Zitat von epoche3b
Zitat von Schwanck
Hochgestuft wurden bei der Klassenreform die 2. Klasse zur 1. und die 3. zur 2. Kl., 1. Klasse blieb 1. Klasse.
für mich sind deine grün und rot markierten Aussagen ein Widerspruch in sich.
Für mich nicht. Diese Aussagen beinhalten genau das, was Du selbst schreibst: Die alte erste Klasse wurde von der alten zweiten nicht ersetzt, sondern mit ihr (zur neuen ersten Klasse) zusammengelegt. Dein Vorredner vermeidet nur den Begriff Zusammenlegung.
Zitat von berndm
Was auf eine tatsächliche Abschaffung der 1. Klasse hinweist, ist die Änderung im Komfort. Bei den Modellwagen wird das am besten in der Abteilbreite sichtbar...
Vergleicht man diesen Wagen mit dem Aümg-54 dann fallen die unterschiedlichen Abteillängen auf.
Derartig großzügige Abteile gab es dann erst wieder bei den Rheingoldwagen Avmh-62.
Ich halte diesen Vergleich für unpassend. Du pickst Dir aus der Zwischenkriegszeit und aus der Zeit der Bonner Republik jeweils einen kleinen Zeitabschnitt heraus und tust so, als sei er repräsentativ für die gesamte Epoche. Das ist er aber nicht.
In den ersten zehn Jahren der Inflationszeit dürfte es gelungen sein, den Bedarf an Reisezugwagen zu decken, zumal der Tourismus noch nicht in der Mitte der Bevölkerung angelangt war. Nachdem Hitler seine Gegner ermorden ließ und auch von Hindenburg als Reichspräsident beerbt hatte, konnte sich die deutsche Großmannssucht zu voller Blüte entfalten. Man wollte den anderen Großmächten zeigen, wer man ist, und sich als stark und fortschrittlich präsentieren. Schon deshalb mussten die "Herrenmenschen" beim Neubau von Waggons für ihre "Artgenossen" auf Größe setzen, zumal es sich bei den Passagieren der Polsterklassen um ein überschaubares, überdurchschnittlich wohlhabendes Publikum handelte. In den Jahren danach sollte Deutschland noch große Gebietszuwächse auf dem diplomatischen Weg erzielen.
Als der Gründungsprozess der Deutschen Bundesbahn 1951 abgeschlossen wurde und die ersten neuen Waggons gebaut wurden, sah die Situation ganz anders aus. Der Krieg hatte große Lücken in den Fahrzeugbestand geschlagen. Dieser Kapazitätsengpass musste schnell behoben werden, und das ging umso schneller, je länger die Waggons und je kürzer die Abteile waren. In der Folgezeit stieg die Kaufkraft enorm, so dass der Strom der Reisenden immer größer wurde. Trotz des mit vereinten Kräften von Waggonindustrie und Ausbesserungswerken vorgenommenen Neu- und Umbaus kamen diese deshalb weiterhin kaum mit der Fertigung nach. Außerdem könnte die Bahn als - obendrein verstaatlichte - Monopolanbieterin unter den Kontrahierungszwang gefallen sein, so dass eine Vernachlässigung der Kapazität zu Gunsten des Komforts sogar rechtswidrig gewesen wäre. Erst 1962 hatte sich die Lage soweit entspannt, dass mit dem Neubau von luxuriöseren Wagen begonnen werden konnte.
Und so unluxuriös sind die Bundesbahnwaggons gar nicht einmal. In der Charleston-Ära gab es noch Waggons, die eng an Kutschen angelehnt waren und teilweise auch die vierte Klasse führten. Damit der Schaffner sich nicht am Trittbrett entlang hangeln muss, wurde ein Seiten- oder auch Mittelgang ins Wageninnere verlegt, aber viele (oder alle) der Abteil- und ggf. Gangfenster waren durch Türen ersetzt. Damit konnten die Einstiegsräume eingespart werden. Um den Fahrgästen keine allzu engen Einstiege zuzumuten, waren die "Türabteile" mit rund 1520 mm etwas länger als die "normalen" Abteile, die um 1350 mm lagen.
Höherwertige Wagen ohne vierte Klasse sowie Wagen, die nach Abschaffung der vierten Klasse gebaut wurden, hatten Einstiegsräume an den Enden und nur noch türlose Abteile. Außerdem war die nun niedrigste dritte Klasse besser ausgestattet als die alte vierte. Die Netto-Abteillängen in den drei Wagenklassen (soweit vorhanden) bewegten sich um 2040 mm (1. Klasse), 1870 mm (2.) und 1540 mm (3.). Das gilt für veschiedene Bauarten von zweiachsigen Wagen, Eilzugwagen und Hechtwagen, die alle ein wenig um diese Mittelwerte herum schwanken, wobei die Schnellzugwagen komfortabler waren als die Nahverkehrswagen.
Erst die Bauarten ab 1935 hatten längere Abteile, z. B. 2000 und 1600 mm in der zweiten und dritten Klasse der Sonderbauart Altenberg. Hier liegen mir nur Brutto-Angaben vor; netto sind es etwas weniger, so dass die zweite und dritte Klasse etwa der bisherigen ersten und dritten Klasse entsprechen. Noch längere Abteile hatten die Schürzenwagen. In der ersten Klasse fanden sich sehr geräumige Klubabteile (4 Plätze in einem 2294 mm langen Abteil), in der zweiten normale Sechserabteile derselben Länge und in der dritten Klasse schließlich 1700 mm lange Abteile, die jedoch mit 8 Personen belegt wurden - allerdings war auch der Wagenkasten breiter als heute.
Die Bundesbahn-Waggons bis 1961 zeigen schließlich nahezu einheitliche Abteillängen in der neuen ersten Klasse. Zumindest gilt das für die Dreiachs-Umbauwagen, die m-Wagen und die n-Wagen, die sich alle zwischen 1988 und 2088 mm bewegen. In der neuen zweiten Klasse der Umbauwagen sind es nur 1540 mm brutto, so dass die beiden Wagenklassen etwa der alten ersten und dritten Klasse entsprechen. Die UIC-X-Wagen (Mitteleinstiegswagen, m-Wagen, n-Wagen) haben in der neuen zweiten Klasse allesamt Abteillängen um 1700 mm. Außerdem wurden über einen Zeitraum von 10 Jahren die Holzbänke der dritten Klasse abgeschafft.
Stellt man also einen Zug aus AB3yge und Bvmz zusammen, so hat man Abteillängen, die dem langjährigen Standard in den drei alten Wagenklassen entsprechen. Die unterste Wagenklasse ist aber komfortabler geworden. Erst recht gilt dies für die übrigen Nachkriegsbauarten, die mit Abteillängen um 1700 mm noch mehr Beinfreiheit boten.
Ein deutscher Intercity aus Avmz und Bm entspricht in etwa einem aus lauter BC4ü-39 zusammengestellten Zug (die ursprünglich geplanten reinen B-Wagen wurden verworfen), ein aus Avmz und Bvmz bestehender Zug sogar einem reinen Zweiter-Klasse-Zug aus (hypothetischen) Schürzenwagen und Hechtwagen.
Die dritte Klasse im alten Sinne gibt es nicht mehr, wohingegen der langjährige Standard der ersten Klasse gewahrt und ab 1962 auch überboten werden konnte. Weggefallen sind die Luxusklasse mit ihren übergroßen Vierer-Abteilen und die Holzklassen.