Hallo zusammen,
ganz besondere Grüße gehen natürlich zuerst in Richtung der ehem. Duisburger Kupferhütte!
Achtung, jetzt kommt jede Menge Text, mit dem ich auch die Anmerkungen von Dieter und anderen zu beantworten hoffe.
In letzter Zeit ist (zumindest in H0) das Angebot an Bausätzen nach Vorbildern aus der Montanindustrie, insbesondere im Bereich Bergwerke deutlich gewachsen. Schon vor rund zehn Jahren hat Trix mit der Zeche Zollverein einen Anfang gemacht, und Roco hat 2010 mit Zollern einen weiteren Klassiker realisiert. Dazu kommt eine mittlerweile fast unüberschaubare Anzahl von Lasercut-Bausätzen diverser Anbieter zu diesem Themenfeld.
Gerade Zollverein und Zollern als bekannteste Beispiele weisen aber auch einen entscheidenden Nachteil auf – die große räumliche Ausdehnung. Trix hat zwar erstere Zeche ca. auf 1:100 geschrumpft, aber selbst so verlangt schon allein das Ensemble aus Doppelbockfördergerüst und zwei Maschinenhäusern rund 1,4m Länge. Auch suggerieren beide Bausatzfamilien eine Uniformität der Übertageanlagen, die eben gerade nicht typisch für den Zustand größerer Bergwerke ab Epoche II ist. Will man also nicht auf Kleinbetriebe aus der Anfangszeit der Industriealisierung ausweichen, die vor vierzig Jahren schon längst ausgekolkt gewesen sind, müssen andere Lösungen gefunden werden. Wie immer ist eine Befassung mit dem Vorbild ratsam – neben der einschlägigen Internetsuche seien ein Besuch auf Zollverein und die herrlichen SW-Bildbände von Bernd und Hilla Becher (Verlag Schirmer & Mosel) empfohlen.
Eine erste Idee zum Platzsparen für Besitzer der Trix-Bausätze ist das mögliche „Halbieren“ des Doppelbockgerüstes mit dann daher nur noch einem Fördermaschinenhaus – so zu sehen etwa beim Schacht I der ehem. Zeche Nordstern in Gelsenkirchen. Die nach dem zweiten Weltkrieg deutlich gestiegene Leistungsdichte der Elektromotoren erlaubt jedoch noch kompaktere Lösungen. Schacht II der gleichen Zeche hat ein voll verkleidetes Fördergerüst mit an der Spitze untergebrachten Maschinen, d. h. von außen ist kein Seilumlauf zu sehen. Die Besonderheit ist dabei neben den großen Glasflächen die eben gerade von Zollverein bekannte Architektur von Fritz Schupp mit der Backsteinausfachung der Stahlkonstruktion. Hingegen erinnert der Betonförderturm von Schacht III der Zeche Consolidation eher an Silos landwirtschaftlicher Lagerhäuser. Dieser einem Komplettselbstbau z. B. aus Polystyrolplatten sehr entgegenkommende nüchterne Stil ist bei vielen moderneren Anlagen(teilen) zu sehen (gewesen), so auch bei der Grube Ensdorf im Saarland oder auf dem Gelände Anna des Eschweiler Bergwerksvereins in Alsdorf. Hingegen hat Martin alias 044 404 (Hall of Fun) noch eine etwas ältere Version mit ausgeprägtem "Doppelkopf" nachgebildet.
Nun aber zu meiner konkreten Umsetzung – zunächst geht es um die Auswahl eines geeigneten Ausschnitts. Im Fokus steht dabei sicherlich die Verladung auf die Bahn, also die Kohlenwäsche, welche bei größeren Bergwerken von mehreren Schächten beschickt wird. Hier bietet sich die Aufstellung vor einer Hintergrundkulisse an. Damit kann die Gesamtausdehnung der Anlage begrenzt werden, und die versteckte Weiterführung zumindest eines Teils der Gleise ermöglicht den korrekten Umlauf beladener und leerer Wagen. Auf der anderen Seite der dann als Motivteiler dienenden Kulisse wäre die ebenfalls ausschnittsweise Darstellung eines großen Abnehmers denkbar, also z. B. eines Kraftwerks.
Die Reduktion meiner Zeche „Weststern“ auf den Anschnitt der Kohlenwäsche ist mir jedoch zu wenig gewesen, denn dann wäre der "Rest" (also eigentlich "alles") nur rechts auf dem Hintergrund darstellbar:
Wegen der ohnehin diagonalen Lage des Kopfes der Gleisharfe mit praktischem „Verschwinden“ unter einer Kastenbrücke hat sich die ausschnittsweise Fortsetzung der Anlage auf der anderen Seite in Form eines kleinen Dreiecks angeboten. Dort habe ich mich dann bei Motiven der schon genannten Zechen Nordstern und Consolidation bedient. Von ersterer stammt der Förderturm von Schacht II, den ich in Hauptabmessungen und Stil nachgebildet habe, ohne eine sklavische Kopie anzustreben.
Von der Zeche Consolidation habe ich die enge und verwinkelte Anordnung der Übertagebauten aus verschiedenen Epochen aufgegriffen und „Weststern“ folgende Geschichte gegeben:
Ende des 19 Jahrhunderts ist der erste Schacht abgeteuft worden. Aus dieser Zeit stammen das ehemalige Pförtnerhaus, der Wasserturm sowie die Werkstatthalle.
Um den ersten Weltkrieg ist eine wesentliche Erweiterung des Betriebs erfolgt. Dabei sind der Wasserturm erhöht und ein Verwaltungsgebäude für die Verbundzeche errichtet worden, welches sich an einer neuen Straße orientiert, deren Verlauf wegen der zwischenzeitlichen Parzellierung von Nachbargrundstücken nicht mehr mit den strengen Achsen der Ursprungsanlage übereinstimmt. Damit ist das Pförtnerhaus innerhalb des Betriebsgeländes zu liegen gekommen und hat seine alte Aufgabe verloren.
Eine neue Nutzung hat sich als Aufenthaltsgebäude der Zechenbahn ergeben, welche um 1930 bei der nächsten großen Umgestaltung der Anlagen ebenfalls erweitert worden ist. Nach Entwürfen von Fritz Schupp sind ein vollwandiges Strebengerüst mit Wagenumlauf und Lesebandhalle sowie eine zentrale Kohlenwäsche nach Art von Zollverein entstanden, wobei nur letztere im dargestellten Bereich liegt. Hinzugekommen ist auch noch ein Kühlturm am Rand des Geländes.
Als letzte Ausbaustufe ist nach der Behebung von Bombenschäden in den Fünfzigerjahren der neue Förderturm für Schacht II errichtet worden. Fritz Schupp hat für den Wagenumlauf den Stil der Kohlenwäsche beibehalten; die Verbindung erfolgt durch eine Schrägbandbrücke über die Werkstatthalle hinweg, deren strenge Symmetrie dem Krieg zum Opfer gefallen ist. Schäden an einer Stirnseite haben zur Kürzung um eine Fensterachse geführt, wobei man den so gewonnenen Platz gleich dem Neubau zugeschlagen hat.
Wichtig ist für mich also die glaubwürdige und ausschnittsweise Umsetzung eines Szenarios, wie es gewesen sein könnte, welches jedoch gezielt bestimmte Vorbildsituationen aufgreift. Das ist natürlich keineswegs als Kritik an den Ansätzen etwa von Daniel (Palenberg) oder Frank (DK) zu verstehen, welche dem 1:1 oder besser gesagt 1:87-Weg folgen und deren Werke ich wirklich bewundere. Vielmehr soll hier jeder nach seinem Geschmack glücklich werden.
Fortsetzung zum Förderturmbau usw. folgt,
Alexander