr 1:9 gegebene Verlängerung führt unter Berücksichtigung von Zwischengeraden gemäß (2) zu einer Vergrößerung des erforderlichen Gleisabstandes bei Parallelgleisverbindungen mit zwei DKW auf 5,552m, während bei der 500-1:9 mindestens 6,779m nötig sind.

Relativ häufig zu finden ist die Sonderkonstruktion der einseitig auf 1:12 verflachten E/DKW 500-1:9 im Zusammenhang mit Parallelgleisverbindungen mit EW 500-1:12 und 4,5m Gleisabstand. Ein Bogen endet entsprechend früher, während ein durchgehender Strang auf einer Seite einen 500m Gegenbogen zur Erzielung der Neigung von 1:12 erhält. Die Geometrie ist natürlich nicht durch Verbiegen des Grundtyps herstellbar, sondern erfordert eigene Teile (Zungen, Herzstück usw.).

Häufigster Kreuzungstyp ist die Kr 1:9 sowie die Kr 1:4,44 für doppelte Gleisverbindungen. Im Zusammenhang mit den entsprechenden Weichen sind Flachkreuzungen 1:12, 1:14, 1:18,5 und 1:22,5 mit beweglichen Doppelherzstücken entstanden, die jedoch nicht sehr verbreitet sind (Streckenspaltungen außerhalb von Bahnhöfen). Umgekehrt gibt es neben der Kr. 1:6,6 und 1:7,5 noch Steilkreuzungen für mehrfache Gleisverbindungen 1:3,224, 1:2,9008 sowie 1:2,46.

Neben den schon erwähnten ggf. erforderlichen Übergängen für Spurerweiterung (bei Weichen mit 190m Halbmesser) und Schienenquerneigung ist wegen des anfangs noch geringen Abstandes der beiden Zweige zu beachten, daß bei Endneigungen von 1:9 und 1:14 weitere 7, bei 1:12 sogar 10 durchgehende Schwellen folgen, bevor die ersten getrennten verlegt werden, die noch teilweise gekürzt werden müssen. Das spielt jedoch für die oben angeführten Geometriekennzahlen keine Rolle.

Bei gleich anschließenden Weicheneinheiten bzw. unterschiedlichen Gleislängs- oder -querneigungen sind jedoch stattdessen sofort getrennte Schwellen erforderlich. Umgekehrt werden bei beengten Platzverhältnissen direkt aufeinanderfolgende Weichen und Kreuzungen manchmal verschränkt, d. h. der Anfang der zweiten Einheit folgt direkt auf das Herzstück der ersten unter Verwendung gemeinsamer Schwellen. Solche Sonderkonstruktionen sind jedoch möglichst zu vermeiden und treten meist nur bei doppelten Gleisverbindungen auf. Bei diesen ist übrigens darauf zu achten, daß die einfachen Herzstücke einander nicht genau gegenüberliegen, um eine unruhige Fahrt zu verhindern.

Deshalb sollen auch Bögen der durchgehenden Hauptgleise durch Weichenstraßen fortlaufen. Das zu Länderbahnzeiten übliche Einschalten von geraden Abschnitten wird nicht mehr vorgenommen. Beim Biegen von Weichen und Kreuzungen ist darauf zu achten, daß sich wegen der sonst erforderlichen Spurerweiterung keine Radien unterhalb von 215m einstellen. Es können daher EW sowie EKW 190 nicht nach innen und DKW 190 sowie ABW 215-1:4,8 überhaupt nicht gebogen werden.

Übergangsbögen sind gemäß (2a) erforderlich zur stetigen Änderung der Krümmung von 0 auf 1/R bzw. von 1/R1 auf 1/R2 (2b). Sie haben daher die Form kubischer Parabeln (4) y=x^3/(6lR) und beginnen l/2 vor dem dadurch mittig liegenden Tangentenpunkt des Bogens mit dem Radius R, der um (4a) f=l^2/24R gegenüber der Geraden zu verschieben ist. Diese Abrückung muß zur praktischen Herstellung mindestens 20mm betragen. Am Ende beträgt der Abstand von der Geraden (4b) d=4f=l^2/6R und die Neigung zu ihr (4c) y‘=l/2R. Analog gilt bei Korbögen (4d) f=(1/R1-1/R2)l^2/24.

Ist gemäß (3) eine Überhöhung ümin=11,8 v^2/R-130 erforderlich, muß diese zur praktischen Herstellung (in 5mm-Abstufung) mindestens 20mm betragen und darf 150mm bzw. in Bahnsteiggleisen 60mm nicht überschreiten. Die notwendigen Rampen müssen mit den Übergangsbögen zusammenfallen und bestimmen daher deren Länge über die höchstzulässige Neigung von 1:400 auf Haupt- bzw. 1:300 auf Nebenbahnen.

Bei dicht aufeinanderfolgenden Gegenbögen empfiehlt sich das Eliminieren der Zwischengerade. Das Absenken der einen und das Ansteigen der anderen Schiene erfolgt dann gemeinsam, wobei die resultierende Gesamtneigung die o. a. Werte nicht übersteigen darf.

Beim Einlegen von ABW bzw. des abzweigenden Stranges von IBW mit dem ursprünglichen Radius R in einen Halbmesser R1 ergibt sich (5a) R2=(RR1+t^2)/(R1-R) bzw. (5b) R2=(RR1+t^2)/(R-R1), wobei t die Tangentenlänge des halben Winkels ist. Bei Weichen mit durchlaufendem Bogen ist das also deren halbe Länge, bei der EW 190-1:6,6 konkret 14,312m. Beim Einlegen des geraden Stranges einer Weiche mit dem ursprünglichen Radius R in einen Halbmesser R1 ergibt sich eine IBW mit (5c) R2=(RR1-t^2)/(R+R1). Wegen RR1>>t^2 gilt in allen Fällen für die näherungsweise Abschätzung die Addition bzw. Subtraktion der Krümmungen (6) 1/R2=1/R+/-1/R1.

Fortsetzung folgt,

Alexander


_MoBaFlo_, KWer, Kurt Harders, Tobster09, jzipp und Carstenhan haben sich bedankt!
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RE: Gleisplanwirtschaft

#9 von JochenM , 11.03.2013 22:07

Hallo Alexander,
machst du Gleisplanung professionell, wie "Weichen-Bernd"?
Dein letzter Beitrag zum Weichenbaukasten sollte eigentlich oben angeheftet werden!
Danke sehr für diesen guten Beitrag - hoffentlich kommt noch mehr nach.
Viele Grüße
Jochen

Edit: Rechtschreibschwäche ...


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RE: Gleisplanwirtschaft

#10 von Roland , 12.03.2013 10:24

Hallo Alexander,

vielen Dank für den ersten Teil. Ich habe ihn gelesen und (hoffentlich) auch größtenteils verstanden. Es kann also weitergehen.


Viele Grüße
Roland

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RE: Gleisplanwirtschaft

#11 von Weichen-Bernd , 13.03.2013 11:16

Hallo Alexander, hallo zusammen,

freut mich, dass Du Dir die Arbeit machtst die Zusammenhänge von Gleisen, Weichen, Geometrie und Fahrdynamik verständlich aufzuarbeiten.

Zitat von DB-IV-Proto87
Hallo zusammen, jetzt geht es endlich weiter - und zwar mit viel Text.
... Bei gleich anschließenden Weicheneinheiten bzw. unterschiedlichen Gleislängs- oder -querneigungen sind jedoch stattdessen sofort getrennte Schwellen erforderlich. Umgekehrt werden bei beengten Platzverhältnissen direkt aufeinanderfolgende Weichen und Kreuzungen manchmal verschränkt, d. h. der Anfang der zweiten Einheit folgt direkt auf das Herzstück der ersten unter Verwendung gemeinsamer Schwellen. Solche Sonderkonstruktionen sind jedoch möglichst zu vermeiden und treten meist nur bei doppelten Gleisverbindungen auf. ...



Deine Quelle ist hier nicht so ganz bei den S49-Weichen angekommen. Bei den Länderbahnweichen hatte man noch an den Langeschwellen am Weichenende herumgewurschtelt.
Unterschiedliche und unabhängige (-> Weiche in Überhöhung) Längsneigungen dürfen erst an der letzten durchgehenden Schwelle = ldS beginnen.
Unterschiedliche Querneigungen werden mit Unterlagen unter den Rippenplatten auf den Langschwellen ermöglicht.
Direkt aufeinander folgende Weichen kommen sehr, sehr oft vor! Hierfür liegen extra Regelzeichnungen vor, von denen ich die wichtigsten in meiner Sammlung habe. Ich will Dir mal ein Paar Bilder zu Deinen Ausführungen hochladen.
Die verschiedenen Anschlüsse von Weichen hintereinander habe ich ausführlich bei den Gleisplanbeispielen auf meiner Netzseite zusammengestellt, da besonders bei den Anschlüssen viel Länge gegenüber den üblichen Modellplanungen gespart werden kann: http://www.s21-modellgleis.de/index.php?...isplanbeispiele


Viele Grüße

Bernd

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RE: Gleisplanwirtschaft

#12 von Weichen-Bernd , 13.03.2013 17:39

Hallo Alexander,

hier ein Ausschnitt aus der Regelzeichnung Iowa1804a vom 03.11.1939, in der die Langschwellen für den Anschluß einer EW 49-190-1:9 an das Zweiggleis einer EW 49-190-1:7,5 dargestellt wird. Wobei der 190m-Bogen gleichmäßig durch beide Weichen hindurchläuft. Somit liegt die zweite Weiche 4,817m innerhalb der EW 49-190-1:7,5, die ja nach dem Bogenende um diese 4,817m Gerade bis zum Weichenende weiter läuft.


Viele Grüße

Bernd

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zuletzt bearbeitet 26.06.2024 | Top

RE: Gleisplanwirtschaft

#13 von Weichen-Bernd , 13.03.2013 21:44

Hallo Alexander, hallo zusammen,

so nun einige weitere Bilder zu Deinen Ausführungen:

Zitat von DB-IV-Proto87

…Wichtigster und häufigster Typ ist die einfache Weiche (EW) 190-1:9; die erste Zahl gibt den Radius an, die zweite die Neigung am Weichenende. Der Abzweigwinkel von arctan(1/9)=6,3402° wird dabei bereits vor dem Herzstück erreicht, weshalb dieses gerade ist. Zwischen dem Bogen- und dem Weichenende liegen über 6m, ggf. könnte gemäß (1) sofort ein Gegenbogen anschließen. Die EW 190-1:9 kann auch als ABW Verwendung finden, z. B. als Schutzweiche in mit mehr als 40km/h zu befahrenden Überholgleisen.



Die Herzstückgerade einer 49-190-1:9 ist 6,092m lang. (Hinweis: durch die Entwicklung der S54- und UIC60-Weichen ist es in den Plänen notwendig geworden vor die Form der Weichen zusätzlich auch die Schienenform zu setzen: z.B 54-190-1:7,5)

Die EW 49-190-1:9


Hier die Anwendung als Schutzweiche als ABW 49-190-1:9 mit den Radien 500m und 306,8m die einer EW 49-500-1:12 gegenüber liegt.
Darunter in der Fahrdynamik im Modell mit der 10°-Weller-Weiche mit 1086mm Radius und der auf 7,8° verkürzten 2200mm Tillig-Weiche.


Zitat von DB-IV-Proto87

Zur rascheren Gleisentwicklung gibt es die EW 190-1:6,6 (8,6156°, am Herzstück 7,0463° sowie ein- oder zweiseitig auf 1:6,6 versteilerte EKW bzw. DKW 190-1:9 mit durchlaufendem Bogen. Bei Radien unterhalb von 215m ist aber eine Spurerweiterung erforderlich und zwar bei 200m 5mm, bei 150m 10mm, bei 120m 15mm und bei 100m 20mm. Die maximal zulässigen Abweichungen von der so vorgeschriebenen Spurweite nach unten beträgt 5mm, umgekehrt dürfen 1465mm auf Haupt- und 1470mm auf Nebenbahnen nicht überschritten werden.

Somit hat die Weiche 190-1:6,6 (ebenso wie die beiden Varianten 1:7,5 und 1:6,284) zwei gravierende Nachteile:
Wegen der bei einem Radius von 190m erforderlichen Spurerweiterung von 6mm muß die Herzstücklücke im geraden Strang vergrößert werden, um ein Anstreifen des Spurkranzes bei Fahrt in den Bogen zu vermeiden. Diese fehlende Überdeckung führt zu einer verstärkten Abnützung, weshalb diese Weiche nur verwendet wird, wenn die Mehrzahl der Fahrten in die Ablenkung führt oder insgesamt wenig Belastung gegeben ist (z. B. auf Nebenbahnen).
Eine Parallelgleisverbindung erfordert wegen der gemäß (1) einzusetzenden Zwischengerade einen Gleisabstand von rund 5,2m.

Aus den genannten Gründen sind diese Weichen vorwiegend auf Nebengleisen eingebaut, auch wenn auf 1:6,6 versteilerte DKW 190-1:9 z. B. in der Ausfahrgruppe von Nürnberg Rbf liegen.



Eine DKW 49-190-1:9/1:6,6. der Herzstückbogen mit der Endneigung 1:6,6 ist hier jeweils rechts oben. Und die entsprechende 10°-Roco-DKW mit Tauschherzstück aus einer 15°-Roco-Weiche.


Zitat von DB-IV-Proto87

… Ist aus Platzgründen eine durchgehend steilere Neigung von 1:6,6 erforderlich, muß zur EKW bzw. DKW 190-1:6,6 mit Drei-/Vierfachherzstücken wegen der außerhalb des Kreuzungsvierecks liegenden Zungen gegriffen werden. Da diese bei einem durchlaufenden Bogen zu wenig Platz hätten und sich die bogenäußeren Schienen der Zweiggleise überschneiden würden, ist in der Mitte ein 6,149m langes gerades Stück eingefügt, das für ausreichende Abrückung sorgt. Bei der DKW wird dabei die (aus zwei abgehobelten Teilen zusammengesetzte) mittlere Schiene von den Zweigleisen gemeinsam genützt. Die durch das gerade Zwischenstück bedingte Verlängerung dieser Kreuzungsweiche gegenüber der Kr 1:6,6 führt zu einer weiteren Vergrößerung des erforderlichen Gleisabstandes bei Parallelgleisverbindungen mit zwei EKW bzw. DKW auf 6,111m.



Eine DKW 49-190-1:6,6 und die entsprechende 15°-Tillig-DKW für die Fahrdynamik im Modell.


Zitat von DB-IV-Proto87

… Die erst von der DB entwickelte und vorwiegend zur steilen Auffächerung von Gleisharfen etwa für Richtgleisgruppen im Anschluß an Ablaufberge eingesetzte symmetrische ABW 215-1:4,8 (Herzstückwinkel 9° 21‘ 52“ vermeidet die Nachteile der EW 190-1:6,6. Weder sind eine Spurerweiterung und damit eine größere Herzstücklücke noch ist gemäß (1) für einen 190m Gegenbogen eine 6m-Zwischengerade erforderlich.



Die ABW 49-215-1:4,8 und die entsprechende Piko-Weiche, die gekürzt werden müsste und ggf. mit kleineren Schienenprofielen bestückt werden müsste.


Zitat von DB-IV-Proto87

… Schließlich sind noch die EKW und DKW 300-1:9 sowie 500-1:9 zu nennen. Während bei letzterer der Bogen einfach durchläuft und die Köpfe der bogenäußeren Schienen der DKW einander in der Weichenmitte genau berühren, ist die Lage bei der 300-1:9 komplizierter. Ähnlich wie bei der 190-1:6,6 muß zu einem Trick gegriffen werden: Damit die Zungen weit genug von den Herzstücken entfernt sind, wird zwischen den Gelenken ein 534,3399m Korbogen eingelegt. Da sich bei der DKW die bogenäußeren Schienen der Zweiggleise überschneiden würden, weicht deren Geometrie nochmals von der EKW ab: Erst hinter den Dreifachherzstücken wird der Radius von 300m auf 1087,881m vergrößert. Die gegenüber der Kr 1:9 gegebene Verlängerung führt unter Berücksichtigung von Zwischengeraden gemäß (2) zu einer Vergrößerung des erforderlichen Gleisabstandes bei Parallelgleisverbindungen mit zwei DKW auf 5,552m, während bei der 500-1:9 mindestens 6,779m nötig sind.



Von oben nach unten DKW 49-500-1:9, EKW 49-300-1:9 und DKW 49-300-1:9 sowie die konstruierte S21-System-DKW 21-2395-1:5,671 (mit 10° als Pedant entsprechend zur DKW 49-500-1:9.


Zitat von DB-IV-Proto87

Relativ häufig zu finden ist die Sonderkonstruktion der einseitig auf 1:12 verflachten E/DKW 500-1:9 im Zusammenhang mit Parallelgleisverbindungen mit EW 500-1:12 und 4,5m Gleisabstand. Ein Bogen endet entsprechend früher, während ein durchgehender Strang auf einer Seite einen 500m Gegenbogen zur Erzielung der Neigung von 1:12 erhält. Die Geometrie ist natürlich nicht durch Verbiegen des Grundtyps herstellbar, sondern erfordert eigene Teile (Zungen, Herzstück usw.).



Die DKW 49-500-1:9/1:12 mit vertauschter Zungenvorrichtung unten links und oben rechts und darunter die 15°-Tillig-DKW mit den gleichen vertauschten Zungenvorrichtungen.


Ein Bild neu eingefügt am 06.04.2013: EKW 54-500-1:9 und DKW 54-500-1:9/1:12 (mit zwei vertauschten Zungenvorrichtungen)



Noch ein Foto der Tillig-DKW, das ich letztes Jahr für eine Verbiegeanleitung für eine Planung gemacht habe:


Soweit meine Ergänzung durch ein paar Bilder.


Viele Grüße

Bernd

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dlok hat sich bedankt!
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RE: Gleisplanwirtschaft

#14 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 13.03.2013 21:58

Hallo zusammen,

weiter geht's.

Jochen, "Profi" bin ich nur in der Wahl meiner Mittel bzw. Quellen, auch habe ich an der TU Wien im Zuge eines Fächertauschs (bin eigentlich Elektrotechniker) die Vorlesungen und Konstruktionsübungen zu Eisenbahnwesen absolviert. Eine Nebeneinkunft habe ich daraus jedoch nicht gemacht; bei einigen Fremo87-Modulen stammen aber Teile der Gleisplanung von mir, und ich habe mich in "Naturalien" (z. B. Altern meiner Güterwagen) entlohnen lassen.

Bernd, die genannten Quellen beziehen sich auf S49; meine Formulierungen sind an der Stelle vielleicht etwas unglücklich gewesen. Die Pläne liegen mir vor, trotzdem vielen Dank für das Einstellen der Zeichnung zur besonderen Schwellenanordnung. Unbedingt zu beachten ist dabei folgender Hinweis. "Normale" Langschwellen liegen ja senkrecht zur Winkelhalbierenden der beiden Stränge. Eine unmittelbar folgende Weiche fordert wegen ihres Antriebs dort eine Anordnung parallel dazu. Somit ist es nicht möglich, in beiden Strängen die nächste Einheit direkt fortsetzen zu lassen! Auch der früher übliche Weg mit verschränkten Kurzschwellen ist (zumindest auf Hauptbahnen) ab Ende der Epoche III nicht mehr zulässig, weil damit der Einsatz automatischer Stopfmaschinen verhindert wird.

Für die Weichen- bzw. Kreuzungsdreiecke ergeben sich entsprechend der Neigung folgende Tangentenlängen:
1: 4,444; 4,8; 6,6; 9; 12; 14; 18,5
t 10,907; 11,050; 14,312; 16,615; 20,797; 27,108; 32,409

Auf der Zungenseite einfacher Weichen mit geradem Herzstück sowie bei den Kreuzungsweichen mit Ausnahme der 190-1:9 stellen sich abweichende Maße ein :
EW190-1:9 10,523; EW300-1:12 12,478; EW500-1:14 17,834; EW 760-1:18,5 20,526; E/DKW190-1:6,6 17,396; E/DKW 300-1:9 22,639; E/DKW500-1:9 27,693

Ich verzichte absichtlich auf die Darstellung der Weichen mit 1200m Abzweigradius (Reichsbahnbauart) und mehr (DB-Entwicklungen für NBS) mit beweglichen Herzstückspitzen - für einen Modellbahner sollte es das höchste der Gefühle sein, bei der EW760-1:14 auch für Fahrten in die Ablenkung Hp1 signalisieren zu dürfen!

Damit Ihr eine bessere Vorstellung von den Abmessungen bekommt, zeige ich hier einen Ausschnitt von meinem Vorhaben Kohlenkirchen-Bismarck in 1:10 für H0 (Metermaß zum Vergleich eingezeichnet):



5 und 6 sind die durchgehenden Hauptgleise einer Güterzugstrecke, der Radius von 750m erlaubt 80km/h - auf Überhöhungen und Übergangsbögen wird mit Rücksicht auf die Weichenstraße verzichtet. In 8 folgt weiter links außerhalb des Bildes eine kurze aber kräftige Steigung (wegen einer Überwerfung) bevor eine weitere Harfe erreicht wird. Damit nun bei der Einfahrt in diese ein Zug mit vmax 65km/h (alte Güterwagen, BR 44 rückwärts) den Schwung mitnehmen kann, soll frühes Abbremsen vermieden werden. Also brauchen wir die ABKW 500-1:9, deren linkes Ende "verflacht" ist, damit im Abzweig die nötige Zwischengerade entsteht. Somit kann der Gegenbogen der IBW 760-1:14 direkt folgen, welche benötigt wird, um 50km/h für Fahrten in Gleis 7 zu ermöglichen. Diese Geschwindigkeit reicht uns völlig für die Gegenrichtung, weil da die Züge gerade erst beschleunigen. Deshalb brauchen wir auch nur die ABW 300-1:9.

Die Gruppe daneben ist an eine eingleisige Strecke angebunden (Verlängerung von 4), für 1 - 3 sind 50km/h gefordert. So erklärt sich die IBW 500-1:12, die IBW 300-1:9 ist nur ganz schwach gebogen, um mehr Abrückung von 4 zu erzielen. Für die Aufspaltung von 2/3 genügt eine (teilweise) ABW 190-1:9 als kleinstmögliche Einheit. Bei dieser Weiche wird nur der Bereich bis zum Ende der 190m-Krümmung gebogen, das gerade Ende bleibt so.

Bernd, ich kenne S21 nicht näher, erlaube mir aber, ein paar Hinweise zur Idee der "Verkürzung" zu geben. Wie weiter oben geschrieben, ist die EW 190-1:9 der häufigste und wichtigste Weichentyp, auch die E/DKW 190-1:9 sind Massenware. EW 300-1:9 und 500-1:12 braucht man schon alleine wegen der daraus geformten IBW. Die Bäseler 500-1:9 ist auch ein Biegekandidat. Hingegen sind die Kreuzungsweichen 190-1:6,6 und 300-1:9 bei der DB schon in den Sechzigerjahren weitgehend ausgerottet worden - wegen der Gelenkzungen und starren Mehrfachherzstücke. Will man nun z. B. auf Basis Tillig Elite diese Typen verkürzt darstellen, gibt es ein wesentliches Problem. Bei den engeren Weichen (für die 190) fehlt ein Modell mit geradem Herzstück - logisch, denn man will ja Platz sparen. Das ist aber genau das herausragende optische Merkmal, welches auch bei der "Verdichtung" erhalten bleiben sollte.

Fortsetzung folgt,

Alexander


DB-IV-Proto87

RE: Gleisplanwirtschaft

#15 von Stefan7 , 14.03.2013 06:49

Hallo Alexander,

was für ein unglaublichen Beitrag hast du denn hier am Start................
Das werde ich nochmal lesen, verstehen werde ich es zwar nicht ganz, aber die Grundlagen und deine Erläuterungen sind ja schon der Hammer.
Mit so etwas hat sich wohl noch selten ein Modellbahner beschäftigt.
Respekt

Viele Grüße

Stefan7


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RE: Gleisplanwirtschaft

#16 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 16.03.2013 17:52

Hallo zusammen,

zunächst möchte ich mich bei Bernd bedanken, der mir auch per PN weitere Hinweise gegeben hat. Beim Thema Verschränkung von Weichen bzw. Endschwellenlage habe ich mich auf die DB-Vorschriften bezogen, von denen jedoch in begründeten Fällen abgewichen wird. Wenn z. B. Platzmangel wegen Brücken oder anderen Bauwerken eine dichtere Aufeinanderfolge erforderlich macht, werden durchaus Sonderkonstruktionen nach individuellem Verlegeplan hergestellt. Allerdings sollte man im Modell nicht eine Ansammlung solcher Ausnahmen anhäufen, deren Notwendigkeit dann auch noch nicht zu erkennen ist.

Ich will Euch zeigen, wie vor rund zwölf Jahren die Grundlage für meine dahingehenden Aktivitäten geschaffen worden ist: Probesegment mit Selbstbauweichen nach H0pur auf Basis Roco Line - nach erfolgreichen Testfahrten sind alle Schwellen und Kleineisen unter "Schnee" verschwunden.



Gesamtansicht mit den Gleisen 1 - 4 (von oben nach unten), in 2 liegt eine 190er-ABW und in 3 eine 300-1:9



Weichen aus der Nähe, ganz rechts sind die Bohrungen für die Durchführung der Antriebsdrahtstifte zu sehen, die Federschienenzungen werden später in die Kleineisen der freien ungeteilten Schwellen eingeschoben.



Blick entlang Gleis 3



und Gleis 2. So, jetzt geht es weiter mit dem Vorbild.

Steigungsverhältnisse und Neigungswechsel

Die Längsneigung der freien Strecke soll bei Neubauten 1,25% auf Haupt- und 4% auf Nebenbahnen nicht überschreiten. In den Hauptgleisen von Bahnhöfen sind bis zu 0,25% zulässig. Beiderseits von Gleiswaagen müssen mindestens 20m horizontal verlaufen. Bei den kurzen Steigungen bzw. nur im Gefälle befahrenen Abschnitten im Zusammenhang mit Gleisüberwerfungen zur kreuzungsfreien Streckenausfädelung sind zu deren rascher Entwicklung ebenfalls 4% möglich. Die Ausrundung der Neigungswechsel in Hauptgleisen, die wegen der sonst zu starken Verwindung langer Drehgestellfahrzeuge nicht mit Überhöhungsrampen zusammenfallen sollen, erfolgt in der Regel durch Kreisbögen vom Halbmesser v^2. In und vor Bahnhöfen genügen 2000m, sofern bei Kuppen Weichen mindestens 5m, besser 15m entfernt sind, sonst sind 5000m erforderlich.

Ich empfehle Euch dringendst, auf Euren Anlagen die Einhaltung der vorbildlichen Ausrundungen - insbesondere bei Kuppen - anzustreben, die Betriebssicherheit wir es Euch danken!

Ablaufberge erhalten eine Gegensteigung von 2% und im Minimum 0,7m Höhe sowie eine Steilrampe mit bis zu 6,5% Gefälle auf mindestens 20m Länge. Der Scheitel ist mit 300m, die übrigen Gefällewechsel sind mit 400m auszurunden. Auch in diesem Zusammenhang sind niedrigere (Rangierloks, Güterwagen) und höhere Grenzwerte (übrige Fahrzeuge) zu beachten.

Grüße aus Nürnberg,

Alexander


DB-IV-Proto87

RE: Gleisplanwirtschaft

#17 von Weichen-Bernd , 17.03.2013 20:51

Hallo Alexander, hallo zusammen,

danke, dass Du die Schwellen-Extrawürste mit berücksichtigen hast.

Schade, dass Du die, an sich schönen Selbstbauweichen unter Schnee verschwinden lassen musstest. Eine satte Versandung oder Begrünung der Weichenbereiche hätte vielleicht auch genügt, denn der Blick längs zum Gleis spricht für sich.

Zur Planung Kohlenkirchen-Bismarck habe ich für den Teilbereich mit der Bogenkreuzungsweiche zwei Varianten Zusammengebastelt:

Variante 1 lehnt sich stark an die Vorgabe von Alexander an, jedoch liegen die Kreuzungsgleise der Bogenkreuzung im Kreisbogen mit 1200m Vorbildradius. Danach folgt nach links eine Übergangsbogen mit Überhöhungsrampe zum Kreisbogen mit 850m Radius und 40mm Überhöhung. Die lange IBW 49-760-1:14 ist um 9m (0,15*V) von der Bogenkreuzung abgerückt. Die zulässigen Geschwindigkeiten zu den beiden obersten Gleisen betragen, wie in Alexanders Planung 60 und 50km/h. Die beiden Streckengleise können mit 100km/h befahren werden, wobei für die wenigen Eilzüge mit 100km/h für die Überhöhung und die Krümmungswechsel Mindestwerte verwendet werden, jedoch für den Starken Güterverkehr mit 80 km/h hier eine schöne und materialschonende Linienführung Mit Übergangsbögen vorliegt. Die obere Variante ist Variante 1:


Variante 2 ist unten zu sehen. Hier wird die Bogenkreuzung bis zur einfachen Außenbogenkreuzung mit geradem Zweiggleis verbogen. Um die Strecke noch mit 80km/h befahren zu können, muss die Überhöhung in den Weichen mindestens 55 mm, besser 60mm betragen. Gegenüber der Variante 1 wird die Weiche rechts von der Bogenkreuzung eine ganz leicht gekrümmte IBW 49-500-1:12, da mit einer 300er-ABW hier, für den starken Güterverkehr, eine unerwünschte negative Überhöhung entstehen würde. Der Gleisabstand musste für die Verbindung zur Bogenkreuzung auf 4,75m aufgeweitet werden. Davor und dahinter wird mit vermittelnden Bögen wieder 4,50m Gleisabstand erreicht. Die Bogenkreuzung habe ich so eingestellt, dass, wie in den Regelzeichnungen der DB, das Zweiggleis zwischen beiden Streckengleisen 1,295 mm in die Kreuzung eingreift. Deshalb haben sich die automatisch erzeugten Schwellen etwas verschoben.

Zu den Gleisen oben links wird die Überhöhung vom 60mm auch in der anschließenden IBW 49-500-1:14 beibehalten. Somit kann die Ausfädelung dieser beiden Gleise in alle Richtungen mit 60km/h befahren werden.

Hier ein Detailbild zu den Weichen:


Besonders vorteilhaft für die Gesamtplanung ist hier die Anordnung der Weichen in Überhöhung, da in den Weichen in den Streckengleisen durch die Überhöhung von 60mm bereits die Steigung zum Überführungsbauwerk beginnt und das linke Ende der Bogenkreuzung bereits etwa 310mm höher liegt als die zweigleisige Strecke. Somit kann die Gesamtrampe zur Brücke etwas kürzer werden.

Hier eine Prinzipskizze zum Höhenverlauf in den Gleisen und Weichen:


In einer weiteren Variante könnte man die Weichen in 95mm Überhöhung einbauen um Eilzüge mit 90km/h fahren lassen zu können. Dies würde im Abzweig zur Rampe eine größere Steigung ergeben. Hier ein Beispiel im Bf Hümme an der Strecke Kassel – Warburg. Alle Züge befahren die Weichen in 110mm Überhöhung mit höchstens mit 80km/h.


Viele Grüße

Bernd

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turboseize und jzipp haben sich bedankt!
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RE: Gleisplanwirtschaft

#18 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 19.03.2013 19:50

Hallo zusammen,

Bernd möchte ich für die Vorschläge zu Kohlenkirchen-Bismarck danken - besonders interessant ist natürlich die Möglichkeit, durch geschickte Wahl der Überhöhung (Innenschienen der Parallelgleise nicht überall auf 0) gleich einen Teil der folgenden Steigung abzudecken.

Gleisabstände und Lichtraumprofile

Der Gleisabstand auf freier Strecke und bei Haltepunkten mit Außenbahnsteigen beträgt 4m, bei bestehenden Anlagen (z. B. Tunnel) mindestens 3,5m (Grenzzeichenmaß und in Bahnhöfen 4,5m, wobei die erforderliche Vergrößerung bei den durchgehenden Hauptgleisen einmalig mittels einer übergangsbogenlosen Gleisverziehung vor der Stelle hergestellt wird, bis zu der Rangierfahrten erfolgen dürfen (Signal Ra 10 bzw. erste Weiche). Bei Schutzgleisstümpfen (keine Betriebsgleise) genügen 4,1m am Weichenstoß (Zungenseite) und 3,8m an der engsten Stelle. Werden zwischen zwei Gleisen Wasserkrane aufgestellt, Bremsproben vorgenommen oder erfolgt ein Reinigen von Reisezugwagen, ist ein Abstand von 5m erforderlich, bei Wascheinrichtungen und in Fahrzeughallen 5,5m. Bei ausgedehnten Bahnhofsanlagen ist aus Gründen der Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit sowie wegen der Möglichkeit der Aufstellung von Turmmasten alle fünf bis sechs Gleise ein Maß von 6m einzuschalten. Für einseitig benutzte Zwischenbahnsteige beträgt der Mindestgleisabstand 6m, für zweiseitige 9m.

Bahnhofsanlagen

Nach Streckeneinteilung der DB sind bei durchgehendem Güterverkehr auf Hauptbahnen Ausweichgleise mit 600m, 650m oder 750m (Summe über alle Wagen maximal 700m) und Bahnsteige bei Schnellzughalt mit 400m Nutzlänge zu bemessen. Die Fahrstraßen sollen so angelegt sein, daß Durchfahrten mit der zulässigen Streckengeschwindigkeit möglich sind. Beträgt diese über 60km/h (80km/h), sind Einfahrstraßen für 50km/h (60km/h) vorzusehen. Ausfahrten sollen mit 50km/h möglich sein. Bei großen Bahnhöfen, in denen ohnehin alle Züge halten (z. B. Kopfbahnhöfe), erfordern die Platzverhältnisse sowie die begleitende signaltechnische Sicherung der zahlreichen einander möglichst nicht ausschließenden Fahrstraßen einhergehend mit der Verwendung von Weichen mit geringerem Halbmesser häufig das Senken der Geschwindigkeiten unter die o. a. Werte.

Die Weichen und Kreuzungen sind in übersichtlichen und kurzen Gruppen zusammenzufassen und an solchen Stellen in Hauptgleisen möglichst zu vermeiden, wo Züge regelmäßig halten. Bei der Anbindung von Lokverkehrs-, Umfahr- und Abstellgleisen ist auf ungehinderte gleichzeitige Fahrten zu achten. Bei starker Belastung sind mindestens so viele Hauptgleise erforderlich, daß aus allen Richtungen gleichzeitig Züge eintreffen können.

Auf Knotenpunkten sind die Hauptumsteigeströme zu beachten; ggf. ist auch Eckverkehr durch Halt am gleichen Bahnsteig gegenüber zu unterstützen. Insbesondere auf Kopfbahnhöfen mit vielen durchgehenden Zügen ist die kreuzungsfreie Verschränkung der Strecken und die entsprechende Gruppierung der Bahnsteige sinnvoll. Dazu laufen die Gleise aus der einen Richtung so ein, daß sie neben denen in die andere Richtung abgehenden zu liegen kommen und umgekehrt. Ein Gleis einer Strecke muß daher im Bahnhofsvorfeld das Gegengleis sowie das gleichlaufende Gleis der anderen Strecke über- bzw. unterqueren. Der nach diesen Gesichtspunkten gestaltete Stuttgarter Hbf ist deshalb von der Leistungsfähigkeit den alten Anlagen wie z. B. in Frankfurt/Main überlegen. Hingegen ist es ganz allgemein nicht erforderlich, von jedem Hauptgleis alle Strecken zu erreichen.

Um die Gefährdung von Personen zu minimieren, ist bei schienengleichem Zugang die vom Empfangsgebäude entfernteste Bahnsteigkante an das durchgehende Hauptgleis zu legen, wo dann auch Durchfahrten möglich sind. Bei Kreuzungen bzw. Überholungen fährt der zuerst eintreffende Zug dann stets in das Überholgleis.

Bei zweigleisigen Strecken müssen die Weichenverbindungen das Ausziehen in Ausfahrrichtung zulassen, wenn eigene Ziehgleise fehlen. Insbesondere bei starker Belastung muß die Anbindung der Überholgleise so erfolgen, daß Falschfahrten bzw. Gleiswechselbetrieb ohne Umsetzen durchgeführt werden können. Der direkte Übergang zwischen den durchgehenden Hauptgleisen ist hingegen häufig nicht möglich, weil dafür keine Fahrstraßen existieren. Entsprechend können die Ausfahrsignale der durchgehenden Hauptgleise kleinerer Bahnhöfe selbst bei Stellwerken in Spurplantechnik häufig nicht Hp 2 anzeigen. Liegen die Überholgleise für beide Richtungen auf einer Seite der durchgehenden Hauptgleise, soll die Anbindung bei starkem Verkehr so vorgenommen werden, daß gleichzeitige Ein- und Ausfahrten ermöglicht werden. Bei hoher Streckenbelegung sind dann ggf. zumindest die Einfahrten kreuzungsfrei auszufädeln.

Folgende Maße sind bei Bahnsteigen und Seitenrampen zu beachten:

Bahnsteig- bzw. Rampentyp; Höhe über Schienenoberk. [mm]; Abstand Kante – Gleismitte [mm]
schienengleicher Zugang (Bestand): 250; 1470
gesonderter Zugang: 380; 1600
starker Verkehr; 760/960*1); 1700, bei Gleisfestlegung 1650
Seitenrampe: 1000*2)/1120*3); 1700, bei Gleisfestlegung 1650
Seitenrampe*4): 1200; 1700

*1) bei ausschließlichem S-Bahnverkehr
*2) wenn nach außen aufschlagende Türen von Reisezugwagen geöffnet werden müssen
*3) wenn nach außen aufschlagende Türen von Güterwagen geöffnet werden müssen
*4) sonst

Bei Gleisfestlegung verhindern z. B. im Abstand einiger Meter auf Schwellen aufgeschraubte Distanzstücke auf einer Länge von 30m vor und nach dem Bezugspunkt eine Annäherung des Gleises an Baulichkeiten durch allmähliches "Wandern" im Schotterbett.

Stirnrampen weisen eine Höhe von 1235mm über Schienenoberkante auf, um Straßenfahrzeugen das Überfahren der Puffer zu ermöglichen. Feste Gegenstände auf Personenbahnsteigen müssen bis zu einer Höhe von 3,05m über Schienenoberkante mindestens 3m von der Gleismitte entfernt sein, bei bestehenden Anlagen mit geringem Verkehr 2,7m.

Bei starkem Personenverkehr sind früher getrennte Gepäckbahnsteige mit 250mm (Maximalmaß bei gleichzeitiger Nachschau an den Wagen) oder 380mm Höhe angelegt worden. Diese erfordern 7,5m Gleisabstand, bei Vorhandensein von Karrenaufzügen 9m bis 10m.

Grüße aus Nürnberg,

Alexander


DB-IV-Proto87

RE: Gleisplanwirtschaft

#19 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 24.03.2013 12:33

Hallo zusammen,

mit den Ausführungen zum Vorbild bin ich vorerst am Ende angelangt. Nochmals verdeutlichen möchte ich, weshalb bei der Konstruktion mit Papier und Bleistift die Anwendung der Winkelfunktionen in einem rechtwinkeligen Koordinatensystem so wichtig ist.



Es handelt sich um den "Standardfall" der Verbindung zweier Bahnhofsgleise mit 4,5m Abstand durch Weichen mit einer Neigung von 1:9 (H0-Maße in mm in Klammer). Bei Verwendung eines Winkelmessers würden bereits geringste Zeichenfehler in der Größenordnung der Strichstärken (strichlierte Linien) durch die schleifenden Schnitte zu erheblichen Abweichungen in der Längenentwicklung führen, welche dann beim praktischen Aufbau nicht aufgehen!

Ich werde hier in loser Folge immer wieder Gleispläne einstellen - bei Interesse ersuche ich Euch um Meldung an die Moderation, damit der Beitrag "oben festgemacht" wird, statt nach unten zu "verschwinden".

Schönen Sonntag wünscht,

Alexander


DB-IV-Proto87

RE: Gleisplanwirtschaft

#20 von ET 65 , 24.03.2013 16:06

Hallo Alexander,

vielen Dank für die wirklich hervorragenden Ausführungen. Ich habe vor 30 Jahren mal den Fürmetz studiert - und dann für mich entschieden, dass das nicht alles im Modell umzusetzen ist.

Auch Dir Bernd gebührt mein Dank für die anschaulichen Ergänzungen.

Ein Thread, der es verdient, oben angepinnt zu werden!

Vielleicht kann sich der MOD-Kreis ja dazu durchringen?

Ich fände es auf jeden Fall klasse.

Gruß, Heinz


Tried to reduce to the max Ich weiß, nicht immer einfach, aber einfach kann ja jeder.
Was noch fehlt? "Ein Sack voll Zeit"


 
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RE: Gleisplanwirtschaft

#21 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 29.03.2013 10:13

Hallo zusammen,

in Bernds Fahrdynamikbeitrag http://stummiforum.de/viewtopic.php?f=24...=985896#p985785 ist die Darstellung von einseitig auf 1:6,6 versteilerten Kreuzungsweichen 190-1:9 behandelt worden.

Hierzu erlaube ich mir die kleine mathematisch konstruktive Ergänzung. Ausgehend vom "normalen" Mittelpunkt der 1:9-Kreuzung (Gesamtlänge bekanntlich 2x 16,615m) begeben wir uns zum Bogenanfang auf der nicht versteilerten Seite, d. h. 10,523m "zurück" (in Bernds Skizze nach links), und tragen von dort die halbe Tangentenlänge für 1:6,6 also 14,312m (nach rechts) auf. Der zweite Mitellpunkt liegt somit 3,789m vom ersten entfernt.

Grüße aus Nürnberg,

Alexander


DB-IV-Proto87

RE: Gleisplanwirtschaft

#22 von Roland , 09.04.2013 09:32

Hallo Alexander,

erst einmal vielen Dank für deine ausführlichen Erläuterungen zur Gleisplanung.

Kommt noch mehr Input oder war's das mal für's Erste? Ich könnte mir noch vorstellen, dass du z.B. noch ein paar Tipps und Kniffe gibst, wie man das nun im Modell umsetzt. Bevor man selbst probiert und dann vielleicht mal irgendwann gefrustet aufgibt, wäre das vielleicht ganz hilfreich.


Viele Grüße
Roland

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RE: Gleisplanwirtschaft

#23 von rainerwahnsinn ( gelöscht ) , 21.04.2013 09:03

Hallo Alexander,

ich bin grade auf die Seiten von Thomas Becker gestoßen:

http://www.drahtkupplung.de/gtbhb242.html
http://www.drahtkupplung.de/gtbhb241.html

Da hat's auch viele Fotos von Weichen.

Viele Grüße
Rainer...w


rainerwahnsinn

RE: Gleisplanwirtschaft

#24 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 22.04.2013 22:45

Hallo zusammen,

wie schon angekündigt werde ich meine Ausführungen in loser Folge durch Beispiele ergänzen. Erster Fall wird ein Ruhrgebietsmotiv im Zusammenhang mit meiner Zeche Weststern http://stummiforum.de/viewtopic.php?f=15&t=86717 in einem neuen Beitrag: http://stummiforum.de/viewtopic.php?f=24&t=92841

Grüße aus Nürnberg,

Alexander


DB-IV-Proto87

RE: Gleisplanwirtschaft

#25 von DB-IV-Proto87 ( gelöscht ) , 01.06.2013 20:41

Hallo Stummis,

ich erlaube mir eine Empfehlung für folgendes Heft (bekomme keine Provision ):
http://www.modellbahn-kurier.de/modellba...anlagenplanung/

In dem Heft wird übrigens "Halb Herzberg" vorgestellt, wo einige Ähnlichkeiten mit dem Motiv meiner Anlage Bad Herzfeld zu erkennen sind.

Einen Hinweis auf eigene Arbeit kann ich auch liefern - diesmal nach ÖBB-Vorbild:
http://stummiforum.de/viewtopic.php?f=24&t=94397

Grüße,

Alexander


DB-IV-Proto87

   

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