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Der Fluch der Akribik, Teil 136
WARUM FRANZÖSISCHE EISENBAHNFAHRZEUGE IN DER REGEL TAMPONS HABEN
Nun, das ist definitiv so, weil das französische Wort „Tampon“ so viel wie „Puffer“ bedeutet, wie die etwas weniger Ungebildeten unter euch natürlich eh schon wissen.
Bevor Günter Weimann mit seinen fabelhaften Produkten auf den Markt kam, war es für jemanden, der wie ich kaum ein Wort Französisch kann, gar nicht so einfach, französische Federpuffer zu finden.
Irgendwann stieß ich dann aber auf die Website von Gerard Huet, der seinerzeit Puffer-Bausätze der Bauart OCEM anbot, und rüstete einige Wagen damit aus. Die entsprechende Seite ist in den Weiten des Internets noch zu finden, aber erstehen kann man diese Puffer mit dem charakteristischen Loch im Pufferteller bei Huet offenbar nicht mehr:
Damals war diese Puffer das Beste, was man kriegen konnte. Tatsächlich waren aber die Huet-Puffer etwas grob gegossen und halten dem Vergleich mit dem aktuellen Weimann-Produkt nicht mehr stand:
Einen französischen Wagen der Bauart „Standard B“ habe ich bereits gezeigt. Da der Pwgs 44 auf Teile wartet, richte ich mir zwischenzeitlich noch zwei Wagen der wesentlich stärker verbreiteten Bauart „Standard A“ her, die Mitte der 50er Jahre in ganz Österreich und auch in Kärnten häufig gesichtet werden konnten:
Joachim Reinhard hat dieser Type 2010 in Willy Kosaks Hp1 Nummer 41 einen ausführlichen Bericht gewidmet. Den Zeichnungen aus Hp1 nach zu schließen hat man in Frankreich offenbar nicht zwischen rechten (gewölbten) und linken (flachen) Puffern unterschieden, die Puffer waren allem Anschein nach alle gleichartig leicht gewölbt.
Die Standard A-Wagen von L.S. Models werden derzeit im Doppelpack unter der Artikelnummer 30500 gelegentlich noch angeboten.
Die Wagen sind ab Hersteller hervorragend detailliert. Die Bremsanlage wurde seit dem Erscheinen der Wagen deutlich verbessert. Hier die Bremsanlage auf einem beim Vorbild gleichartig ausgerüsteten ca. 2010 produzierten Modell eines Standard B:
Und hier ein aktueller Standard A-Wagen, beide von L.S. Models.
Meine Ergänzungen sind der guten Detailierung wegen entsprechend rasch getan: Räder weg, Dach runter, Wagenboden von innen rausdrücken. Bohrungen für die Puffer, die Originalkupplungen, die Bremsschläuche und die Rangiergriffe unter den Puffern anbringen. Bremsschläuche einsetzen, Originalkupplungen zusammensetzen und einfügen, Puffer einkleben, 0,5mm-Bohrungen für die Fanglaschen laut Plan im Hp1 bohren, 0,4mm-Draht zu Fanglaschen biegen und einsetzen, RP25/88-Speichenräder mit Durchmesser 11,5 mm und Spitzenweite 14,7mm einsetzen, fertig, das war‘s. In zwei Abenden sind zwei Wagen lackierfertig.
Warum diese Wagen in Kärnten um 1955 relativ häufig vorkamen, ist noch immer nicht restlos geklärt. Mäßig hilfreiche Hinweise wie „Noch nie was von ‚Europ‘ gehört?“ erklären keine auffällige Häufung auf bestimmten Strecken. Einmal ganz abgesehen davon, dass ausländische Fahrzeuge 1955 noch gar nicht zwingend mit „Europ“ beschriftet waren. Italienische Wagen z.B. fuhren damals bei uns nicht selten noch ohne diese Kennzeichnung.
Ein Einsatzzweck dieser französischen Standard A-Wagen ist nun durch ein Foto nachgewiesen, auf welchem eine Rinderschnauze durch einen Türspalt lugt: Da man bei diesen Wagen acht große Klappen öffnen konnte, eigneten sie sich offenbar prima für Tiertransporte.
Wenn also Wagen dieser Gattung mit offenen Klappen und eventuell mit einer einen Spalt breit geöffneten Tür direkt hinter der Lokomotive eingereiht waren, dann ist ein Viehtransport als wahrscheinlich anzunehmen. Vereinzelt hat man solche Wagen auch mittels Kreide mit einem großen „V“ als Viehtransportwagen gekennzeichnet.
Liebe Grüße
Euer Karl